R. F. Kuang: Die Schamanin - Im Zeichen der Mohnblume 1 (Buch)

R. F. Kuang
Die Schamanin
Im Zeichen der Mohnblume 1
(The Poppy War (1), 2018)
Übersetzung: Michaela Link
Blanvalet, 2020, Paperback, 670 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-7341-6222-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wie dies bei Kriegen immer der Fall ist, sind die Leidtragenden die Kinder. Sie bleiben nach dem Tod ihrer Eltern alleine zurück, verhungern oder werden in die Zwangsprostitution gedrängt.

Nach den Mondkriegen hat die Herrscherin des Reiches bestimmt, dass eine jede Familie, die nicht mehr als zwei eigene Kinder hat, eine Kriegswaise bei sich aufnehmen muss.

Runin, Rin genannt, ist solch eine Kriegswaise. Ihre Pflegefamilie nutzt sie schamlos aus, lässt sie die Bücher führen, hungern und bei dem natürlich höchst illegalen Opiumhandel helfen.

Als Rin eines Tages erfährt, dass sie an einen Witwer, der dreimal so alt wie sie ist verheiratet werden soll, weiß sie, dass sie nur mehr eine Chance hat, dem tristen Schicksal, das ihr droht zu entkommen.

Als Mädchen vom Land, ungebildet und ohne sie unterstützende Familie, tritt das hoch intelligente Mädchen in den jährlichen Prüfungen um die Zulassung zur Kaiserlichen Akademie an. Und, allen Widrigkeiten und Erwartungen zum trotz, setzt sie sich in den Tests durch.

Dass sie es unter all den Anwärtern der Akademie, die aus den angesehensten Familien der Reiches stammen und sich seit Jahren auf die Ausbildung zum General vorbereitet haben, nicht leicht haben würde, war ihr klar. Dass sie sich an ihrem ersten Tag gleich mit einem der verwöhnten und eingebildeten Snobs anlegt und diesem ein blaues Auge verpasst, beschert ihr einen gewissen Ruf. Zum Glück findet sie in Kitay einen ersten verlässlichen Freund, der sie unterstützt.

Die Ausbildung ist hart, die Ansprüche hoch; es wird gnadenlos ausgesiebt, wissen die Meister doch, dass dem Reich ein weiterer, vernichtender Krieg droht. Mittendrin die Division von Rin, die weit über sich hinauswachsen muss, um zu überleben und vielleicht das Schicksal des Reiches zu beeinflussen.


Was ist dies für ein Roman, einmal mehr der Auftakt einer Trilogie, dessen Autorin dieses Jahr mit dem Astounding Award ausgezeichnet wurde?

Erzählt wird, nur wenig verklärt, die Geschichte der Auseinandersetzung des feudalen Japans gegen das Festland-China zur Zeit der Kaiser-Dynastien. Auf der einen Seite ein Reich, das auf einer Insel gelegen für seine wachsende Bevölkerung einen neues Siedlungsraum, wirtschaftliche Dominanz und Ausbeutung von Rohstoffen sucht und dabei auf ein korruptes, seinen Zenit lange überschrittenes Festlandimperium trifft.

Aus der Sicht eines Mädchens, das sich aus bitterer Armut befreit, wird uns dieses Reich, seine Bewohner, seine Landstriche und sein Schicksal gezeigt.

Hier erwartet den Leser keine der üblichen archaischen Fantasy-Welten. Die uns unbekannte klassisch-chinesische Kultur, zwei Nationen am Rande eines bewaffneten Konflikts, zeigt uns das Elend und Leiden der Bevölkerung teilweise drastisch auf.

Immer wieder begegnet Rin auf ihrem Weg Menschen, die bereit sind zum eigenen Vorteil gnadenlos zu agieren. Die Gewaltdarstellungen sind vorliegend sehr deutlich, spiegeln die Realität, die Verrohung von Menschen im Krieg wider.

Rin selbst wird im Verlauf der Ereignisse härter, brutaler und muss so manche schwierige Entscheidung treffen. Der erlebte Genozid, miterlebte Vergewaltigungen und brutale Morde prägen sie.

Die Beschreibungen der Schrecken des Krieges sind wahrlich starker Tobak. Da werden Leichen geschändet, werden Menschen verstümmelt und gefoltert. Themen wie Drogenmissbrauch und Diskriminierung sind dagegen fast schon gemäßigt zu nennen.

So ist dies ein Auftakt, der den Leser durch seine Realitätsnähe zu den Gewalttaten schockt, der ihm eine mutige, später fast verbohrte Frau vorstellt, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihren Weg geht, sich den klassischen Rollenschemata verweigert. Ein Buch, das anders ist als viele der sonstigen Fantasy-Titel, das keine leichte Koste darstellt, dafür aber brutale Realitätsnähe atmet.