Anthony Ryan: Das Lied des Wolfes (Buch)

Anthony Ryan
Das Lied des Wolfes
Rabenklinge 1
(The Wolf’s Call, 2019)
Übersetzung: Sara Riffel
Titelbild: Federico Musetti
Hobbit Presse, 2020, Hardcover, 556 Seiten, 25,00 EUR, ISBN 978-3-608-98217-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Einst war er ein Kriegsmönch im Dienst eines Totenkults. Dann hat er fünf lange Jahre in einem alpiranischen Kerker verbracht, weil er den Erben des Kaiserthrons umgebracht hatte. Während des Krieges war er General, verlor viel zu viele Freunde und herrscht nun, im Namen seiner Königin, als Turmherr der Nordlande über einen ausgedehnten Landstrich des Reiches. Glücklich geworden aber ist er nie.

Die Rede ist natürlich von Vaelin Al Sorna, der einmal mehr im Zentrum von dunklen Umtrieben steht.

Der Bote, längst besiegt und eigentlich getötet, ist zurück - und er überbringt Vaelin eine Warnung: Etwas Unbegreifliches, etwas Hungriges wurde durch die Berührung des schwarzen Steins durch den Verbündeten geweckt - die Spur führt ins weit entfernte ehrwürdige Königreich, das durch die unübertroffenen Reiterheere der Stahlhast bedroht wird.

Es gilt, Sherin, die sich hierher zurückgezogen hat, zu finden - ist sie doch die Erste, die im anstehenden Konflikt sterben wird.

Dass unser Held von trauriger Gestalt einmal mehr manipuliert und ausgenutzt wird - geschenkt. Dass ein Barbar, wie Al Sorna von seinen Verehrern Dunkelklinge genannt, der vom dunklen Stein mit einer Gabe gesegnet und der sich selbst zum Gott erhoben hat ihn jagt allerdings erweist sich als - schwierig?

Problematisch insofern, als Al Sorna und die ihn begleitenden Gefährten einmal mehr in Prophezeiungen und blutige Kriege verwickelt werden, die sie eigentlich nicht gewinnen können.

In der an der Grenze der Nordprovinz gelegenen Stadt Keshin-Kho kommt es bei der Belagerung der stark befestigten Stadt zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Dunkelklingen…

 

Nach seinem triumphalen Debüt, der „Rabenschatten“-Trilogie, legte der in London lebende Autor mit seiner „Draconis Memoria“-Trilogie (beide Reihen erschienen bei der Hobbit Presse) einen etwas anderen Fantasy-Zyklus vor.

Mit vorliegendem Band, einmal mehr der Auftakt einer Trilogie, kehrt er in die Welt von Rabenschatten zurück.

Nun ist das immer so eine Krux mit Fortsetzungen: Die Leser und Fans erwarten und erhoffen sich in aller Regel einen Aufguss der hoch gepriesenen ersten Veröffentlichung. Dabei muss der Autor aber auch Neues inkludieren, sonst lässt die Faszination schnell nach.

Ryan macht in vorliegendem Band vieles, fast alles richtig.

Er präsentiert uns die bekannten und uns ans Herz gewachsenen Figuren, verlegt diese aber geschickt in eine bis dato unbekannte Gegend.

Das Reich, das seine Protagonisten bereisen und in dem sie dieses Mal ihre Abenteuer erleben, erinnert an das klassische Chinesische Kaiserreich. Angelehnt an die überlieferten Verhaltensformen findet Ryan hier die Zeit und den Platz, uns neue Figuren und andere Verhaltensweisen vorzustellen als wir dies aus den bisherigen Bänden kennen. Dabei greift er weidlich auf die bekannten Versatzstücke zurück; die einander bekriegenden Diebesbanden, die eigentlich hermetisch abgeschlossene Küstenstadt nur für die Ausländer, der allmächtige Kaiser in seinem Palast - das kennen wir aus diversen anderen Büchern.

Auch der Antagonist erinnert ein wenig an vorherige Gegner. Vom schwarzen Stein berührt und letztlich gelenkt präsentiert sich in dem Reitervolk aber eine ungewohnte, frische Kultur, die unser Interesse weckt.

Mit eingebaut hat Ryan auch das Schicksal unterschiedlichster Figuren: Unsterbliche, Begabte die das Lied hören, ehrbare Krieger und finstere Verbrecher, Generäle und Statthalter.

Hier liegt einmal mehr die Stärke des Textes. Mit Gespür für das Wichtige portraitiert der Autor diese Gestalten, verleiht ihnen Tiefe und Leben.

In der erneut mustergültigen Übersetzung von Sara Riffel, erwartet den Leser so ein sehr spannendes, packendes und interessantes Abenteuer in einer archaischen Welt. Die Kampf-szenen sind, Ryan-gewohnt, mitreißend und glaubwürdig realistisch verfasst, das Tempo ist hoch, die Faszination auch und so warten wir gespannt auf den nächsten Band, der wohl im Herbst erscheinen wird.