Nina Blazon: Der Winter der schwarzen Rosen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 15. Juli 2020 22:11

Nina Blazon
Der Winter der schwarzen Rosen
cbt, 2017, Taschenbuch, 542 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-570-31177-6 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Die Zwillinge Liljann und Tajann könnten nicht unterschiedlicher sein. Während die Ältere scheu ist, ihre magische Gabe verbirgt und nur zu gern ihr bisheriges Leben fortsetzen möchte, strebt die aufgeschlossene Jüngere höhere Ziele an, die sie mit Mut und sogar einer gehörigen Portion Skrupellosigkeit erreichen möchte. Beide fürchten jedoch, dass sich ihre Hoffnungen nicht erfüllen werden.
Für Liljann nähert sich der unselige Tag, an dem der Vater die Erstgeborene freigeben und sie, wie ihr vorbestimmt ist, in die Wildnis aufbrechen muss, um ihr Glück zu machen oder zu sterben. Tajann hingegen wartet ungeduldig auf diesen Tag ihrer Befreiung, denn als Zweitgeborene hat sie die Wahl zu tun, was ihr beliebt - und ihr sehnlichster Wunsch ist, in die Fußstapfen ihrer verstorbenen Mutter zu treten, um an der Seite von Lady Jamala in der Zitadelle eine bedeutende Position einzunehmen.
Für jede von ihnen erfüllen sich die Hoffnungen und Befürchtungen nur teilweise, und neue, nicht geahnte Probleme kommen auf sie zu. Tajann verliebt sich in den hochrangigen Soldaten Firan, der sich als Lady Jamalas zweiter Sohn Lord Janeik entpuppt, welcher statt seines toten Bruders eine politische Ehe eingehen muss mit der Nordprinzessin Antija.
Liljann wiederum entwickelt Gefühle für den Söldner Voloc, doch weicht das anfängliche Glücksempfinden einer unerklärlichen Angst, als er sie zu umwerben beginnt.
Um Lady Jamalas Ultimatum zu erfüllen und in die Zitadelle zu gelangen, verrät Tajann Vater und Schwester mit Volocs Hilfe. Doch schon bald muss sie ihre neue Position hinter sich lassen und mit Janeik und seinen Getreuen fliehen, weil sie durch ihre Vermählung die Pläne der Herrscherin durchkreuzt haben. In der Nähe einer verlassenen Burg trifft Tajann unerwartet mit Liljann zusammen, die vor Voloc davongelaufen ist. Sie verschanzen sich in dem alten Gemäuer, dessen Magie Janeik zum Schutze aller aktiviert hat.
Während er aufbricht, um seinen Onkel um Hilfe zu ersuchen, wird die Burg angegriffen. Plötzlich ist nichts mehr, wie es zuvor schien, denn List und bindende Verträge, Misstrauen und Fehlentscheidungen, unerwartete Hilfe und böse Überraschungen bringen immer neue Wendungen und nicht für jeden die Rettung.
Wer die Bücher von Nina Blazon kennt („Faunblut“, „Lillesang“, „Ascheherz“ und andere), weiß, dass diese - egal an welche Altersgruppe adressiert - immer einen melancholischen Unterton haben, weil in die vermeintlich kindlich-heile Welt stets etwas Bedrohliches eindringt, vor dem die jungen Protagonisten nicht von den Erwachsenen beschützt werden können, sondern dem sie sich selbst stellen müssen mit allen Konsequenzen, auch dass sie verletzt werden oder gar sterben, wenn sie das Richtige beziehungsweise Notwendige tun.
Infolgedessen ahnt man schon zu Beginn der Lektüre mit dem unheilschwangeren Titel „Der Winter der schwarzen Rosen“, dass wenigstens ein Zwilling kein Happy End erlebt. Die Frage lautet daher, welche der beiden das Unglück ereilt. Anhand der Charakterisierung der Schwestern und der anfänglichen Entwicklung scheint die Antwort auf der Hand zu liegen, doch das wäre natürlich viel zu einfach. Darum schickt die Autorin ihr Publikum immer wieder aufs Glatteis und weiß zu überraschen.
Sie lässt beide Schwestern aus ihrer Sicht erzählen, was sie erleben und wie sie die Geschehnisse interpretieren. Indem sie mit der scheuen Liljann beginnt, die durch ihr Wesen und durch ihre Schwester in die Opferrolle gedrängt wird, sammelt die introvertierte Erstgeborene schon mal die meisten Sympathiepunkte vor allem bei jenen Leserinnen, die ebenfalls eher zurückhaltend sind (sonst würden sie nicht mit diesem Buch im Zimmer sitzen, sondern in der Disco tanzen) und sich mit der geheimnisvollen Protagonistin identifizieren können. Die selbstbewusste Tajann, die sehr egoistisch agiert, entwickelt sich im Laufe der Zeit zwar besser als erwartet, doch hält sich das Mitgefühl ihr gegenüber in jenen Grenzen, die ihr gegenüber von Personen gesteckt werden, die noch viel eigensüchtiger agieren.
Als die Situation eskaliert, müssen beide Mädchen selbst einen Weg finden, um sich zu retten, denn alle, die ihnen zur Seite stehen, erweisen sich als zu schwach und unzuverlässig, sterben, sind nicht das, was sie zu sein scheinen und an magische Verträge gebunden. All diese Unwägbarkeiten machen die Handlung schwer vorhersehbar, besonders gegen Ende des Buchs. Erfahrene Leser ahnen zwar das eine oder andere, mutmaßen jedoch gewiss zunächst in falsche Richtungen, bevor die Zusammenhänge offenbart werden. Hier wäre weniger durchaus mehr gewesen, denn wenn plötzlich vergessene Völker und Abstammungen ins Spiel kommen, von denen zuvor nie die Rede war, wirkt das immer etwas konstruiert.
Alles in allem versteht das spannende Buch, romantische und Fantasy begeisterte Leserinnen ab ca. 13 Jahren zu packen und in eine eigentümliche Welt der Gegensätze mit sehr unterschiedlichen Hauptfiguren zu entführen. Tatsächlich bestimmen die Gegensätze und der Umstand, dass nichts so ist, wie es zunächst scheint, den Hintergrund, das Kernthema und den Handlungsverlauf. Das Ende sah man halb kommen, halb hätte man etwas anderes erwartet, doch es passt und beinhaltet sogar die Option auf eine Fortsetzung.