Henriette Jade: Spiritueller Rausch der Lust (Buch)

Henriette Jade
Spiritueller Rausch der Lust
Blue Panther Books, 2020, Taschenbuch, 182 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-96477-261-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Von Henriette Jade liegen bei Blue Panther Books das Sachbuch „Erotische Rollenspiele für Paare“ und der Roman „Spiritueller Rausch der Lust“ vor, bei dem es sich um die Print-Version des kindle-Titels „Äpfel der Lust“ von 2017 handelt.


Jette (eigentlich Henriette!) arbeitet als Restaurateurin und soll in einer aufgegebenen Kirche einige Repliken instandsetzen, die dazu ausersehen sind, den BDSM-Club zu schmücken, der sich in dem Gebäude eingemietet hat. Auf der einen Seite geht Jette in ihrer spannenden Arbeit auf, doch andererseits hat sie Zweifel, ob dieser Verwendungszweck sakraler Objekte nicht Frevel ist.

Privat sitzt Jette ebenfalls zwischen den Stühlen. Ihr Ex, ein Kontrollfreak, hat sie wegen einer Jüngeren verlassen und schikaniert sie, wenn sie auch nur ein paar Minuten zu spät kommt, um die beiden gemeinsamen Kinder abzuholen. Und natürlich neidet er ihr die neue Beziehung. Wobei Jette sich nicht einmal sicher ist, ob sie wirklich mit Henri zusammen sein will, den sie über ein Dating-Portal kennengelernt hat, weil sie grundverschieden sind.

Während Jette schon wegen der Kinder und des Berufs ein geregeltes Leben führt, versteht sich der gelernte Maurer und Selfmade-Fotograf Henri als Künstler, will spontan und ungebunden sein und das Leben genießen. Eigentlich ist er auch optisch gar nicht Jettes Typ, und doch gelingt es ihm, etwas in ihr zu wecken und sie dazu zu bringen, ihre eigenen Grenzen infrage zu stellen, einschließlich ihrer Einstellung zur Religion und der persönlichen Spiritualität.

Als ihre Arbeit beendet ist und der Club eingeweiht wird, eröffnet ihr Oliver, ihr Auftraggeber, dass er fasziniert ist von ihr, und die beiden unterhalten sich in dem besonderen Zimmer, zu dem nicht jedem Eintritt gewährt wird, über mehr als bloß sakrale Kunst.


Wer tief religiös ist und erotische Handlungen in einer Kirche oder das Hineininterpretieren erotischer Aspekte in kirchliche Kunstwerke als Sakrileg erachtet, sollte auf die Lektüre dieses Romans verzichten - auch wenn die Autorin als Ich-Erzählerin, die sich offenkundig mit Jette identifiziert, entsprechende Bedenken einräumt.

Dabei haben Kirchen in Kriegszeiten immer wieder als Zufluchtsorte sowie Lager für Lebensmittel und Waffen gedient, wurden zerstört, bestenfalls in Museen, aber auch in Moscheen und hier in einen Nachtclub umgewandelt. Unrealistisch? Nein. Eine schrumpfende (christliche) Bevölkerung, Kirchenaustritte, zu wenig Geld für den Erhalt der Gebäude (trotz gewaltiger Vermögen seitens der evangelischen und katholischen Kirche) machen vieles möglich.

Die Protagonistin setzt sich mit dem Thema (Nachtclub) auseinander und nennt mehrere Kunstwerke, die in der Geschichte kurz näher erklärt und im Anhang über einen Link zu Detailinformationen für Interessierte führen. Dabei ist sie sehr bemüht, trotz der erotischen Einbindung den religiösen Hintergrund der Objekte nicht zu beschädigen. Es handelt sich ausnahmslos um Darstellungen, die Hingabe, Entzückung und eine verklärende Liebe veranschaulichen, die auch mit (Selbst-) Züchtigung in Zusammenhang stehen.

Dieser Hintergrund schwingt mit und wird zum Dreh- und Angelpunkt von Jettes Lust und Entscheidungen. Nur vordergründig geht es um den Sex mit Henri, der die Regeln festlegt, immer wieder etwas Neues und Überraschendes bietet, gemeinsam mit ihr atemberaubende Erfahrungen macht, aber frei und spontan bleiben will. Oliver bleibt bis kurz vor Schluss ein Nebendarsteller, der schließlich partizipiert und Jettes Entwicklung keineswegs negativ beeinflusst. Das Ende kommt für die Protagonistin nicht unerwartet, enthält aber auch Optionen, die sie zuvor nicht für möglich gehalten hätte.

„Spiritueller Rausch der Lust“ ist ein flüssig geschriebener Roman, der sich thematisch auf heiklem Terrain bewegt, in der Wortwahl nicht zu deftig ausfällt und durchaus Leserinnen anspricht, die es weniger grafisch mögen - sofern sie den religiösen Aspekt nicht als Sakrileg erachten.