Tamsyn Muir: Ich bin Gideon (Buch)

Tamsyn Muir
Ich bin Gideon
(Gideon the Ninth, 2019)
Übersetzung: Kirsten Borchardt
Titelbild: Tommy Arnold
Heyne, 2020, Paperback, 606 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-42373-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Als Gideon Navs Mutter über dem neunten Planeten abspringt und sich dabei das Hirn verbrezelt, verdammt sie ihre Tochter zu einem Leben, das diese verabscheut. Umgeben von Nonnen und wiederbelebten Skeletten, die die Felder bewirtschaften und als Diener eingesetzt werden, wächst Gideon mit dem Schwert in der Hand auf.

Seit ihren Teenager-Jahren versucht sie dem neunten Planeten zu entkommen - und wird immer wieder geschnappt.

Dieses Mal hat sie aber auch wirklich alles bedacht - und wartet sehnsüchtig auf das Shuttle, das sie in die Freiheit bringen soll. Dumm, dass Harrowhark, Erbin des Hauses und Intimfeindin Gideons, einmal mehr von Gideons Plänen Wind bekommen hat und diese im letzten Moment vereitelt.

Nix war’s, wieder einmal! Gideon ist nachvollziehbar am Boden. Die herrschende Tochter des Hauses Nonagesimus bietet ihr, natürlich ganz uneigennützig wie sie nunmal ist, einen Ausweg an. Wenn Gideon ihr als Kavalierin folgt und sie beim Kampf um den ausgeschriebenen Posten des neuen Lyktors unterstützt, kann sie gehen. Freiheit nach der Fronarbeit, als Leibwächterin mit Degen in der Hand die hinterhältigen Angriffe der anderen Häuser, die um den vakanten Platz streiten, abzuwehren ist eine Option, die Gideon zwar ablehnen will, aber nicht wirklich sausen lassen kann.

So machen die zwei jungen Damen, die einander nicht ausstehen können, sich auf, den anderen Häusern zu zeigen, wie mächtig, brutal und gewissenlos des neunte Haus ist.


Ein Debüt, der Beginn einer Trilogie die insbesondere in den USA für Furore sorgte, erwartet den Leser. Der Beginn saugt einen direkt ins Geschehen - und der ist auf den ersten Blick… ungewöhnlich? Eine Zukunft, in der Nekromanten herrschen, in der statt mit Laser oder Strahlwaffen wieder mit dem Stahl in der Hand Diplomatie betrieben wird, dazu ungewöhnliche Figuren und ein Setting, das frisch und unbekannt wirkt, sind die Pluspunkte. Hinzu kommt eine Erzählerin, die derb und mehr als direkt artikuliert und vorgeht, die kantig und eigenwillig ist und die dadurch interessant wirkt.

Sie vermissen das Wort sympathisch? Ja, sympathisch sind weder Gideon noch ihre Gefährtin, von den Gegnern, auf die Beide treffen, einmal ganz abgesehen. Man wird als Leser nicht wirklich warm mit Gideon; man mag sie bewundern, ihre Starrköpfigkeit, ihren Mut und so manches Mal ihre Dummheit fassungslos staunend betrachten, freundliche Gefühle zu ihr als Erzählerin baut man nicht auf.

Dazu kommt, dass die Autorin ihren Text mit Adjektiven nur so vollpflastert. Das prägt den Roman und die Lektüre, sorgt für jede Menge Dramatik, ohne dass der Plot aber wirklich Tiefe erreicht. Auch das Setting bleibt mal rudimentär, mal diffus, oberflächlich und dann wieder zu detailverliebt; vor meinem inneren Auge konnte keine Welt entstehen. Die Autorin erklärt nichts - soll sie ja auch nicht -, zeigt aber auch zu wenig - und das sollte sie. So hängt der Leser, was die Welt anbetrifft, in der Luft, kann sich zu wenig erschließen um den Hintergrund mit Leben zu füllen.

Das Pfund, mit dem Muir wuchert ist ihr abgefahrenes, ungewöhnliches, eigentlich nicht zusammenpassendes Abenteuer, das sich irgendwie doch zusammenfügt. Dazu kommt der sarkastisch, brutal-ehrliche Ton der Hauptfigur, hinter dem man ein verletzliches Wesen erahnen kann, selbiges aber nicht wirklich erblickt.

Der Spannungsbogen ist, hat man sich einmal eingelesen und straff gespannt, die Charaktere sind ungewohnt, der Plot in sich dramatisch, abgefahren und actionreich, so dass nach dem Finale ein ambivalenter Eindruck blieb.