Patrick J. Grieser: Der Schreiberling (Buch)

Patrick J. Grieser
Der Schreiberling
Titelbild: Jan Balaz
Innenillustrationen: Timo Kümmel
Basilisk, 2020, Paperback, 430 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-947816-03-3

Rezension von Carsten Kuhr

Einmal schon mussten drei Schulkameraden, Freunde kann man sie beileibe nicht nennen, die Welt retten. Hekate, ja die Göttin vom Olymp, und Epimetheus, dessen Frau Pandora die legendäre Büchse geöffnet hat, waren mit von der Partie, als es darum ging, den Untergang des Muliversums, genauer: die Erde unserer Taugenichtse zu verhindern. Denn merke, wenn die Nacktschnecken zu Dutzenden sterben, plötzlich Bahngleise aus dem Nirgendwo auftauchen, dann sind die tollwütigen Seemänner auf ihren Seelensprintern unterwegs, um eine weitere Welt abzufackeln und Armageddon zu verhindern - oder erst auszulösen?

Sei’s drum, auf jeden Fall ist es nicht wirklich einfach, zwischen Göttern und Dämonen zu überleben. Darauf ein Bier, einen Bourbon oder doch einen Longdrink!

Diejenigen, die überlebt haben, wurden in Zwischenwelten versetzt oder blieben, wie Don Tiki, gleich in ihrer Heimatwelt zurück. Reinard Maynard, der Cowboy, dagegen findet sich als Maverickjäger im Wilden Westen wieder, Jakob Großmüller darf als neuer Leibdiener Epimetheus dienen.

Dass Thanatos, der Todestrieb, in einem Cryosarg im Hyperschlaf eingefroren   ist, führt dazu, dass das menschliche Roulette wieder in Schwung kommt.

Thanatos bedient sich zweier Menschen, denen er zuvor einen Hauch seiner Seele eingesetzt hat, um zu versuchen, sich aus seinem eisigen Sarg zu befreien.

Der Cowboy und der Rancher, ein perverser Psychopath, werden ausgesandt, Epimetheus und Hekate zu fangen. Nur diesen Zwei, die den Gott des Todes auch im Sarg eingekerkert haben, ist es möglich, ihn aus dem eisigen Schlaf zu befreien. Gelingen kann dieses Vorhaben nur, indem sie eines Menschen, dem die Flucht aus der Stadt der Nacht gelungen ist, habhaft werden - dem Schreiberling, einem Autor von Groschenheften, dessen Geschichten in von ihm neu geschaffenen Zwischenwelten wahr werden.

In einer dieser imaginären Heftwelten finden der Cowboy und der Rancher ihren Dritten im Bunde, einen HOHEN HERREN. Zusammen sollen sie die Schwäche der Olympioi für die Beeinflussung mittels Lunarits ausnützen und Hekate und Epimetheus dazu zwingen, den Herrn des Todes aus seinem Hyperschlaf aufzuwecken und zu befreien…


Was ist das für ein umfangreicher Roman, den uns Verleger und Autor Patrick Grieser vorlegt? Eine Fortsetzung zu dem momentan verfilmten „Der Primus“ soll es sein, aber beileibe kein lauer Aufguss.

Äußerlich fällt auf, dass das Werk offensichtlich auf verschiedenem Papier gedruckt und farbig illustriert wurde. Des Rätsels Lösung ist, dass im Buch zwei Heftromane eine sehr wichtige Rolle spielen. Diese beiden Schundheftchen wurden komplett, das heißt mit farbigem Cover und zweispaltigem Druck und wohl zur Abgrenzung zum restlichen Text auf anderem Papier dem Buch beigegeben. Vergleichbares habe ich zumindest bislang noch nicht gesehen, hier hat sich Grieser wirklich etwas einfallen lassen.

Die Cover im Innenteil, die Timo Kümmel wunderbar stimmig geschaffen hat, ziehen einen in die jeweilige Handlung - hier ein Fantasy- Band um einen Krieger, der seine Familie bei einem Angriff von Orks verloren hat, dort der Besuch eines Küstenstädtchens, deren Bewohner merkwürdig fischähnliche Gesichter haben - die Texte lesen sich flüssig und spannend.

Mehr Probleme hatte ich mit der generellen Handlung. Beim „Der Primus“ hatten mich die lebendig und realitätsnah gezeichneten Figuren in den Plot gezogen, fand ich mich damals in diesen wieder.

Vorliegend konzentriert sich der Autor zunächst einmal auf zwei seiner altbekannten Erzähler. Der Cowboy darf allen, aber auch wirklich allen Klischees schlechter Western folgend seine Abenteuer in der Prärie beim Treiben von Rinderherden und in der Auseinandersetzung mit einem fiesen Rinderbaron erleben.

Don Tiki gibt sich ganz seinem Laster hin, bis er im Wald, in der Nähe seines Hauses, wieder Schienen entdeckt - ein Déjà-vu überkommt ihn und schon wird es wieder brenzlig.

Lange Zeit bleibt unklar, um was es eigentlich geht. Gut 200 Seiten lang verfolgt man hauptsächlich die Erlebnisse des Cowboys, immer wieder unterbrochen von kurzen Szenen aus dem Leben von Tiki. Das hier Gebotene orientiert sich in erster Linie an klassischen Western-Sujets; die Handlungsabläufe sind bekannt, bieten keine wirklichen Überraschungsmomente und leider auch wenig wirklich Fesselndes.

Erst als Grieser dann die Götter in Form der angeschlagenen Hekate, des trauernden Primus alias Epimetheus und den gefangengehaltenen Thanatos einführt und sich die zugrundeliegende Geschichte langsam entfaltet, wird der Plot interessanter.

Es geht letztlich um eine Auseinandersetzung zwischen Wesen, die mit unbegreiflichen Kräften ausgestattet dennoch die mehr oder minder willige Hilfe von Sterblichen benötigen, um ihre Ziele zu erreichen.

Dieses Grundthema ist aber über weite Strecken gut versteckt. Zunächst ahnt der Leser nicht, was hinter den Vorkommnissen steckt, wie er die mächtigen Figuren im Hintergrund einschätzen und was erreicht werden soll. Dass alle Mächtigen egoistisch handeln, dass es keine gute respektive böse Seite gibt, sich der Leser so nicht eindeutig positionieren kann, ist folgerichtig und in sich logisch.

Allein der zu Beginn etwas undurchsichtige Aufbau des Textes, der vom Leser viel Geduld und Sitzfleisch verlangt, bis er die Hintergründe eruiert hat, stören den Lesefluss gerade zu Beginn des Romans. Mit den Heftromanen wird der Plot dann in sich straffer, der Handlungsfaden deutlicher, die Lektüre packender. Allerdings kommt diese Fortsetzung leider nicht an den wirklich gelungenen ersten Band heran.