Tobias Bachmann: Despina Jones und die Fälle der okkulten Bibliothek (Buch)

Tobias Bachmann
Despina Jones und die Fälle der okkulten Bibliothek
Titelbild: Annelie Lamers
Acabus, 2020, Paperback, 292 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-86282-779-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Unweit des weltberühmten Britischen Museum gibt es ein kleines Antiquariat, das sich auf okkulte Bücher spezialisiert hat. In Zeiten, da die Sammler ein altehrwürdiges Alter erreicht haben, kommen jede Menge seltener Titel, ja gar ganze, ein Leben lang zusammengetragene Sammlungen auf den Markt. Über Mangel an Angeboten kann sich Barbarossa North vom bezeichnenderweise „Bibliothek für okkulte Fälle“ genannten Antiquariat demzufolge nicht beklagen. Zumal der Antiquar, der die sechzig schon weit überschritten hat, in seinen drei Nichten tatkräftige Hilfe im Haus hat.

Die eine ist ein Computer-Nerd, hat sein Angebot digitalisiert und kümmert sich um das Online-Angebot. Die andere hilft anpackend im Laden mit. Und dann gibt es da noch Despina, die die Gabe besitzt mit den Verstorbenen reden zu können. Im Keller des Antiquariats hat sie die Urnen ihrer Freunde und Ansprechpartner untergebracht - unter ihnen Umberto Eco. Aber auch John Dee freut sich immer, wenn sie ihn um Rat bittet.

Erst kürzlich kam ein Buch in Barbarossas Besitz, das selbst Spezialisten als Erfindung abgetan haben. Nur drei Exemplare des „Cruciforma“ soll es geben, und nur wer alle drei geringfügig voneinander abweichende Fassungen des Buches sein Eigen nennt, kann, so das Gerücht, mit Hilfe des Werkes den Teufel beschwören.

Barbarossa hat, noch bevor er das Werk überhaupt anbieten kann, einen potentiellen Käufer an der Hand. Der auch in Sammlerkreisen nur unter seinem Pseudonym „Der Priester“ bekannte Sammler scheut weder Kosten noch Mühen, um das Buch in seinen Besitz zu bringen. Wenn Barbarossa das Werk nicht verkauft ist er auch gewillt, Gewalt anzuwenden - und beweist dies auch sogleich drastisch.

Was aber hat die Jagd nach dem mehr als seltenen Buch mit den in London gerade um sich greifenden Selbstkreuzigungen zu tun?

Despina und ihre Schwestern machen sich auf, die Rätsel zu lösen - nicht ahnend, dass die Vorgänge weit gefährlicher für Leib, Leben und Seele sind, als angenommen.


Was ist das für ein Roman, den uns Weird-Fiction-Spezialist Tobias Bachmann hier offeriert?

Ein Thriller in der Nachfolge Dan Browns mit historischen Bezügen, ein Kriminalroman oder doch eher ein Horror-Plot? schließlich geht es um Nekromanten.

Nun, von allem ein Bisschen, dazu eine Hommage an Arturo Pérez-Revertes „Der Club Dumas“, der unter dem Titel „Die neun Pforten“ kongenial verfilmt wurde - und ein munteres Abenteuer obendrein.

Die Idee, eine junge Frau - die sich mit den Toten unterhalten kann - ins Zentrum eines Plots um uralte dunkle Bücher zu stellen, erweist sich als geschickte Kombination. Die drei Damen allgemein sorgen für die spritzige Action, der Antiquar für den historisch-ernsten Background.

Zwar sind inhaltlich ein paar Sprünge und kleine Brüche erkennbar, doch mindern sie den Lese-Genuss und den Unterhaltungswert des Romans nicht wirklich. Alles konzentriert sich zunächst auf die Suche nach den Gründen für die Selbstkreuzigungen, die in London um sich greifen. Hier trifft man auf Menschen, die sich für die Wiedergeburt Jesu halten, auf verblendete Gläubige, Todkranke und Verführte. Verwicklungen, Rätsel und unerwartete Wendungen verleihen dem Roman Faszination.

Immer deutlicher wird im Laufe der Handlung, dass verborgen im Hintergrund jemand die Fäden zieht - und dies nicht erst seit Kurzem. Ob und wie dies mit Despinas ihr unbekanntem Vater zu tun hat, mögen weitere Bände vielleicht weisen.

Der Verlag hat dem Buch ein sehr passendes Cover spendiert, das die Stimmung des Bandes gut widerspiegelt.

Das Tempo ist hoch, die Dramatik auch, so dass sich der Roman flüssig auf einen Rutsch liest. Mögliche Fortsetzungen sind denkbar und wünschenswert, bietet das präsentierte Personenkarussell doch jede Menge Anknüpfungspunkte.