Matthew Reilly: Die Secret Runners von New York (Buch)

Matthew Reilly
Die Secret Runners von New York
(The Secret Runners of New York, 2019)
Übersetzung: Manfred Sanders
Titelbild: Arndt Drechsler
Festa, 2020, Hardcover, 424 Seiten, 22,99 EUR, ISBN 978-3-86552-809-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wir kennen sie alle - aus den glamourösen Illustrierten, aus dem TV und nicht zuletzt von ihren Auftritten in den sozialen Netzen - die Schönen, die Reichen und Bedeutenden. Diejenigen, die ganz am obersten Ende dieser Kette stehen residieren in Manhattan, genauer gesagt mit Blick auf den Central Park. Da, wo ein kleines Appartement schon mal lappige 20 bis 70 Millionen Dollar kostet müssen die Abkömmlinge natürlich auch aufs Leben vorbereitet werden. Ergo ist der Besuch einer Schule unabdingbar.

In der Upper West Side, genauer gesagt in der Monmouth School, werden sie aufs Leben vorbereitet; sprich, sie lernen früh das Intrigieren, das Paktieren, Geld auszugeben und zu repräsentieren.

Dass in der jüngeren Vergangenheit drei Schülerinnen spurlos verschwunden sind, man vermutet jeweils einen Suizid, hat den guten Ruf der Schule ein ganz klein wenig getrübt, doch letztlich setzen sich ja immer die Stärkeren durch. Und stark, selbstbewusst und reich sind sie alle!

Skye und ihr Zwillingsbruder Red sind jüngst von Memphis nach Manhattan zu ihrem Stiefvater gezogen. Jetzt dürfen sie, der neue Papa schwimmt in Geld, Monmouth besuchen.

Während Red sich problemlos einfügt, hat die mehr introvertierte Skye ihre lieben Probleme, in der ihr fremden Welt der verzogenen Gören ihren Platz zu finden. Hier hat noch nie jemand gearbeitet, fast alle sind weiß und stammen möglichst von den Passagieren der „Mayflower“ ab. Als der angesagte Bo Interesse an Skye zeigt, wird sie in einen exklusiven Club aufgenommen - den Secret Runners.

Unterhalb des Central Park liegt ein altes, von den Maya angelegtes Stollensystem. Mittels über Generationen weitervererbten Edelsteinen lässt sich ein Tor in die Zukunft öffnen - eine Zukunft, die dank einer Gammawolke, durch die die Erde am 17. März zieht, weitgehend bar allen Lebens ist.
Einzig Psychopathen und Depressive haben dank ihrer atypischen hypersynaptischen Hirnfunktionen die Apokalypse überlebt - doch vorher haben die Armen, Geknechteten und Missbrauchten noch blutig Rache an den Begüterten genommen…

Und genau hier findet sich Skye, von ihrer vermeintlichen Freundin als Nebenbuhlerin hilflos den Überlebenden ausgesetzt, wieder - etwas, das sie nicht überleben soll, nicht überleben kann, nicht überleben wird?


Matthew Reilly ist dem Leser insbesondere durch seine Action-Knaller um Sacrecrow und Jack West Jr. ein Begriff (beide Reihen erschienen auf deutsch bei Ullstein im Hardcover und später als Taschenbuch). Nachdem sein deutscher Verlag aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen die Zusammenarbeit mit dem Australier beendet hatte, sprang Frank Festa in die Bresche und veröffentlichte drei Einzelromane des Autors, die ein wenig anders daherkamen, als wir es vom Meister der pausenlosen Action-Thrillers gewohnt waren.

Nicht, dass es an packenden Szenen, an haarsträubenden Abenteuern und Wendungen ohne Ende mangeln würde, doch der Autor wählt eine andere Herangehensweise - zunächst einmal eine Ich-Erzähler Perspektive - und konzentriert sich weit mehr als früher auf seine Figuren.

Bevor er, laut eigener Aussage, zu Jack West zurückkehrt, schreibt er - ja, was eigentlich? Ein Jugendbuch? schließlich stehen junge Protagonisten im Zentrum des Geschehens und Gefühle spielen eine gewisse Rolle. Einen Zeitreise-Roman? Die Schilderung des Weltuntergangs, einmal nicht durch ein Virus sondern durch eine Weltraumstrahlung? Dies alles, und doch ist es ein echter Reilly.

Ungewohnt ist und bleibt zunächst, dass er sich Zeit für eine einfühlsame Zeichnung seiner Hauptfigur Skye nimmt. Und er beleuchtet minutiös die Welt der Superreichen, die lange schon die Bodenhaftung verloren, den Kontakt zum Pöbel abgebrochen haben und meinen, sich alles leisten zu können. Geschickt und glaubwürdig zieht er hier Parallelen zur Französischen Revolution, warnt vor der akut drohenden Gefahr, dass es zu bürgerkriegsähnlichen Aufständen kommen kann, ja wird. Wer einmal in den USA an den auf dem Trottoir kampierenden Armen vorbeigefahren ist, eine Ecke weiter die Nobelkarossen und Edelboutiquen gesehen hat, der weiß, dass die Lunte am Pulverfass bereits glimmt.

Und er beleuchtet mit scharfem Blick die Zustände an einer der Elite-Schulen. Das Taktieren, die Allianzen und die Grausamkeit, mit denen gegen vermeintliche Gegner intrigiert und gemobbt wird, ist mehr als deutlich und überzeugend herausgearbeitet.

Natürlich darf ein übernatürliches Element nicht fehlen. Die Zeitreise-Geschichte in Kombination mit der Vernichtung 95% allen Lebens auf der Erde kommt Reilly hier gerade recht.

Dies alles kombiniert ergibt einen packenden, mitreißenden aber auch einen berührenden Roman. Wir leiden mit so einigen Figuren des Buchs mit, wenn sie gemobbt, ausgegrenzt, verletzt werden. So ist dies ein ungewöhnlicher Reilly, ein Buch, das für seine Begriffe sehr in die Tiefe geht, das fesselnd unterhält und einen kongenialer Auftakt für Festas neue All-Age.Reihe darstellt.