Sebastien de Castell: Spellslinger - Karten des Schicksals 1 (Buch)

Sebastien de Castell
Spellslinger
Karten des Schicksals 1
(Spellslinger, 2017)
Übersetzung: Katharina Orgaß und Gerald Jung
Titelbild: Dale Halvorsen & Sam Hadley
dtv, 2020, Hardcover, 420 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-423-76276-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Es ist schon so richtig blöd, wenn man ein Außenseiter ist. Wenn alle um einen herum etwas können, die Familie erwartet, dass man die Fahne hoch hält und in die tiefen Fußstapfen der Vorfahren tritt - und man selbst versucht auch wirklich alles, kommt aber einfach nicht auf einen grünen Zweig.

Kellen ist ein Paradebeispiel dafür. In Kürze wird er sechzehn Jahre alt werden und alle seine Freunde, Bekannte und Feinde in der Oase legen mit 16 ihre Magierprüfungen ab. So manche von ihnen haben nur eine der sechs Gaben, deren Bänder ihnen als Kinder in die Haut tätowiert wurden, manche aber auch mehrere. Seine Schwester zum Beispiel offenbart Kräfte, die jetzt schon fast stärker sind, als die des Obermagiers höchstselbst.

Als Kellen sich durch seine erste von vier Magierprüfungen durchmogeln will - ja, er legt sich ausgerechnet mit den Todfeinden seines Clans an -, verrät ausgerechnet seine eigene Schwester ihn und stellt ihn bloß. Dass sie das nur gemacht hat, weil sie an ihn glaubt ist schnurz, er kann seine Kräfte einfach nicht wecken - und schon liegt er mit einem Herzen, das aufgehört hat zu schlagen, buchstäblich im Dreck. Nur der Hilfe einer die Ansiedlung besuchenden mysteriösen, ja skandalösen Abenteurerin und Spielerin ist es zu verdanken, dass er gerade noch gerettet wird.

Vorhang auf, für ein, nein genauer sein weiteres Martyrium.

In den nächsten Tagen soll er nicht nur dem totgeschwiegenen Verbrechen seiner Ahnen auf die Spur kommen, einen Aufstand miterleben und einer uralten Zauberin beim Sterben zusehen, sondern auch einen vorlauten Geistesgefährten - bezeichnenderweise die verschollene Nemesis seines Volkes - finden. Und er muss sich, mit wachem Geist und schnellem Mundwerk, ein ums andere Mal aus der Bredouille retten, sonst, das ist gewiss, ist er endgültig und für alle Zeiten tot.


Sebastien de Castell ist dem deutschen Leser von seiner bei Piper begonnenen „Greatcoats“-Reihe ein Begriff. Hier bot er wunderbar lesbare High Fantasy, die gute ja mitreißende Unterhaltung pur bot. Leider versäumte es der Verlag, just zu einer Zeit da gleich zwei Konkurrenten mit neuen Fantasy-Reihen und unter dem massiven Einsatz von flankierenden Werbemaßnahmen auf den Markt drückten, für die „Greatcoats“ sonderlich die Werbetrommel zu rühren. Die Folge waren ernüchternde Verkaufszahlen, so dass der abschließende Teil, wie so oft, leider nicht mehr auf Deutsch erscheint.

In aller Regel sind Autoren, die es einmal nicht geschafft haben auf dem so umkämpften deutschen Buchmarkt Fuß zu fassen, verbrannt. Sprich, ihre weiteren Bücher finden kaum mehr eine verlegerische Heimat. Anders bei dem in Niederlanden lebenden Kanadier de Castell, der seine „Spellslinger“-Reihe bei dtv unterbringen konnte.

Nun werden Kritiker einwenden, dass diese sich an eine andere Zielgruppe - Jugendliche nämlich - richten würde, und sie haben damit recht. Dennoch versucht der Verlag, von den Büchern überzeugt, diese zu lancieren. Ein Vorab-Leseexemplar für den Buchhandel wurde produziert, Werbekampagnen gestartet - man erwartet viel von den mittlerweile sechs Büchern der Reihe.

Dabei hat es der Rezipient zu Beginn nicht ganz einfach. Als Erzähler dient ausgerechnet ein magischer Versager mit großer Klappe, dazu kommen eine ganz eigene Darstellung der magischen Talente und eine Kultur, die an Wüstenstämme erinnert.

Das muss man erst einmal nach und nach verarbeiten und akzeptieren, ergo dauert es ein wenig, bis wir mit unserem Protagonisten warm werden. Gerade dessen Unzulänglichkeiten aber machen ihn als Erzähler liebenswert.

Dazu kommt, dass uns der Autor die Geheimnisse seiner Welt erst mit der Zeit offenbart. An der Seite unseres Helden erleben wir Unterdrückung und Verleumdung, Gettoisierung und Versklavung mit. Hier greift der Autor heiße Eisen an. Es geht um nichts weniger als um Selbstbestimmung von Völkern, um Migration und Achtung von Minderheiten. Das sind durchaus interessante Themen, auch und gerade, weil sie in der Fluchtliteratur Fantasy auch im Jugendbuch selten angesprochen werden.

So ist dies ein zunächst gewöhnungsbedürftiger Beginn einer Reihe, die mit jedem Band immer besser wird. Schon im Auftakttitel zeigt der Autor ein Gespür für wichtige Themen, die er altersgerecht aufarbeitet und in seinen Plot einfließen lässt.