Der Barde 2: Die Nebelglocke, Sandra Binder (Buch)

Der Barde 2
Die Nebelglocke
Sandra Binder
Hrsg.: Alisha Bionda
Titelbild und Innenillustrationen: Shikomo
Arunya, 2017, eBook, 2,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Unaufhaltsam und gewaltig wie eine Schneelawine walzte der Nebel über die nachtschwarze Landschaft. Er schien den Wald regelrecht aufzufressen. Der Mond vermochte kaum, die zähe Wolkendecke zu durchdringen, und dennoch reflektierte der Nebel sein Licht. Oder leuchtet er von selbst? Von innen heraus? Dieses beeindruckende Schauspiel, untermalt von feierlichem Glockenklang, ließ Dall schaudern.“

Überfallen und ausgeraubt findet sich der Kaufmann Dall in der Zwangslage wieder, sich in dem heruntergekommenen Dorf Piseog, das von einer seltsamen Bewehrung umgeben ist, ein Nachtlager zu suchen. Benehmen sich die Einwohner schon bei Dalls Ankunft merkwürdig, so setzt bei Einbruch der Dämmerung regelrechte Panikstimmung ein. Vom „rotäugigen Nebelmann“ wird in der Gaststube des Ortes gefaselt, der im Schutz von Nacht und Nebel die Ungläubigen und überhaupt alles holt, was er fressen kann. Sieben Opfer sollen dem Dämon bereits zum Opfer gefallen sein.

Dall, der die Geschichte für ausgemacht Humbug hält, wird in der Nacht Zeuge einiger rätselhafter Ereignisse. Eine dichte Nebelwand schiebt sich in den Ort, und eine rothaarige Frau reitet direkt in den Dunst hinein. Und tatsächlich gibt es am nächsten Tag einen weiteren Toten zu beklagen, der bestialisch ermordet wurde. Gemeinsam mit der frischgebackenen Witwe Fae und einer Portion Logik macht es sich Dall zur Aufgabe, das Geheimnis des Nebelmanns zu lüften.

„Dall lauschte angestrengt. Der dunkle Tonfall hatte etwa Samtenes an sich. Er erscholl hier draußen nicht weniger feierlich, doch er klang gedämpft. Als hätte das Geräusch Mühe, den dichten Nebel zu durchdringen. […] Der tiefe Klang erschien ihm sonderbar ernst und viel zu bedeutungsvoll für ein seelenloses Ding aus Metall.“


Mit „Die Nebelglocke“ liegt die zweite Geschichte des reisenden Barden Manchego vor, die er in der Taverne ‚Zum schwankenden Lampion‘ gegen Kost und Logis zum Besten gibt. Bei den Bildern des anziehenden, leuchtenden Nebels, die Sandra Binder heraufbeschwört, sieht man förmlich die Szenen aus John Carpenters „The Fog“ vor sich, die sie in ein eigenständiges Mystery-Garn einflicht.

Jedenfalls hat die Geschichte alles, was eine gelungene Grusel-Mär benötigt. Da ist zunächst der ungläubige und auch etwas hochnäsige Held, der unversehens in ein unheimliches Geschehen gerät, an das zu glauben ihm seine vermeintliche weltmännische Aufgeklärtheit nicht zulässt. Gemeinsam mit einer furchtlosen Dorfbewohnerin will er das Geheimnis des Nebels, der Nebelglocke und der grausamen Morde aufklären. Sein Verdacht, dass es sich bei den Morden um weltliches Wirken handelt, wird erhärtet, als Dall Einblick in die Familien- und Vermögensverhältnisse der Toten erhält.

Die Novelle ist flüssig zu lesen und genau richtig, um zur Abendstunde eine gepflegte Gänsehaut zu bescheren. Die Charaktere gefallen, es sind keine Längen zu verzeichnen und das Ende wartet noch mit einer Überraschung auf. Manchegos Zuhörer wie auch die Leser dürfen sich also kurzweilig und stimmungsvoll unterhalten fühlen.

„Die Nebelglocke“ ist eine atmosphärische Gruselkrimi-Novelle, bestens geeignet für einen nebligen Herbstabend.