Stephen King und Bev Vincent (Hrsg.): Flug und Angst (Buch)

Stephen King und Bev Vincent (Hrsg.)
Flug und Angst
(Flight or Fright, 2018)
Übersetzung: Kathrin Bielfeldt, Jürgen Bürger, Gisbert Haefs u.a.
Heyne, 2019, Taschenbuch, 448 Seiten, 10,99 EUR, ISBN 978-3-453-43980-1 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Die Anthologie zum Thema Flugangst enthält 17 Texte zum Thema und ein Vorwort (Stephen King) und ein Nachwort (Bev Vincent).

Neben einer ultrakurzen Vignette von Ambrose Bierce (7 Sätze!) und einem arg pathetischen lyrischen Gedicht von James Dickey sind es vor allem einige Klassiker, die den Ton bestimmen, während Stephen King und sein Sohn Joe Hill immerhin gut lesbare Erstveröffentlichungen beigesteuert haben. Allen Texten vorangestellt ist eine Einleitung von Stephen King, zudem gibt es eine kurze Biografie zu jedem Autor.

 

Herausragend ist natürlich Richard Mathesons großer Klassiker (laut King vielleicht die „größte Flugangst-Geschichte, die je geschrieben wurde“) „Albtraum auf 20000 Fuß“ („Nightmare at 20,000 Feet“), der bereits zweimal für die Serie „Twilight Zone” (einmal für den originalen Klassiker Anfang der 60er mit William „Captain James T. Kirk“ Shatner in der Hauptrolle des Bob Wilson als Folge 123 der 5. Staffel [in Deutschland mit dem kruden Titel „Portrait eines ängstlichen Mannes” versehen], einmal für den Kinofilm von 1983 mit John Lithgow in der Hauptrolle des Protagonisten, der hier unter dem Namen John Valentine auftritt) verfilmt worden ist. Hierzu etwas zu sagen, verbietet sich fast, außer der Erwähnung, dass der Autor das Ende recht offen lässt, während die Verfilmungen nur einen möglichen Ablauf wahrscheinlich erscheinen lassen. Hier lässt Matheson dem Leser die Wahl: Psychose oder erschreckende Realität bei Mr. Arthur Jeffrey Wilson (so sein Ursprungsname)? Befremdlich für viele Leser wird sicherlich sein, dass man in den 60er Jahren tatsächlich nicht nur im Flugzeug rauchen konnte, sondern sogar Schusswaffen im Handgepäck transportieren durfte. Beides heute zurecht unvorstellbar!

Ebenfalls inzwischen Klassiker sind Bradburys elegische Kurzgeschichte „Die Flugmaschine” („The Flying Machine”), die sich mit der Frage beschäftigt, ob Dinge, die in die Welt kommen (zum Beispiel neue Erfindungen), wieder ungeschehen gemacht werden können, und John Varleys „Luftangriff” („Air Raid”), eine Story, die durch eine Verfilmung noch bekannter wurde und die zeigt, dass nicht alle Entführungen böse gemeint sind.

Stephen King selbst überrascht die Leser mit einer ausnahmsweise positiven Flugangst-Erzählung, während sein Sohn Joe Hill einen stilistisch packenden Parforce-Ritt abliefert, von dem wir alle nur hoffen können, dass dieses Sujet nie wahr wird (Donald Trump hin oder her).

Darüberhinaus gibt es allerdings etwas zu viele Kriegsgeschichten, die den Horror in den vergangenen Weltkriegen suchen (David J. Schow und Roald Dahl, wobei letzterer allerdings wie immer hinreißend fabuliert) oder auf ausgelutschten Themen herumreiten (Bev Vincent und ihre Zombies und Cody Goodfellow und die Voodoo-Maske).

Lichtblicke sind dagegen die herrlich antiquierte Erzählung von Sherlock-Holmes-Schöpfer Arthur Conan Doyle, die clevere Story von E. C. Tubb (auch wenn man den Plot nach wenigen Seiten schon aus großer Entfernung kommen sieht, so lässt er einem doch das Blut in den Adern gefrieren) und die politisch bittere Kurzgeschichte von Tom Bissell, während der ansonsten zuverlässige Dan Simmons leider nur Mittelmaß abliefert.

Ebenfalls atmosphärisch sehr dicht, glaubhaft, packend und emotional überwältigend ekelhaft ist die Geschichte von E. Michael Lewis, mit dem der vorliegende Band zurecht startet.


Alles in allem ist dies eine empfehlenswerte Anthologie mit einigen prächtigen Geschichten, von denen keine so schlecht ist, dass man sie nicht lesen könnte, und deren beste einem wahrlich mit kalter Hand am Schlafittchen packen und aufs Schauerlichste durchschütteln.

Dazu kommt noch, dass viele der hier gesammelten Erzählungen so weit weg von unserer aktuellen Realität erscheinen, dass man nicht wirklich beim Lesen in Flugangst verfallen muss, wenn man empfänglich dafür ist. Mag dies ein Manko sein oder ein Plus, ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: Die Lektüre hat Spaß gemacht!