Gruselkabinett 143: Der Wolverden-Turm, Grant Allen (Hörspiel)

Gruselkabinett 143
Der Wolverden-Turm
Grant Allen & Marc Gruppe (Script)
Sprecher: Annina Braunmiller-Jest, Dagmar von Kurmin, Beate Gerlach u.a.
Titelbild: Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2018, 1 CD, ca. 46 Minuten, ca. 8,99 EUR, ISBN 978-3-7857-5723-9

Rezension von Elmar Huber

„Maisie Llewelyn war niemals zuvor nach Wolverden in Sussex eingeladen worden. Entsprechend gespannt war sie daher im Jahr 1889, als sie die erste Einladung von Mrs. West erreichte, dort kurz vor Weihnachten, auf Wolverden Hall, dem Landsitz der Millionärin, einem festlichen Essen mit einem anschließenden mehraktigen „Tableau vivant“ beizuwohnen.“

Der Einladung von Mrs. West, einer Freundin ihrer verstorbenen Eltern, folgend, trifft die junge Maisie Llewelyn kurz vor Weihnachten auf dem frisch renovierten Anwesen Wolverden Hall ein.

Zu dem Gelände des Herrenhauses gehört auch eine Kirche, deren Turm abgebrochen und neu aufgebaut werden musste, was bei einigen Bewohnern der Gegend auf massive Ablehnung stößt. Vor allem die „Alte Bessie“, die sich oft in dem Gotteshaus aufhält, wettert gegen die Frevler und spricht von der „traditionellen Bauweise“ des ursprünglichen Turms, dessen Wurzeln bis in die Keltenzeit zurückreichen. Neben Stein und Mörtel sollen auch heidnische Rituale und Jungfrauenblut für den Schutz des Bauwerks gegen die Unbillen der Natur und der Zeit verantwortlich gewesen sein.

Während einer Abendveranstaltung, eines „Tableau vivant“ (die Nachstellung von Kunstwerken mit lebenden Menschen), wird Maisie auf zwei außergewöhnlich schöne Frauen namens Yolande und Hetta aufmerksam, mit denen sich ein intensives Gespräch entwickelt, die allerdings kein anderer Besucher zu bemerken scheint. Später trifft sie die beiden wieder und lässt sich von ihnen zu einem nächtlichen Besuch in der Kirche überreden.

„Maisie Llewelyn staunte, denn ein irisierendes Leuchten ging nun in der Dunkelheit des Gewölbes von den beiden weißgekleideten Gestalten aus. Die junge Frau erschauerte, sah sie doch jetzt, dass sich lediglich blanke Knochen unter dem Stoff der Kleider ihrer Begleiterinnen verbargen.“


‚Kurz zuvor in England …‘ - so könnte das Hörspiel beginnen, denn die zeitgleich erscheinende „Gruselkabinett“-Folge 142 nimmt ihren Anfang ebenfalls im Jahr 1889.

Alles beginnt so schön: Erzähler Peter Weis stimmt mit seiner gutmütig-brüchigen Stimme auf das Geschehen ein, und die unbeschwerte Vorfreude auf die Zeit des Weihnachtsbesuchs, die Annina Braunmiller-Jest als Maisie (Synchronstimme von Kristen Stewart) und Dagmar von Kurmin als mütterliche Mrs. West versprühen, überträgt sich unmittelbar auf den Hörer. Sogar das Zusammentreffen mit der auf Krawall gebürsteten Alten Bessie (Beate Gerlach) trübt die Stimmung der Frauen nur wenig.

Bei dem erfahrenen Grusel-Fan hingegen läuten, ob der schaurigen Äußerungen der Alten, schon alle Alarmglocken. Solcherart sensibilisiert für die folgenden Ereignisse, schleicht sich eine veritable Gänsehaut über den Rücken des Hörers, als diesem klar wird, dass die junge Miss Llewelyn während der Abendveranstaltung mit zwei Geisterfrauen kokettiert, die an Maisie ebenso Gefallen finden wie umgekehrt. Reinhilt Schneider und Kristine Walther als Yolande und Hetta klingen auch derart verführerisch, dass es wohl jedem schwer fallen würde, ihnen einen kleinen gemeinsamen Nachtspaziergang abzuschlagen (siehe Cover-Motiv).

Die unausgesprochene Frage, warum nur Maisie die beiden sehen kann, wird durch ihre Abstammung beantwortet, soll das Fräulein doch zufällig König Artus persönlich in ihrer Ahnenreihe haben und damit ein passendes Opfer für den Wolverden-Turm darstellen. Übrigens korrelieren auch die Motive der „lebenden Bilder“ sehr schön mit dem, was Maisie kurz danach erwarten soll.

Was folgt ist vergleichsweise harter Tobak in dem Sinne, dass es regelrecht anstrengend wird, dem fanatisch salbadernden Geisterpriester bei seinem länglichen Erklärungsvortrag in Sachen Wolverden-Turm zuzuhören. Da ging wohl die Spielfreude mit Sprecher Bodo Primus durch, und man muss sich direkt nochmal versichern, dass man nicht versehentlich einen „Geister-Schocker“ erwischt hat.

Die Geschichte im englischen Original ist hier zu finden.

Die Story selbst, wie auch die Umsetzung als Hörspiel, haben ihre individuellen Stärken und Schwächen.