X-Men: Blue 4 (Comic)

Cullen Bunn
X-Men: Blue 4
(X-Men: Blue 23-28, 2018)
Übersetzung: Jürgen Petz
Titelbild: Jorge Molina
Zeichnungen: Jorge Molina, Mike Perkins, R. B. Silva u.a.
Panini, 2018, Paperback, 148 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-7416-1161-2

Rezension von Irene Salzmann

Die jungen X-Men aus der Vergangenheit befinden sich zusammen mit Venom an Bord von Danger und treiben hilflos durchs All, da das manifestierte Programm des früheren Dangerrooms seine Kräfte verausgabt hat. Nachdem sie bereits Marvel Girl verloren haben, scheint nun auch die letzte Stunde der anderen geschlagen zu haben, denn wenn Danger seine Schiffsform nicht erhalten kann, sterben die Passagiere im Weltraum.

Unterdessen versucht Magneto zu verhindern, dass die Gruppe um Miss Sinister Mothervine, ein Mutagen aus einer alternativen Welt, verbreitet, so dass nahezu alle Menschen eine Mutation durchlaufen und die Mutanten zur dominanten Spezies werden. Allerdings sind diese Mutationen nicht nur instabil und gefährden die Betroffenen, sondern sie erlauben es Miss Sinister, diese Personen zu kontrollieren.

Emma Frost, nun wieder die White Queen, und Havok, der noch immer ‚umgedreht‘ ist, kooperieren mit Miss Sinister und ihren Helfern. Allerdings haben beide vor, ihre Partner zu hintergehen. Zudem kommen Emma immer mehr Zweifel, ob sie den Plan durchziehen soll, wenn dadurch Unschuldige zu Sklaven von Miss Sinister werden. Aber kann sie auf Havok bauen, der durch und durch böse ist?

Magneto ist der Übermacht dieser Gegner kaum gewachsen, und die X-Men sind verschollen, als er ihre Unterstützung dringend benötigt. Kurz entschlossen formt seine Tochter Polaris ein Team neuer X-Men, zu dem Daken, Poison, Bloodstorm, Xorn und Gazing Nightshade gehören. Miss Sinister zwingt prompt die mutierten Menschen, sich gegen jene zu wenden, die sie in Sicherheit bringen wollen, und es gibt Opfer auf beiden Seiten.


Sofern man das Paperback „Venom & X-Men: Poison-X“, das (US-) „X-Men: Blue“ 21, 22 + Annual 1 sowie (US-) „Venom“ 162 + 163 beinhaltet und als komplettes Crossover angeboten wird, nicht gelesen hat, muss man sich erst einmal wundern, was mit den jungen X-Men zwischen den PB-Bänden „X-Men: Blue“ 3 + 4 passiert ist, denn sie befinden sich zusammen mit Venom in der flugfähigen Version von Danger ohne Marvel Girl, die (mal wieder) gestorben ist. Beast gibt sich die größte Mühe, Danger zu stabilisieren, damit es die Überlebenden zurück zur Erde schaffen; ob bereits im nächsten PB bleibt abzuwarten.

Dieser Nebenschauplatz nimmt in der Summe recht viele Seiten ein und schildert vor allem die Trauer, die das Team empfindet und wie der Einzelne mit dem Verlust umzugehen versucht. Während Cyclops vor sich hin brütet und am liebsten den Tod in einer von Danger geschaffenen glücklichen Illusion, in der Marvel Girl lebt, hinnehmen möchte, kämpft Beast, der sie ebenfalls liebte, um Dangers und damit um die Rettung aller, indem er das ‚lebende‘ Schiff mit der Hilfe von Angel und Venom repariert, während Iceman viel redet. Auf die Folgen von Marvel Girls Tod für das Team, diese und die alternative Zeitlinie, aus der sie kamen, wird nicht eingegangen.

Die Main-Story ist Magneto und seinem Ersatz-X-Men-Team gewidmet. Die Pläne von Miss Sinister werden enthüllt und umgesetzt, ohne dass Magneto es verhindern kann. Infolgedessen vermögen er und seine Kameraden lediglich Schadensbegrenzung zu betreiben, indem sie eine weitere Verbreitung des Mutagens verhindern und die mutierten Menschen in Obhut nehmen. Diese erweisen sich jedoch als trojanisches Pferd, da sie unter Miss Sinisters Kontrolle stehen und die X-Men angreifen.

Zwar können die finsteren Pläne von Miss Sinister und ihren Helfern durch den Seitenwechsel einer Person aus diesem Kreis vereitelt werden, aber es sieht nicht danach aus, als würde das von Magneto und den X-Men als echte Wiedergutmachung akzeptiert - denn im Kampf gegen die neuen Mutanten gab es Tote. Ob das den ‚alten Magneto‘ und eine neue Brotherhood of Evil Mutants hervorrufen wird, ist reine Spekulation.


Der Mini-Story-Arc „Zu den Waffen!“, der im Original treffender „Cry, Havok“ heißt, thematisiert außerdem das weitere Schicksal von Cyclops‘ jüngerem Bruder, der während des „Axix“-Crossovers ‚umgedreht‘ wurde und sich dafür entschied, böse zu bleiben, weil er befürchtete, dass seine eigentlich gute Seite die schlimmen Geschehnisse nicht verkraften würde. Später schloss er sich Emma Frost an, die mit fraglichen Mitteln eine Mutanten-Nation leitete und zunächst auch der Verbreitung von Mothervine zuzustimmen scheint.

Polaris, die über Jahre eine ‚an‘- und ‚aus‘-Beziehung mit Havok unterhielt, will die Hoffnung nicht aufgeben, dass in seiner ‚umgedrehten‘ Persönlichkeit der Mann gefangen ist, den sie geliebt hat. Sie selbst war oft genug Opfer von Manipulationen und Geisteskontrolle, auch hier wieder - eine Episode, die recht bemüht wirkt und diesen wunden Punkt von ihr genauso einbindet wie die Ausschaltung der Raksha, um den Weg zu bereiten für ein neues, bunt gemischtes X-Men-Team.

Auch Magneto glaubt, dass seine Tochter fähig ist, das Gute in Havok, seinem gefährlichsten Gegner, zu finden und ihn wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. Ein gefährlicher Irrtum, denn Havok ist sich sehr wohl bewusst, dass er ‚umgedreht‘ wurde und hat sich damit arrangiert. Aus diesem Grund bedarf es mehr als gutes Zureden und die Erinnerung an seine Liebe zu Polaris. Das Problem wird dann recht unspektakulär gelöst und lässt offen, welchen Weg er nun einschlagen wird.

„X-Men: Blue“ 4 beinhaltet zwar einen relativ abgeschlossenen Handlungsstrang, doch die Szenen im All wirken aus dem Zusammenhang gerissen und wie ein Fremdkörper, weil die Vorgeschichte hier nicht eingebunden wurde (von einer kurzen Zusammenfassung zu Beginn des Bandes einmal abgesehen).
 
Auch der Kampf von Magneto und den X-Men gegen Miss Sinister und ihre zusammengewürfelten Verbündeten mutet konfus an, als habe sich Cullen Bunn („Deadpool: Killustrated“, „Fear Itself: The Fearless“, „Captain America and Hawkeye“) nicht wirklich entscheiden können, ob er den Fokus auf die Beziehung von Polaris und Havok richten soll, auf Magnetos Kampf gegen Miss Sinisters Gruppe, das neue X-Men-Team oder Emma Frosts Alleingänge. Es gibt zu viele weitere Einzelschauplätze um die Raksha, Polaris, Xorn und so weiter, so dass die Handlung mit den vielen wechselnden Orten und Protagonisten zerfasert.

Auch die Zeichnungen sind uneinheitlich, weil verschiedene Teams beteiligt sind, wenngleich es keine qualitativen Ausreißer gibt. Man merkt jedoch, dass sich das Aussehen der Figuren und die Kostüme immer wieder leicht verändern.

Sammler werden natürlich zugreifen. Gelegenheitsleser sollten vor dem Kauf ein wenig in dem Band blättern, um sicherzugehen, dass sie an der Lektüre Spaß haben werden.