Moe Teratos: Der Kehlenschneider (Buch)

Moe Teratos
Der Kehlenschneider
Titelbild: Timo Kümmel
2014, Taschenbuch, 286 Seiten, 9,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Es fühlte sich so echt an, als hätte ich sie tatsächlich getötet. Das war die stärkste Fantasie, die ich bis jetzt gehabt hatte. In meinen Gedanken hatte sich der Wunsch, Schmidts Kehle zu durchschneiden, so lebendig, so wahrhaftig angefühlt, dass ich hätte schwören können, sie in diesem Moment wirklich umzubringen. Als ich aus der Trance erwachte, war ich erst verwirrt und dann enttäuscht. Für sie war es pures Glück, dass ich anscheinend doch nicht bereit war, einen Mord zu begehen.“

Seit seinem Rausschmiss aus der Werbeagentur quälen Matthias Bruckner Phantasien, in denen er Frauen die Kehlen aufschneidet. Er vertraut sich dem örtlichen Pfarrer an, doch findet er bei der Beichte nicht die erhoffte Erlösung. Dafür verweist ihn der Geistliche an die Psychiaterin Penelope Peschke, bei der Matthias beschließt, einen Termin zu machen.

Pfarrer Konstantin Fischer dagegen hat Matthias‘ Beichte weit mehr aus der Bahn geworfen, als er sich anmerken lässt, denn bereits Matthias‘ Vater Sascha war bei Fischer zur Beichte gewesen, bevor das Morden begonnen hat.

Zusätzlich zu den immer eindringlicher werdenden Visionen wird auch Matthias‘ Familienleben auf eine harte Probe gestellt, und als er seine Psychiaterin mit aufgeschnittener Kehle in ihrer Praxis findet, entgleitet ihm sein Leben vollends.

„Es gab in mir eine Grenze, die ich noch nicht überschritten und die meine Fantasien unter Kontrolle hatte. Würde das auf ewig so weitergehen? Ich fand einen neuen Menschen, der die Hauptfigur in meinen abartigen Stücken einnahm, und alles lief bloß in meinem Kopf ab? Oder übertrat ich irgendwann die Grenze, kaufte mir ein Skalpell und tötete mein aktuelles Opfer. Obwohl… was das Skalpell anging, war es schon zu spät. Ich hatte heute Morgen online ein Set mit dreißig verschiedenen bestellt.“


Mit „Der Kehlenschneider“ hat Moe Teratos einen fiesen kleinen Thriller-Happen abgeliefert, der vor allem durch seine trickreichen Wendungen besticht, so dass man nie sicher sein kann, ob man nicht gerade einem blutrünstigen Irren seine Sympathie leiht. Denn eigentlich ist Matthias Bruckner scheinbar ein netter Kerl, der gerade mit einem Sack voll alltäglicher Probleme zu kämpfen hat, die sich wohl jeder vorstellen kann. Bis auf seine mörderischen Phantasien natürlich, die man mit etwas gutem Willen noch als - zugegeben heftiges - Stress-Symptom werten könnte.

Immerhin sucht er zunächst Beistand bei einem Geistlichen, ohne zu wissen, in welche Zwickmühle er den Pfarrer damit drängt. Und hier nutzt Moe Teratos den schriftstellerischen Kniff, dem Leser mehr zu verraten, als Matthias selbst weiß, denn schon dessen alter Herr litt unter Gewaltphantasien, und tatsächlich folgte damals auf die Beichte von Bruckner Senior eine Mordserie. Und so befindet sich der Leser plötzlich auf wackeligem Boden. 

Zusätzlich zu diesem gemeinen Storydriver versteht es die Autorin, nahezu jedes Kapitel mit einer deftigen Überraschung zu würzen, die dem Geschehen stets einen neuen Drall geben. Während sein Kumpel Frank und Priester Fischer Matthias‘ Unschuld beweisen wollen, erfährt dieser selbst immer mehr über das Leben seines Vaters, das vieles, was er zu wissen glaubte, in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Mit den ganzen Finten, portionsweisen Enthüllungen und dem Tempo, das Moe Teratos hier vorlegt, bewegt sich „Der Kehlenschneider“ schon fast auf dem Terrain von Sebastian Fitzek, wenn auch deutlich weniger poliert.

„Der Kehlenschneider“ ist ein fieser und gut durchdachter Indie-Thriller, der mit den Erwartungen des Lesers spielt und die Story mit immer neuen Wendungen ordentlich am Laufen hält.