Philip Reeve: Der grüne Sturm - Mortale Engines 3 (Buch)

Philip Reeve
Der grüne Sturm
Mortal Engines 3
(Infernal Devices, 2005)
Übersetzung: Nadine Püschel und Gesine Schröder
Titelbild: Ian McQue
Tor, 2018, Taschenbuch, 382 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-596-70214-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Um die etwas abfallende Spannungskurve des zweiten Bandes vergessen zu lassen, bedient sich Autor Philip Reeve hier eines sehr cleveren Tricks: Er springt einfach 16 Jahre in die Zukunft und zeigt Tom und Hester als Eltern eines aufsässigen Teenagers.

 

Wren ist in der friedlichen Umgebung von Anchorage, der defekten Traktionsstadt, aufgewachsen. Diese hat ihre letzte Ruhestätte in einem grünen und sehr fruchtbaren Teil des ehemaligen Nordamerika gefunden. In der dortigen Einsamkeit lässt es sich friedlich und komfortabel leben.

Doch Wren langweilt sich und möchte gerne ähnliche Abenteuer erleben wie ihre Eltern dereinst. Deshalb ist sie begeistert, als sich einige der verlorenen Jungs, die eine unterseeische Diebesbande von meistens Kindern und Jugendlichen bilden, heimlich in Anchorage mit ihrem ehemaligen Mitglied Caul treffen. Doch Caul will die Bande nicht unterstützen, die auf der Suche nach einem geheimnisvollen Buch aus Zinn ist. Deshalb bietet sich Wren an, den Dieben das Buch aus der hiesigen Bibliothek zu beschaffen, wenn diese sie als Bezahlung dafür mit auf ihre Tour nehmen.

Kaum hat die Teenagerin aber das geheimnisvolle Buch gestohlen, überschlagen sich die Ereignisse und bald hat Wren viel mehr Abenteuer an der Backe als sie jemals in ihrem Leben erleben wollte...


Teil 3 dieser wunderbaren Saga fährt wieder alles auf, was dieses Epos schon im ersten Teil opulent zu bieten hatte: Grandiose Ideen, tolle Atmosphäre, interessante Charaktere und vor allem viel wohldosierte Action, die der Autor mit Verve zu erzählen weiß.
Der Zeitsprung 16 Jahre in die Zukunft stellt dabei eine Art Jungbrunnen dar, denn der Kampf zwischen den „Traktionisten“, die dem „Städte-Darwinismus“ frönen (also fahrbare Städte kämpfen miteinander, die unterlegenen werden ausgeschlachtet, ihre Bewohner als Sklaven verkauft), und denjenigen, welche die Menschen wieder fest ansiedeln wollen auf einer grünen und blühenden Erde, nähert sich den finalen Auseinandersetzungen.

Die Anti-Traktionisten werden dabei vom sogenannten grünen Sturm angeführt. Deren Anführerin ist die maschinelle, fast unsterbliche Wiedergeburt von Anna Fang. Auch die Überreste des Stalkers Shrike wurden exhumiert und wiederbelebt, so dass dieser auf der Seite der Anti-Traktionisten erneut eingreifen kann.

Auf der Gegenseite findet sich, neben einigen deutschen Panzerstädten, diesmal vor allem das eher idyllische Brighton, das ehemalige englische Seebad, wieder. Hier hat man es sich zum Ziel gesetzt, die Diebesbande der verlorenen Jungs auszulöschen, deren unterseeische Stadt zu zerstören und deren Anführer, den „Onkel“, zu entmachten. Bürgermeister und damit Anführer von Brighton ist ein alter Bekannter von Tom und Hester: Der verlogene und intrigante Forscher und Bestseller-Autor Nimrod Pennyroyal, der Tom dereinst beinahe tötete und mit beider Luftschiff aus Anchorage floh.

Und so schließen sich wieder die Kreisläufe, die alten Feinde begegnen sich erneut und alte Fehden werden wieder aufgenommen, neue Protagonisten (Wren, aber auch der junge Fishcake) werden integriert.

Auf wunderbaren 380 Seiten erschafft Philip Reeve einen bunten und absolut faszinierenden Kosmos einer „entgleisten“ Zukunft, wie sie auch in der Science Fiction nur selten dermaßen innovativ und abenteuerlich anzutreffen ist (spontan fällt mir hierzu nur John Brosnans noch genialere Trilogie um die Himmelsherren ein, die Reeves Entwurf noch locker übertrifft und eine ähnlich abgefahrene, hoch kreative und intelligente Geschichte erzählt).

Schön dass Tor wenigsten die vier Bände der Kerngeschichte herausbringt (die drei Prequels und den Storyband darf man sich allerdings als Leser noch in deutsch wünschen, was aber sicher vom Verkauf des Ursprungsquartetts abhängt; also: Daumen drücken und vor allem: kaufen!).