Daniel Illger: Der Stern der Mitternacht - Skargat 3 (Buch)

Daniel Illger
Der Stern der Mitternacht
Skargat 3
Hobbit Presse, 2017, Paperback mit Klappenbroschur, 618 Seiten, 17,95 EUR, ISBN 978-3-608-98124-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Karl E. Aulbach

Lange erwartet ist jetzt endlich auch der abschließende (?) Band der „Skargat“-Trilogie mit dem Eigentitel „Der Stern der Mitternacht“ erschienen. Teil 1, „Der Pfad des Schwarzen Lichts“, war gleichzeitig der Debüt-Roman von Autor Daniel Illger und hatte mit dem Gewinn des SERAPH, des von der Phantastischen Akademie im Rahmen der Leipziger Buchmesse verliehenen Förderpreises für Phantastische Literatur für das Beste Debüt, sehr großes Aufsehen erregt.

 

Der auch als Film- und Literaturwissenschaftler tätige Daniel Illger präsentiert sich als sprachgewaltiger Autor, der es schafft, der Fantasy-Literatur noch einige neue Facetten abzugewinnen, indem er geschickt Stil-Elemente der Romantic Fantasy mit der High Fantasy und Gothic Fantasy mischt.

Während dies besonders im ersten Teil noch sehr deutlich vor allem an den agierenden Personen festzumachen war - die Hauptpersonen sind unter anderem ein Untoter, eine Leichenfresserin, eine verrückte Magd -, ist der Autor in den Folgebänden dazu übergegangen, diese extremen Personenbeschreibungen wieder etwas zurückzunehmen und durch eher klassische, wenn auch literarisch sehr hochwertige Legenden abzumildern. Dennoch wird kaum eine der Figuren eine Identifikationsfigur für den Leser darstellen.


Im jetzt vorliegenden dritten Band nimmt sich Daniel Illger sehr viel Zeit für einen Rückblick auf das Geschehen der ersten beiden Bände. Das ist auch gut so, da der älteste davon schon vor rund zwei Jahren erschienen ist. Er macht das allerdings auch sehr geschickt, da er den Rückblick in eine Erzählung der Hexe Aiona für Kinder verpackt. Gespickt mit einigen Zusatzinformationen sorgt das dafür, dass es auch Lesern mit einem besseren Gedächtnis nicht langweilig wird. Rückblicke sind aber anscheinend ohnehin ein geschätztes Stilmittel des Autors. Auch im weiteren Verlauf des Buchs erlebt der Leser einige vergangene Situationen aus dem Blickfeld einer anderen Hauptfigur mit und erlangt dadurch nicht nur neue Erkenntnisse, sondern kann auch die intensive Charakterisierung der Handlungsträger sehr gut nachvollziehen.

Die Geschichte beginnt damit, dass Mykar, ein gesellschaftlicher Außenseiter in einem mittelalterlichen Dorf, einiger ungeklärter Verbrechen bezichtigt und von den Dorfbewohnern erschlagen wird. Erst Jahre später, als sein einziger Freund Cay im Dorf bedroht wird, beginnt sich an der Stelle unter einem magischen Baum, an der Mykar verscharrt wurde, etwas zu regen. Eine magische Linde hat Mykar in ein Wesen zwischen Leben und Tod verwandelt, das sich, bewaffnet mit dem Schädel einer jungen Hexe, die ebenfalls am Fuße der Linde zu Tode gekommen war, aufmacht, um Cay zu retten. Dieser hatte den Adligen Rudrick getötet, der seinerseits Cays Verlobte geschändet und ermordet hatte.

Um Cay, der in der Provinzhauptstadt im Gefängnis sitzt, zu retten, schließt Mykar ein mehr als ungewöhnliches Bündnis mit Justinus, einem versoffener Landadligen ohne Perspektive, und seiner verrückten Magd Scara. In der Stadt angekommen, kann Mykar noch Vanice, eine geheimnisvolle Schöne, die sich auf Friedhöfen wohlzufühlen scheint, für seine Sache gewinnen. Die Rettungsversuche schlagen nur scheinbar fehl.

Dabei erfahren die Anti-Helden allerdings nach und nach den großen Hintergrund des Szenarios. So hat der Adlige, den Cay getötet hat, seinen Tod bewusst herbeigeführt, um auf diese Weise in ein halb jenseitiges Reich zu gelangen und Aufnahme in die Horde des Schwarzen Jägers zu finden, die die Sterblichen in besonderen Nächten heimsucht. Auch dies war letzten Endes allerdings nur ein Zwischenziel, um einer noch schlimmeren Entität, dem Bösen, in die Welt zu verhelfen.

Die Wege der Protagonisten trennen sich. Der rachehungrige Mykar nimmt in einer Gespensterschänke einen Mordauftrag an, nach dessen Durchführung er die Information erhalten soll, wie er den toten Rudrick vernichten kann, und bricht in eine ferne Stadt auf. In langen Rückblicken wird die traurige Geschichte von Vanice erzählt und die Hintergründe ihres Fluchs offenbart. Die Liebesgeschichte zwischen ihr und Cay wird eher dürftig ausgestaltet. Beeindruckend ist allerdings die Schilderung des stillen aber unverbrüchlichen Glaubens, den Cay für sie entwickelt und mit dem er die Schatten ihrer Vergangenheit ausräumt.

Darin verpackt ist auch, wie bedeutsam einzelne Entscheidungen sein können, die einem Leben eine ganz andere Richtung zu geben vermögen. Das wird besonders auch bei Mykar deutlich, dessen Leben wie das keines anderen in der Geschichte vorherbestimmt zu sein scheint. Trotzdem hätte auch er an einem gewissen Punkt, die Wahl gehabt. Es ist eine Ironie des Schicksals in der Geschichte, dass er die falsche Wahl trifft, nicht wissend, dass diese Entscheidung eigentlich längst überflüssig gewesen wäre.

Justinus, Scara und eine Reihe anderer Gefährten, die im Laufe der Geschichte hinzugekommen sind, übernehmen schließlich mit dem Kampf gegen die Horde und andere den Action-Part, womit keinesfalls ausgesagt sein soll, dass es den anderen Handlungssträngen an Action fehlt - im Gegenteil.


Die Geschichte ist wirklich sehr spannend. Das Buch ist ein ausgesprochener Pageturner. Verblüfft merkt man als Leser erst am Ende, dass der Autor die Mainstory eigentlich völlig offen gelassen hat.

Die Horde und ein böser Magier sind eher kleine Lichter vor dem Hintergrund des Bösen, das eigentlich völlig unbekannt und ungreifbar erscheint. Auch der Kaiser, der möglicherweise ein Tor für das Böse in die Welt bildet, wird nicht weiter thematisiert. Selbst kleinere Handlungsstränge enden mehr oder weniger unaufgelöst. Sogar das Schicksal der größten Hauptprotagonisten erscheint in vielen Fällen nur wie ein Zwischenstopp in einer größeren Geschichte.

Falls man das als Fehler sehen möchte, kann man es leicht mit den Fehlern anderer Debütanten, die vor lauter Erzählen den roten Faden ihrer Geschichten verlieren, entschuldigen. Hätte man diesen Faden allerdings festgehalten und konsequent verfolgt, wäre mit Sicherheit viel Gutes unerzählt geblieben.

„Skargat“ ist eine ungewöhnliche Roman-Trilogie mit mehr als ungewöhnlichen Helden, deren Schicksal man als Leser gerne verfolgt, auch wenn man sich nicht mit ihnen identifizieren kann. Jede der Figuren bietet viel Raum zum Nachdenken und Philosophieren, die Handlung ständig neue Überraschungen.

Die Geschichte ist bei Weitem noch nicht fertig erzählt  daher auch das Fragezeichen eingangs hinter dem Wort ‚Trilogie‘. Bleibt zu hoffen, dass der Autor die offenen Fäden aufgreift und in mindestens noch einem Band verarbeitet.

Ein bemerkenswertes Debüt und ein Autor, den man sich merken sollte.