Siri Pettersen: Odinskind - Die Rabenringe 1 (Buch)

Siri Pettersen
Odinskind
Die Rabenringe 1
(Odinsbarn)
Übersetzung: Dagmar Mißfeldt & Dagmar Lendt
Titelbild: Siri Pettersen
Arctis, 2018, Hardcover, 654 Seiten, 20,00 EUR, ISBN 978-3-03880-013-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Es ist ein unwirtlicher Tag, als Thorrald in einem der Steintore einen Säugling findet. Als er die Decke zurückschlägt, blicken ihn grüne Augen an, bis er bemerkt, dass das Wesen anders ist, als die Ymlinge - ihr fehlt der Schwanz. Eigentlich müsste er das Baby auf der Stelle töten, allein, er bringt es nicht übers Herz ein unschuldiges Kind zu meucheln. Was kann schon, allen Warnungen der Überlieferungen zum Trotz, passieren, wenn das Odinskind am Leben bleibt?

Um die Tatsache, dass er eine Mensk bei sich aufgenommen hat zu verschleiern, bringt er dem Kind eine Wunde am unteren Steißbein bei und behauptet, ein Wolf hätte ihm den Schwanz abgerissen.

Zusammen reisen sie in den elf Reichen umher, verkaufen ihre Kräuter und Tinkturen, bis ein Unfall des Ziehvaters sie zwingt, in Elveroa sesshaft zu werden. Hier findet die mittlerweile 15jährige Hirka Freunde, wird aber immer wieder als Hirka Schwanzlos verleumdet und auch, da sie das Umarmen nicht beherrscht, ausgegrenzt. Sie hat, anders als ihre Altersgenossen, keine besonderen Fähigkeiten, kann nicht Steinflüstern.

Als der Tag des Rituals kommt, ahnt sie nicht, was ihr bevorsteht. Sie muss erkennen und akzeptieren, dass sie wirklich anders ist als ihre Altersgenossen, dass sie gefürchtet und gejagt wird, schließlich, das wissen die Überlieferungen zu berichten, bringen die Odinskinder die Fäulnis, die mystischen Blinden drohen das Land heimzusuchen.

Verfolgt von den Schergen des Rats, den Schwarzröcken, denen sich auch Hirkas Freund Rime anschließen will, flieht Hirka. Dass sie dabei einem finsteren Geheimnis des Rates auf die Spur kommt führt dazu, dass die Hatz auf sie nur noch entschiedener und gnadenloser erfolgt. Wird es Hirka gelingen, den Nachstellungen zu entgehen und kann sie dem Ratssohn Rime trauen?

 

Was segelt da aus dem hohen Norden in deutsche Bücherstuben?

Verlag und Leser sind sich selten einig, dass die Trilogie der norwegischen Autorin Pettersen ein ganz besonderes Lese-Erlebnis darstellt, hat man doch Vergleichbares noch nicht gelesen.

Zunächst fällt dem Leser ins Auge, dass sich die Skandinavierin natürlich ihrer heimischen Mythologie bedient. Weit auffälliger ist aber noch, dass die Menschen als die Bedrohung dargestellt werden und sich die Handelnden aus einem Fremdvolk rekrutieren. Auch wenn diese humanoid daherkommen, lediglich mit einem Schwanz und einigen besonderen Gaben versehen sind, bietet sich hier doch eine recht ungewöhnliche Perspektive an.

Dies hat aber gleichzeitig zur Folge, dass sich der Plot zu Beginn des Romans eher geruhsam entwickelt. Die Autorin nimmt sich die Zeit uns ihre Welt, deren politische Ausrichtung und die Geographie vorzustellen und so ihre Handlung auf eine solide, fundierte Basis zu stellen. Gerade zu Beginn rätselt der Leser ein wenig, was unter dem Begriff „Umarmung“ zu verstehen ist, was sich hinter dem Rat verbirgt und wie das Odinskind in diese Gesellschaft passt.

Nachdem die Autorin ihr Fundament bereitet hat, nimmt der Plot deutlich Fahrt auf. Ein neues Ratsmitglied - als Antagonist - wird ebenso eingeführt wie ein Verbündeter - eventuell auch späterer Liebhaber? - unserer Heldin, das große Geheimnis als Motiv der Vorkommnisse wird enthüllt und der Plot immer abwechslungs- und temporeicher.

Dir Figuren, allen voran natürlich unsere Erzählerin, sind sehr griffig und vielschichtig angelegt, entwickeln sich in der Folgezeit nachvollziehbar weiter und wachsen uns immer mehr ans Herz.

Man kann immer wieder lesen, dass der Roman ein wenig an Martins „Game of Thrones“ erinnert. Dies mag, insbesondere was die Darstellung der politischen Ränke und des Ratssystem anbelangt, zutreffend sein, doch anders als Martin richtet sich Pettersen vornehmlich an eine Leserschicht ab 14 Jahren.

Als Fazit bleibt, dass hier ein Roman vorliegt, der erfrischend anders den Leser in eine fremde Welt voller Gewalt, Gefühle und Heldentum führt, die nach den beiden Fortsetzungen süchtig macht.