Gruselkabinett 141: Der Judas-Kuss, Julian Osgood Field (Hörspiel)

Gruselkabinett 141

Der Judas-Kuss
Julian Osgood Field & Marc Gruppe (Script)
Sprecher: Peter Weiss, Rolf Berg, Tom Raczko u.a.
Titelbild: Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2018, 1 CD, ca. 46 Minuten, ca. 8,99 EUR, ISBN 978-3-7857-5721-5

Rezension von Christel Scheja

Der Amerikaner Julian Osgood Field (1852-1925) machte sich unter den Pseudonymen „X.L.“ und „Sigma“ einen Namen als Verfasser dekadenter Schauer-Geschichten. Das ist auch bei seinem 1893 erstmals erschienenen Werk „Der Judas-Kuss“ der Fall, in der er eine ganz eigene Vampir-Legende erzählt.


Schon auf dem Schiff in Richtung Istanbul fällt dem im Ruhestand befindlichen Colonel Richard Ulick Verner Rowan, auch „Hippy“ Rowan genannt, und seinem jungen Begleiter und Butler Adams ein Mitreisender auf, der die Sonne wie die Pest meidet und auch in der Nacht nur stark vermummt zu sehen ist. Doch niemand kann oder will ihnen sagen, wer das ist, und ob der Mann vielleicht die Lepra hat.

Im Palast des türkischen Millionärs Djavil Pascha erfahren beide dann von einer ungewöhnlichen Vampir-Legende, die den abenteuerlustigen und stolzen Engländer zu einer folgenschweren Wette verleiten und ihn zusammen mit Adams dann ein verfluchtes  Schloss in den Karpaten aufsuchen lassen, in dem noch nie jemand eine Nacht ausgehalten oder gar überlebt hat.


Auch wenn ein paar Elemente der Geschichte an Stoker erinnern, so baut Field seinen eigenen Mythos doch auf einer ganz anderen Basis auf; bei ihm sind es die Nachfahren des Verräters Judas, die mit einem bestimmten Makel gezeichnet werden und daher den Menschen Unglück oder gar den Tod bringen. Natürlich sind der englische Gentleman und sein Butler nicht gerade überzeugt von dem Aberglauben, wollen das Gegenteil beweisen, was für einen von ihnen tödlich endet.

In der Hinsicht ist die Geschichte ziemlich vorhersehbar und ohne nennenswerte Überraschungen, aber der Weg dahin ist mit durchaus spannenden und stimmungsvollen Momenten gepflastert. Die Handlung ist klug aufgebaut, redet nicht lange um den heißen Brei herum und bringt die Ereignisse auf den Punkt. Jeder der drei Abschnitte wird atmosphärisch eingeleitet, der Erzähler vermittelt die wichtigsten Informationen zur Umgebung vorab.

Auch die Sprecher machen ihre Arbeit gut, vermitteln das richtige Bild ihrer Figuren, so dass man den von sich überzeugten englischen Gentleman genau so vor Augen hat, wie die unheimliche Gestalt auf dem Schiff oder den jungen und unerfahrenen Butler.

Heraus kommt ein atmosphärisch dichtes, unterhaltsam gemachtes Hörspiel, bei dem man fast schon traurig ist, wenn es endet.

Insgesamt ist „Der Judas-Kuss“ eines der besseren Hörspiele der „Gruselkabinett“-Reihe, das genau die richtige Länge besitzt und genau weiß, wann es die Aufmerksamkeit der Zuhörer verstärken muss.