Rother, Stephan M.: Der Stein des Raben (Buch)

Stephan M. Rother
Der Stein des Raben
Titelillustration von Hilden Design
cbj, 2010, Paperback, 256 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-570-22110-5

Von Carsten Kuhr

Skagen lebt als Sohn des Ortsvorstehers an der Küste. Während er beim Flicken der Netze hilft und seinen Verwandten dabei zur Hand geht die gefangenen Fische für den bevorstehenden Winter einzuräuchern, träumt er davon, seiner wahren Leidenschaft nachzukommen. Er will ein Barde werden, ein fahrendeR Sänger, Abenteuer bestehen und an den Fürstenhöfen auftreten.

Als eines Tages der Großherzog an der Küste strandet, lernt er einen echten Barden kennen. Dessen Vortrag verzaubert ihn, wie seine Dorfgenossen auch, entführt ihn auf den Schwingen der Phantasie in ein Land der Abenteuer und Sagen. Dass sein Vater versucht, ihn von dem Barden, der sein Talent erkennt; fernzuhalten, vergrößert nur seinen Wunsch. Als der Herzog und mit diesem der Barde abreist, kommt es zu Eklat. Wütend und unbeherrscht schleudert Skagen seine Harfe ins Feuer und setzt sich in den Wald ab.

Hier rettet er einem Raben das Leben. Die uneigennützige Tat sichert ihm etwas, mit dem er nie gerechnet hätte – die Dankbarkeit einer Magierin. In den Körper des Raben verwandelt konnte diese sich selbst nicht befreien. Nun hat Skagen drei Wünsche frei. Er wählt, nicht eben klug, wie sich später herausstellt, dass er eine neue Meisterharfe möchte, dazu will er am Hof des Königs Karriere machen und der Welt bester Barde werden. Die Zauberin versorgt ihn mit einem von den Elfen entwendeten Bardenstein, und sein Siegeszug beginnt. Bald schon verbreitet sich sein Ruf als meisterhafter Geschichtenerzähler. Über Wirtshäuser führt sein Weg an die Festtafeln der Fürsten. Doch der Ruhm fordert seinen Preis. Der magische Stein zehrt seinen Körper aus, seine Kräfte versiegen zusehends. Zwar fliegt ihm die Zuneigung der Thronerbin zu, gewinnt er die Gunst des Königs und findet treue Freunde, doch dies alles wird bedeutungslos, als die Trolle sich nach Jahrhunderten wieder erheben und gegen das Reich der Menschen marschieren. Damit nicht genug, werden auch die Zauberer in ihrer Feste bedrängt – und nicht nur von außen droht Gefahr …

Stephan M. Rother legt mit vorliegendem Roman den Auftakt einer neuen Fantasy-Serie vor. Dabei ist sein Protagonist beliebe kein Held nach gängigem Muster. Der zögerliche, zunächst selbstsüchtige Junge, den wir kennenlernen, zeigt das für sein Alter ganz übliche Verhalten. Er rebelliert gegen die, die es vermeintlich besser wissen, die es gut mit ihm meinen, die dafür sorgen wollen, dass er seinen Platz im Leben findet. Stattdessen träumt er davon, seinen Platz in der Welt als strahlender Held, der von allen angehimmelt und geehrt wird, einzunehmen.
Dass ihm dann das Glück – oder ist es doch eher das Unglück? – seinen Traum verwirklicht, kommt für ihn selbst auch überraschend. Durch seine neugierigen, so manches Mal aber auch furchtsamen Augen, lernen wir seine überschaubare Welt kennen. Er begegnet Zauberern, Zwergen und Fürsten, gewinnt an Erfahrung und Selbstvertrauen. Dabei muss er aber auch erkennen, dass er sich mit fremden Federn schmückt, dass er mit dem ihm so scheinbar leicht in den Schoss fallenden Ruhm nicht wirklich glücklich wird. Die Entwicklung von einem Tagträumer hin zu einem langsam Verantwortung übernehmenden Jugendlichen, der bemerkt, dass nichts umsonst ist, dass man für alles, auf welche Weise auch immer, bezahlen muss, ist gut nachvollziehbar aufbereitet. Dabei befleißigt sich der Autor eines sehr ruhigen Tonfalles, der eher an Sagen und Märchen erinnert, als an gängige Fantasy-Epen.

Viel Wert wird auf die Darstellung der Gefühlswelt Skagens gelegt, wird seine Entwicklung nachvollziehbar und überzeugend ausgestaltet. Die Grundthematik ist dabei nicht eben neu – ein Verräter verbündet sich mit alten, längst besiegt geglaubten Feinden, um sich zum Herrscher der Welt aufzuschwingen. Eine Gruppe entschiedener Kämpfer für das Gute stellt sich ihm entgegen. Dazu gesellen sich zu den Menschen Zwerge, Elfen werden am Rande thematisiert, erste Kämpfe ausgefochten, ohne dass der Konflikt als solcher bereits endgültig beendet wird. Das ist Middle-of-the-Road Fantasy, die aber von der Ausgestaltung her, insbesondere was die Zeichnung der Personen anbelangt, zu überzeugen weiß.