Robert E. Howard: Tote erinnern sich (Buch)

Robert E. Howard
Tote erinnern sich
H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 27
Übersetzung: Heinz Zwack
Festa, 2012, Hardcover, 346 Seiten, 28,00, ISBN 978-3-86552-090-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Gordon stöberte immer noch im Laden herum, aber ich stand stocksteif mitten im Raum. Ich schrieb es meinem chaotischen, vom Rauschgift angegriffenen Gehirn zu, aber mich ließ das Gefühl nicht los, dass sich durch die Lumpen, die das Gesicht der Mumie verhüllten, große Augen in die meinen gebrannt hatten. Augen wie Tümpel aus gelbem Feuer, die meine Seele versengten und mich gleichzeitig zu Eis erstarren ließen. Und während die Truhe zur Tür hinausgetragen worden war, spürte ich, wie das leblose Ding in ihrem Inneren – tot seit weiß Gott wie vielen Jahrhunderten - lautlos und widerlich zu lachen begann.“ („Das Schädelgesicht“)

 

„Das Hügelgrab auf der Landzunge“:
Im Schutz der Nacht wollen der Südeuropäer Ortali und der irischstämmige James O‘Brian das Innere des legendenumrankten Hügelgrabs auf Grimmins Landzunge freilegen. Die Legenden um das Grab reichen zurück bis zur Invasion der Wikinger, zum letzten Kampf zwischen den Christen und den Anhängern Odins, dessen Einfluss hier zurückgeschlagen wurde. In einem Traum wurde O‘Brian Zeuge der damaligen Ereignisse, und ihm wird bewusst, dass er Ortali um jeden Preis stoppen muss.

„Casanettos letztes Lied“:
Stephen Gordon ist es endlich gelungen, den Opernsänger und Satanspriester Casanetto für seine blutigen Verbrechen zu verhaften. Am Tag vor der Hinrichtung bekommt Gordon eine Schallplatte mit Casanettos Gesang zugeschickt.

„Demots Verderben“:
Voller Trauer über den Tod seiner Schwester, kehrt Michael in das Land seiner Ahnen, nach Galway, zurück, um dort sein Leid zu heilen. Denn in Galway bleibt die Vergangenheit lebendig, und die Wand zwischen dem Diesseits und dem Jenseits ist dort dünn.

„Das Tal der Verlorenen“:
Auf der Flucht vor seinen Verfolgern gerät John Reynolds in jenen Landstrich, den die Indianer das „Tal der Verlorenen“ nennen. In einer Höhle entdeckt er eine Geheimtür, die ihn in ein unterirdisches Reich führt, wo ihm plötzlich zwergenhafte Gestalten gegenüberstehen: die Nachfahren der Menschen, die sich einst in diese Unterwelt geflüchtet hatten.

„Der Mann auf dem Boden“:
Die Rivalen Cal Reynolds und Esau Brill belauern sich gegenseitig in sengender Sonne der texanischen Hügel. Die Gewehre auf den jeweils anderen gerichtet warten sie nur auf eine unbedachte Bewegung ihres Todfeindes, um der Fehde ein endgültiges Ende machen zu können. Plötzlich verliert einer der beiden die Nerven.

„Das Herz des alten Garfield“:
Obwohl der alte Jim Garfield darniederliegt, behauptet er, nicht sterben zu können, solange sein Herz schlägt. Und tatsächlich lässt sich unter seiner Brust ein regelmäßiges Vibrieren vernehmen, fast wie von einem Motor.

„Kelly, der Zaubermann“:
In einem dicht bewaldeten Landstrich von Arkansas erzählt man sich die Legende von Kelly, dem schwarzen Zauberer. Er soll die Fähigkeit gehabt haben, Flüche zu sprechen oder von ihnen zu befreien. Viele kamen mit mysteriösen Anliegen zu ihm, und sein Einfluss auf die Schwarzen soll stets zugenommen haben. Bis Kelly eines Tages spurlos verschwand.

„Tote erinnern sich“:
Bei einem alkoholgeschwängerten Würfelspiel kommt es zum Streit zwischen dem ehemaligen Sklaven Joel und dem Cowboy Jim Gordon. Der Streit eskaliert, und Gordon erschießt den Schwarzen und dessen Frau Jezebel, die als Wahrsagerin und Hexe bekannt war. Im Sterben verflucht sie ihren Mörder. Bei dem folgenden Viehtrieb, an dem Gordon teilnimmt, häufen sich unerklärliche Ereignisse.

„Schemen im Dunkel“ (Fragment):
In mehreren unabhängigen Fällen berichten Personen über undeutliche Schemen, deren Bewegung sie in der Dunkelheit wahrnehmen können und die eine fast körperliche Präsenz ausstrahlen. Einer dieser Fälle führte bereits zu einem Mord.

„Der Fluch des goldenen Schädels“:
Der mächtige Herrscher und Zauberer Rothath von Lemuria liegt im Sterben, hingestreckt von einer profanen Klinge. Dem Tode nahe verflucht er aus Wut über sein Scheitern noch seinen eigenen Leib. Äonen später macht ein Forscher auf einer sumpfigen Insel, die vormals die Spitze des Berges, auf dem Rothath starb, war, eine seltsame Entdeckung.

„Das Schädelgesicht“:
Der von Krieg seelisch gezeichnete Stephen Costigan ist regelmäßig Gast in den Haschisch-Clubs in Londons Limehouse-Viertel. Als ihm das Geld für die Drogen ausgeht, macht er sich wohl oder übel zum Sklaven des Clubbesitzers Kathulos, ein unheimlich anzusehender Mann, der stets von Lumpen verhüllt in der Öffentlichkeit auftritt. Die Polizei ist Kathulos wegen diverser Verbrechen auf der Spur. Der Agent John Gordon kommt auf Costigan zu, um mit seiner Hilfe Kathulos zur Strecke zu bringen. Doch beide Männer haben keine Ahnung, dass Kathulos Wurzeln zurückreichen bis ins antike Atlantis.


„Solomon Kane“:

„Die rechte Hand der Verdammnis“:
In der Nacht, bevor der Totenbeschwörer Roger Simeon gehängt wird, stirbt der Verräter, der ihn ans Messer geliefert hat unter seltsamen Umständen. Der Puritaner Solomon Kane, der zufällig die Herberge mit eben jenem Judas teilt, meint, im Mondlicht eine menschliche Hand beobachtet zu haben, die dem Verräter auf seiner Schlafstatt das Genick brach.

„Schädel inmitten von Sternen“:
Zuerst gibt Solomon Kane nichts auf die Ratschläge der Dorfbewohner, die ihn vor dem Weg über das Moor warnen. Doch in der Nacht wird er dort Zeuge eines Kampfes, dem ein Reisender zum Opfer fällt. Er selbst kann sich nur mit Mühe gegen den gestaltlosen Angreifer wehren. Anderntags erfährt er, wie er diesen Fluch beenden kann.

„Schritte im Grabmal“:
Gegen eine Übermacht an Männern versucht Solomon Kane, ein Mädchen, dem Vergewaltigung und Tod drohen, aus einem Sklavenzug zu verteidigen. Der Puritaner muss sich geschlagen geben und wird ebenfalls gefangengenommen. Im dichten Dschungel stößt die Karawane auf ein einsames Grabmal, aus dem Kane Schritte zu hören vermeint. Der Anführer der Sklaventreiber verspricht sich von diesem Ort geheime Reichtümer. Er lässt die Tür des Mausoleums aufbrechen und besiegelt damit sein Schicksal.

„Die Berge der Toten“:
Auf seinem Weg durch den Dschungel rettet Solomon Kane ein Eingeborenenmädchen vor einem Löwen. Auf der Suche nach einem Nachtlager wehrt sie sich jedoch, in einer der Höhlen in den umliegenden Bergen zu schlafen. Tatsächlich tauchen in der Dunkelheit zwei Untote auf, die Kane nur mit dem Voodoo-Stab, den er von seinem Blutsbruder N‘Longa erhalten hat, besiegen kann. Doch die beiden Vampire sind bloß die Vorhut, und ganz in der Nähe befindet sich eine ganze Stadt der Untoten. Um diesen gebührend zu begegnen, benötigt Kane die Hilfe N‘Longas und der Geier, die totes Fleisch fressen.

„Klappernde Kochen“:
Gemeinsam mit seinem Weggefährten Gaston l‘Arnon erreicht Solomon Kane die Taverne ‚Zum Gespalten Schädel‘. Kane tut gut daran, dem zwielichtigen Gastwirt nicht zu trauen, denn in der Nacht entdecken die Neuankömmlinge in einer geheimen Kammer ein angekettetes Skelett mit gespaltenem Schädel.


„Unterdessen wohnte das Alte Volk in den Kavernen und wurde seltsam und schrecklich. Tiefer und tiefer sanken sie auf der Skala der Menschlichkeit, vergaßen zuerst ihre Schrift und später auch ihre menschliche Sprache. Aber in anderer Hinsicht weiteten sie die Grenzen des Lebens aus. In ihrem Königreich der Nachtentdeckten sie andere, ältere Kavernen, die sie bis tief hinein in die Eingeweide der Erde führten. Sie lernten lang verlorene Geheimnisse, lang vergessen oder dem Menschen nie bekannt, die in der Schwärze weit unter den Hügeln schlummerten. Die Dunkelheit ist dem Schweigen förderlich, also verloren sie allmählich ihre Sprache, und eine Art Telepathie trat an ihre Stelle. Und mit jedem grausigen Gewinn verloren sie mehr ihrer menschlichen Attribute.“ („Das Tal der Verlorenen“)

Nach „Volk der Finsternis“ liegt mit „Tote erinnern sich“ der zweite Band der Robert-E.-Howard-Werkausgabe im Festa Verlag vor. Gemeinsam mit H. P. Lovecraft und Clark Ashton Smith bildete Howard das Triumvirat der Pulp-Literatur seiner Zeit, vor allem durch die Veröffentlichungen ihrer Geschichten in „Weird Tales“. Sicher gibt es noch mehr vereinzelte Diamanten in den damaligen Pulp-Magazinen zu entdecken, doch zeichnen sich gerade die Arbeiten von Lovecraft, Smith und Howard durchgängig durch eine Ausdruckskraft und Kunstfertigkeit aus, die den Autoren auch noch heute Gültigkeit und Popularität verleihen.

Während Smiths Protagonisten eher filigranen und intellektuell daherkommen und seinen Geschichten stets etwas Ätherisches, Träumerisches anhaftet, zeichnet Howards Arbeiterklasse-Helden meist sowohl physische Stärke wie auch Entschlossenheit aus. Da passt es auch, dass nicht wenige von Howards Erzählungen Genre-Hybriden sind und er „ohne Berührungsängste zwischen Horror, Abenteuer und historischer Fantasy pendelt“, wie Christian Endres in seinem Nachwort schreibt.

Zunächst glaubt man sich in einem Western („Tote erinnern sich“, „Das Tal der Verlorenen“, „Der Mann auf dem Boden“), einem Abenteuer-Roman („Schritte im Grabmal“, „Die Berge der Toten“) oder einem Krimi („Schemen im Dunkel“, „Das Schädelgesicht“), bevor Howard seinen Geschichten einen nassforschen Drall ins Phantastische gibt. Heute würden Howards Werke wohl als Geister- und Gespenster-Krimi oder Grusel-Western angeboten werden. „Das Schädelgesicht“, die mit über 100 Seiten mit Abstand umfangreichste Erzählung des Bandes, die ursprünglich in Fortsetzungen erschien, könnte mit einigen Änderungen glatt als „Dr. Mabuse“-Geschichte durchgehen.

So verfügen Howards Storys, auch seine Fantasy-Erzählungen, über eine starke Bodenständigkeit, die denen von Lovecraft und Smith abgeht, zumal auch Howards Stil sehr kraftvoll daherkommt. Er benutzt einfache Worte und ungekünstelte Sätze und versteht es doch, damit sogleich eine greifbare Atmosphäre aufzubauen. In Gegenüberstellung von Aufwand und Wirkung kann man Howard als hocheffizienten Schreiber bezeichnen. Hier muss gewiss auch dem Übersetzer Heinz Zwack Anerkennung ausgesprochen werden.

Zusätzlich zu den elf Einzelgeschichten sind noch fünf von insgesamt neun Erzählungen aus dem Solomon-Kane-Zyklus enthalten. Kane ist neben Conan, Bran Mak Morn und Kull Howards vierter populärer Fantasy-‚Serienheld‘. Die Abenteuer des Puritaners sind gegen Ende des 16. Jahrhunderts angesiedelt und können als historische Dark Fantasy bezeichnet werden.

Abgerundet wird der Band von einem kleinen Sekundärteil, der den Nachruf seines Freundes H. P. Lovecraft „Im Memoriam: Robert Ervin Howard“ enthält sowie das Nachwort „Dunkle Träume aus Texas“ von Autor („Sherlock Holmes und das Uhrwerk des Todes“), Redakteur (Panini Comics) und Robert-E.-Howard-Fan Christian Endres, das einen zeitgemäßen Blick auf das Leben, Schaffen und die Figuren Howards wirft.

Der Hardcover-Band mit Lesebändchen und Schutzumschlag in Lederoptik ist hochwertig, in gewohnter Festa-Qualität produziert und weist auch nach dem normalen Lesen keine Gebrauchsspuren auf.

Großartige Sammlung realitätsverhafteter Horror-Geschichten, die sehr gut als Vorläufer der Gespenster-Krimis oder Geister-Western funktionieren. Zusätzlich fünfmal Solomon Kane und alles in allem wieder eine mustergültige Festa-Klassiker-Veröffentlichung.