Tim Curran: Die Wiedererweckten des Herbert West (Buch)

Tim Curran
Die Wiedererweckten des Herbert West
(Morbid Anatomy, 2013)
Übersetzung: Andreas Schiffmann
Titelbild: Michael Schubert
Luzifer, 2018, Taschenbuch, 200 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-95835-330-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wir kennen sie von der großen Leinwand, wie auch aus dem Fernsehen. Die Rede ist von den wandelnden Toten, den Wiedererweckten die uns in unzähligen Auftritten einen kalten Schauer den Rücken herunter lassen sollen. Serienhits wie „The Walking Dead“ bereiteten den Weg für die zumeist unappetitlichen Leichen, die umhergehen und die Lebenden heimsuchen.

Tim Curran, seines Zeichens moderner, sprachgewaltiger Horror-Autor, hat sich des Themas in einer Novelle angenommen. Allerdings zieht er seine Handlung etwas anders auf, als erwartet. Keine Dystopie, kein Weltuntergang; viel, viel schlimmer: Der Schrecken des Ersten Weltkriegs ist die Bühne, auf der er seine Handlung ablaufen lässt.

 

In zwei Handlungssträngen berichtet er uns vom Grauen der Schützengräben Flanderns. Das erinnert an den legendären Film „Im Westen nichts Neues“, bringt uns die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Soldaten beider Seiten leben und kämpfen mussten, anschaulich näher. Die MG-Salven, die Mörser-Granaten und Giftgasbomben bilden die ebenso morbide wie erschreckende Kulisse, vor der die Handlung abläuft.

In zwei getrennten Handlungssträngen erleben wir mit, wie der Kriegsberichterstatter Creel aus den USA mit den Tommys den Krieg erlebt. Er, der schon auf den Schlachtfeldern rund um den Globus war, der immer eine Obsession für den Tod und die Leichen hatte, stößt hier auf Leiden und Sterben, das auch den hartgesottenen, abgestumpften Journalisten erschüttert. Das Grauen, die unmenschlichen Bedingungen unter denen die Soldaten vegetieren und kämpfen müssen, werden dabei anschaulich und überzeugend dargestellt.

Dann kommt in eingeschobenen, recht kurzen Kapiteln ein Front-Arzt zu Wort, der von einem genialen Chirurgen berichtet. Dieser, ein gewisser Herbert West, der dem Horror-Fan aus einer Lovecraft-Geschichte wahrlich kein Unbekannter ist, nutzt den Kriegsschauplatz in Flandern, um seinen Forschungen nachzugehen. Dabei gelingt es West nicht nur Leichenteile miteinander zu verbinden, sondern diese auch wiederzubeleben. Seine Geschöpfe suchen die Kriegsfelder heim…


Dass Tim Curran zu den auch stilistischen besten Horror-Autoren unserer Zeit zählt, ist unbestritten. Vorliegend gelingt es ihm nicht nur in beeindruckender Art und Weise, die Grauen des Stellungskrieges mit den Giftgasbombardements in Worte zu fassen, er verbindet diese zudem mit dem Mythos des Wiedererweckers und der wandelnden Leichen. Dabei „kippt“ der Plot ab der Mitte der Novelle; war es bis dahin die ergreifende Schilderung des Krieges, so nimmt die Handlung in der zweiten Hälfte deutlich surrealistische, beklemmende übernatürliche Züge an. Dabei versucht Curran gekonnt, sich Lovecraft auch stilistisch anzupassen um seine Schöpfung mit der des Meisters aus Providence zu verzahnen.

So ist dies ein beeindruckendes Stück Kurzprosa, ein Plot, der wunderbar in Novellen-Länge funktioniert, und dem Leser das Fürchten lehrt.