Doctor Strange 1 (Comic)

Jason Aaron, Garry Duggan, James Robinson
Doctor Strange 1
(Doctor Strange 1-5, 2016)
Übersetzung: Marc-Oliver Frisch
Titelbild: Chris Bachalo
Zeichnungen: Chris Bachalo, Kevin Nowlan
Panini, 2016, Paperback, 124 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-95798-853-9

Rezension von Elmar Huber

Nichtsahnend folgt Dr. Stephen Strange seinem Tagesgeschäft als oberster Zauberer der Erde und Verteidiger gegen magische Gefahren. Seine Kunden finden ihn vorwiegend durch Mund-zu-Mund-Propaganda, wie auch die Bibliothekarin Zelma Stanton, die plötzlich, mit einem ekligen Befall von Hirnmaden (samt Augen und Zähnen in ihrem Kopf), vor der nicht vorhandenen Schwelle des Sanctum Sanctorum steht.

Parallel dazu, wie ein verhaltenes Vorbeben, häufen sich die Anzeichen, dass sich etwas Seltsames anbahnt - weit seltsamer als üblich -, das das ektoplasmische Ökosystemempfindlich aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Die Rede ist von einem „kommenden Massaker“. Und Stranges magisches Bauchgefühl soll damit Recht behalten, denn tatsächlich nähert sich quer durch alle Dimensionen eine unvorstellbare Macht, die die Kraft hat, alle magischen Wesen zu töten.

Einer nach dem anderen werden die obersten Zauberer aller Dimensionen von den Unbekannten gefoltert und regelrecht abgeschlachtet. Und immer wieder stoßen die Fremden in den Gedanken ihrer Opfer auf den Namen Stephen Strange. Auf dem Grund des indischen Ozeans findet der Doktor schließlich heraus, dass es sich bei den Angreifern um Maschinen handelt, eine Technologie mit der Macht, Magie zu zerstören


Parallel zum Kinofilm, der die Magie ins Marvel Cinematic Universe bringt, darf natürlich eine neue Serie um den mächtigsten Zauberer der Erde nicht fehlen. Hier haben wir nun den glücklichen Fall, dass die Serie sich nicht an den Kino-„Strange“ anbiedert und auch nicht von dessen Erfolg zehren muss, um bestehen zu können. Stattdessen legt Autor Jason Aaron (übrigens Eisner-Award-Gewinner 2016) seinen „Doktor“ als Mischung von „John Constantine“ und „Doctor Who“ und mit einem Mords-Tempo an.

Fast symbolisch sind da die ersten Seiten zu lesen, wo zunächst noch ganz knapp und in vergilbten Farben „Stranges Origin“ wiederholt wird und er dem Leser auf der folgenden Splashpage in Spider-Man-Pose entgegenspringt.

Trotz des hohen Tempos schafft es Aaron auch, viele eindringliche Charakter-Momente einzubauen, in denen sich Strange gern als Herr der Lage sieht, er jedoch oft mehr Glück als Verstand hat. Eine weitere „Doctor Who“-Parallele ist die Einbindung von Zelma Stanton als seine persönliche Bibliothekarin/Assistentin.

Dennoch entgehen ihm nicht die gesteigerten magischen Aktivitäten, die den normalen Menschen verborgen bleiben, zeichnerisch realisiert, in dem die ‚normale‘ Welt schwarz-weiß bleibt und die unzähligen magischen Wesen, die für die Menschen unsichtbar sind, in Farbe dargestellt werden. Wer „Monster Allergy“ kennt, kann sich das etwa vorstellen.

Für die emotionale Tiefe sorgt der Aspekt, dass Magie nicht aus dem Nichts entsteht, sondern jede magische Handlung einen Preis fordert und dass Strange damit eigentlich so kaputt ist wie nur etwas, dies aber mit seinem Riesen-Ego einfach nicht akzeptiert. Eine weitere Ebene erhält die Serie, indem der Leser Dinge erfährt, die sogar Strange nicht weiß und dass Wong eine weit größere Rolle beim Funktionieren des Doktors spielt, als nur sein Diener, Koch und Krankenpfleger zu sein.

Die satten Zeichnungen von Chris Bachalo („X-Men“, „Genration X“) und die super-dynamische Panelan-Ordnung unterstützen das grundsätzlich hohe Erzähltempo.

Absoluter Volltreffer. Der neue Comic-„Strange“ zeigt seinem Film-Pendant, wo die Axt hängt. Phantastisch geschrieben, emotional, witzig und mit einem unerhörten Sense of Wonder - und klasse gezeichnet.