Die Legende der scharlachroten Wolken 1: Die Stadt, die zum Himmel spricht (Comic)

Die Legende der scharlachroten Wolken 1
Die Stadt, die zum Himmel spricht
(La Legende des Nuées Écarlates: La Ville qui parle au Ciel)
Text & Artwork: Saverio Tenuta
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Delia Wüllner- Schulz
Splitter, 2010, Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-139-9

Frank Drehmel

Die junge Meiki ist Mitglied einer Gruppe von Schaustellern, die mit ihren Puppen im feudalistischen Japan klassische Bunraku-Theaterstücke aufführt. Während einer ihrer Vorstellungen stürmen Soldaten der Shogunai Fujiwara Ryin in den Raum, um Meiki zu verhaften. Doch den Eindringlingen stellt sich ein fremder Mann entgegen: der einäugige und einarmige Ronin Raido Caym, der vor Jahren sein Gedächtnis verloren hat und den seit damals unentwegt Stimmen in seinem Kopf um den Verstand zu bringen drohen, Stimmen, die erstmals in Gegenwart des Mädchens verstummen.

Gemeinsam entkommen die beiden zwar den Soldaten der Herrscherin, können aber das Dorf nicht verlassen, da es von dämonischen Izuna-Wölfen angegriffen wird, welche große Zerstörungen anrichten und zahlreiche Menschen töten. Es kommt wie es kommen muss: der Rudelführer der Wölfe und Raido stehen sich schließlich Auge in Auge gegenüber. Überraschenderweise sucht das Ungeheuer jedoch das Weite, als der Ronin ihm das blutige Geheimnis zeigt, das er in einem Korb mit sich herumträgt.

Da Raido während des vorhergehenden Kampfes verletzt wurde und sich nun das Gift der dämonischen Kreaturen in seinem Körper auszubreiten beginnt, schafft Meiki den Verwundeten zur alten Jera, die sich auf die Kunst des Heilens versteht. Hier durchlebt der Ronin im Fieberwahn nochmals die Ereignisse, die ihn seines Gedächtnisses beraubten und findet so die Erinnerung zumindest teilweise wieder; eine Erinnerung, in der Nobu Fudo – ein ehemaliger Samurai-Gefährte – ihm seinen Arm, sein Auge und – vor allem – seine beiden Schwerter, die Scharlachroten Wolken, nahm. Kaum dass Raido etwas zu Kräften gekommen ist, taucht General Fudo, der mittlerweile dem Pfad des Fleisches folgt, vor der Hütte der Heilerin auf, um sein Werk von damals zu beenden.

Teilnehmer des „Gratis Comic Tags 2010“ konnten sich vorab Saverio Tenutas Arbeit schon in einer kostenlosen DIN-A5-Ausgabe zu Gemüte führen. Nun, einige Wochen später, liegt das Werk in seinem ursprünglichen Album-Format vor und übertrifft die Verheißungen der Sonderedition bei Weitem.

Das Artwork Tenutas ist schlichtweg meisterhaft, sowohl in seiner grafischen Feinheit und Fülle, als auch in seiner Koloration, in der die Farben Rot, Schwarz und Weiß, welche innerhalb der traditionellen japanischen Farbensymbolik bedeutsam sind, in unterschiedlichen Nuancen dominieren. Doch nicht nur in den Farben finden sich Elemente einer japanischen Ikonografie, auch die Zeichnungen selbst, die Physignomien, die Posen und Perspektiven spiegeln Elemente sowohl der klassischen japanischen Kunst als auch des modernen Mangas wieder.

Auf der inhaltlichen Ebene ist das Comic zwar trotz einiger Rückblenden und unterschiedlicher Erzählebenen einerseits übersichtlich konzipiert, bietet aber anderseits nicht nur interessante japanische Mystik, sondern auch noch einige Rätsel, die ihrer Lösung harren. Überzeugend gezeichnet ist zudem der ungewöhnliche Hauptprotagonist, der einarmige und einäugige Ronin, der zwischen fatalistischer Ergebenheit und Kampfeslust, zwischen Wahn und Rationalität hin und her schwankt

Fazit: Ein grandioses, phantastisches Artwork und eine spannende Story voller asiatischer Mystik machen das Debütalbum Saverio Tenutas zu einer uneingeschränkten Empfehlung für jeden Comic-Liebhaber.