Matthew Stokoe: High Life (Buch)

Matthew Stokoe
High Life
(High Life, 2002)
Übersetzung: Joachim Körber
Festa, 2018, Hardcover, 544 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-86552-639-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Hollywood, die Welt der Schönen, der Reichen und Berühmten. Dass die Glitzerfassade auch ihre Schattenseiten hat, dass hier, wie nirgendwo sonst auf der Welt, die Perversität gedeihen, ist ein Fakt.

Jack zieht in diese Stadt um sich seinen Traum von Ruhm und Reichtum auf der Leinwand oder im TV zu erfüllen. Wie so viele andere muss er erkennen, dass niemand auf ihn gewartet hat, dass sich Chancen kaum ergeben und Rechnungen bezahlt werden müssen.

So zieht er sich jeden Abend das auf VHS aufgenommene Film-Magazin rein, während er tagsüber im Donut-Laden Teig knetet. Seine Wohnung teilt er sich mit Karen, einer Nutte, die er in einem Anfall geistiger Umnachtung heiratet. Als sie mit ihm Schluss macht, gibt es als Abschiedsgeschenk einen Toyota, den sie mit dem Verkauf einer ihrer Nieren finanziert hat.

Kurz darauf wird Karen ausgeweidet aufgefunden. Ein zwielichtiger Cop der Sitte setzt sich auf Jacks Spur. Damit nicht genug, gerät unser Möchtegern-Star in immer größere finanzielle Nöte. Als er die Chance hat, bei einem Escort Service der besonderen Art anzuheuern, ergreift er die Gelegenheit beim Schopf - und lernt die andere Seite Hollywoods abseits des Glamours kennen. Die Seite, die S/M-Praktiken als langweilig ablehnt, in der Koks und Amphetamine zur Ernährung gehören und gefeierte Stars ihre nekrophile Neigungen ausleben. Endlich, als er eine mehr als perverse Dame und ihren Vater kennenlernt, scheint es voran zu gehen mit seiner Karriere, bekommt er einen Moderatoren-Job im TV, entdeckt seine eigenen Perversionen und wird Teil der Welt, die er früher angebetet hat…


Was ist das für ein Roman, den uns Frank Festa, seines Zeichens Verleger und Herausgeber des gleichnamigen Verlags, in seiner „Must Read“-Reihe anbietet?

Nach „Kühe“ von Stokoe präsentiert uns Festa den bereits 2012 im Arche Verlag auf Deutsch erschienen Roman erneut. Und das Werk fügt sich stimmig in das Verlagsangebot ein. Zwar weist der Plot keine phantastischen Elemente auf, doch Leser der „Extrem“-Reihe bei Festa werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

Was uns hier an sexuellen Perversionen erwartet, ist wahrlich nicht jugendfrei oder für schwache Gemüter geeignet.

Verstörend, brutal, grell, drastisch, schonungslos, gewaltbetont, grenzwertig und pervers sind Adjektive, die mir unwillkürlich in den Kopf kommen. Derb geht es her im Roman, was sich in der sehr stimmigen Übersetzung von Joachim Körber widerspiegelt. Es wird in Exkrementen und Körperflüssigkeiten gewatet, Snuff und Gewalt scheinen diese Welt zu beherrschen, damit die abgestumpften Stars und Sternchen, die Reichen und Schönen überhaupt noch einen emotionalen Kick erleben können. Der Ekelfaktor ist entsprechend hoch, Tabus werden am laufenden Band gebrochen und dies alles im grellen, mitleidlosen Licht, das der Autor auf das Geschehen richtet.

Dabei kann man den Plot auch als mehr oder minder überspitzen Abgesang auf den American Way of Life, auf die Traumwelt Hollywoods und die Obsession, mit der junge Menschen versuchen das glamouröse Leben der Stars nachzuahmen und in die heiligen Hallen des Ruhms aufzusteigen, begreifen.

Erschreckend ist hier die emotionale Leere und das fehlende Verständnis für das was richtig und falsch ist, die die Figuren an den Tag legen. Dies mag übertrieben sein, allein, es gibt Hinweise darauf, dass es da, wo es um Ruhm und Macht, um Reichtum und Bedeutung geht entsprechend zugeht, dass Grenzen schlicht nicht existent sind, ein Gewissen fehlt.

So ist dieser Roman auch ein Buch, das uns vor der Dekadenz, dem moralischen Werte-Verfall und der Gefühlsarmut gerade der Menschen warnt, die wir als Vorbilder begreifen, vor einer Welt, in der Schein weit mehr zählt als Sein und in der der moralische Kompass verloren ging.

Handwerklich flüssig mit einer durchgängig ansteigenden Spannungskurve erwartet den Leser so eine Lektüre der besonderen Art, die im Finale vielleicht ein wenig zu schnell die Lösung sucht.