Todd Lockwood: Der Sommerdrache - Die ewigen Gezeiten 1 (Buch)

Todd Lockwood
Der Sommerdrache
Die ewigen Gezeiten 1
Übersetzung: Franca Fritz & Helmut Koop
Titelbild, Illustrationen und Karten: Todd Lockwood
Tor, 2018, Paperback mit Klappenbroschur, 654 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-596-29860-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Drachen sind majestätische Geschöpfe. Sie durchstreifen, getragen von ihren mächtigen Schwingen, die Lüfte, sind unumschränkte Herrscher derselben. Schon seit Jahrhunderten aber hat eine kleingewachsene Spezies sie sich untertan gemacht. Menschen nennen sich diese Wesen, die auf dem Rücken der Drachen durch luftige Höhen gleiten, die sich um ihre Tiere, die eigentlich weit mehr als Tiere sind, kümmern.

Aery, so heißen die Orte die zumeist im Hochgebirge liegen und von Brutmeistern betreut als Hort für die Zucht der geflügelten Riesen dienen.

Maias Vater gehörte einst zu den Drachenfliegern des Reiches, bevor er und sein an ihn gebundener Drache zu alt für den Einsatz in den Staffeln wurden. Seitdem züchtet er mit Hilfe seiner Familie neue Drachen, die einmal jährlich von der Delegation des kaiserlichen Militärs gesichtet und angekauft werden. Bald ist es wieder so weit, ein sehr fruchtbares Jahr liegt hinter den Züchtern. Maia und ihr Bruder Darian hoffen, dass ihr Vater nicht alle Küken am Nesttag weggeben muss, dass jeder von ihnen ein Jungtier zugesprochen bekommt, und mit diesem Pärchen eine weitere, neue Zucht beginnt.

Noch bevor die kaiserliche Delegation am Hort eintrifft machen Gerüchte die Runde, dass dieses Jahr, als Reaktion vor einer unbenannten Gefahr, alle Nestlinge mitgenommen würden. Beide Jugendlichen sind natürlich enttäuscht. Maia, die Träumerin flüchtet in die Wildnis zu einem Ort, den ihre verstorbene Mutter ihnen gezeigt hat. Hier trifft sie auf den legendären Sommerdrachen, dessen Erscheinen immer ein Bote für markante, bevorstehende Umwälzungen ist. Und sie findet den Kadaver eines vor kurzem getöteten weiblichen Drachens – wo aber ist das Küken der von Wilderern zur Strecke gebrachten Mutter? Während religiöse wie weltliche Honoratioren noch streiten, ob und wie ihre Begegnung mit dem legendären Sommerdrachen zu werten ist, ob Maia selbst die Delegation begleiten soll, macht sie sich, ganz Querkopf, auf die Suche nach dem Schlüpfling…


Todd Lockwood gilt zurecht als einer der begabtesten Schöpfer von Fantasy-Bildern in den USA. Seine Titelbilder zieren Bücher von Tad Williams, R. A. Salvatore oder Marie Brennan. Auch für die Game-tie-ins „Dungeons & Dragons“ und „Magic: The Gathering“ hat er gearbeitet.

Mit vorliegendem Buch, dem ersten Band einer Trilogie, legt er seinen Lesern sein literarisches Debüt vor. Und wenn man, wie er, auf viel Erfahrung und Tipps erfolgreicher Kollegen zurückgreifen kann, dann weiß man auch als Neuling, was beim Leser ankommt.

Jugendliche Erzähler - ein Geschwisterpaar, wobei Marie dominiert - dazu Drachen, mystische Begegnungen, fiese, gefährliche Gegner, dunkle Bedrohungen und bornierte Erwachsene; das Regiebuch hält viele Erfolg versprechende Ansätze bereit. Dazu gesellen sich dann einige wunderbare Schwarzweiß-Illustrationen des Autors, die den Band auch optisch unterfüttern - fertig ist der Bestseller.

Ja, wenn es so einfach wäre.

Zunächst: Lockwood legt einen durchaus spannend und abwechslungsreich zu lesenden Serien-Auftakt vor. Die jugendlichen Protagonisten in Verbindung mit dem Drachen-Topic kommen beim Leser an; Bestseller um die legendären Lindwürmer - von Anne McCaffrey bis Naomi Novik - legen beredt von der Faszination der Drachen ab.

Allerdings mangelt es dem Roman an einer wirklich überzeugenden Zeichnung des Verhältnisses zwischen Mensch und Drache. Die Lindwürmer werden als intelligent dargestellt, benutzen eine eigene Sprache, lassen sich dann aber von den Menschen abrichten und trainieren - das passt irgendwie nicht recht zusammen. Was bei Temeraire und seinem Flieger (Naomi Novik) so wunderbar überzeugend ausgearbeitet wurde, die Eigenheiten der Draconis als Art, ihre Besonderheiten im Verhalten, das fehlt vorliegend komplett.

Zu den äußeren Bedrohungen gesellen sich die Anzweiflungen und Anfeindungen von innen, so dass für Dramatik wahrlich gesorgt ist.

Letztlich bietet der flüssig und interessant zu lesende Text aber zu wenig wirkliche Höhepunkte, um das Treppchen ganz nach oben zu steigen. Potential ist da, warten wir ab, wie es im Mittelband weitergehen wird.