Richelle Mead: Sturmtochter – Dark Swan 1 (Buch)

Richelle Mead
Sturmtochter
Dark Swan 1
(Storm Born)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Frank Böhmert
Titelillustration von Shutterstock
Lyx, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 366 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8211-0

Irene Salzmann

Eugenie Markham ist Schamanin und vertreibt unter dem Pseudonym Odile Dark Swan lästige Geister. Als sie während eines Routine-Auftrags erfährt, dass man in der Anderswelt ihren wahren Namen kennt, wächst ihre Besorgnis – und das aus gutem Grund, denn plötzlich machen nahezu alle magischen Wesen Jagd auf sie, entweder um sie zu töten oder um sie zu vergewaltigen und ein Kind zu zeugen.

Als Will Delaney Eugenie bittet, seine Schwester Jasmine zu befreien, die von König Aeson in die Anderswelt entführt wurde, eskaliert die Situation in einem Maße, wie sie es nie erwartet hätte. Notgedrungen muss sie sich mit Aesons Rivalen Dorian verbünden, dessen Hilfe ihren Preis hat. Durch Verrat misslingt die Mission, und Eugenie kann nur knapp Aeson und seinen Soldaten entkommen. Dafür weiß sie nun um Dinge, die ausgerechnet jene Menschen vor ihr verborgen hielten, die sie liebt und denen sie vertraut. Vor allem von Kiyo, dem ihr Herz gehört, ist sie enttäuscht, da er mehr als nur ein brisantes Geheimnis verschwieg.

Will Eugenie am Leben bleiben, muss sie ihre Herkunft und ihr Erbe akzeptieren und erneut Dorians Beistand erbitten, obwohl sie weiß, dass er sie ebenso wie alle anderen für seine Pläne benutzen möchte …

In Deutschland kennt man Richelle Mead durch ihre Serie „Vampire Academy“ (bislang vier Bände bei Lyx, der sechste und letzte Roman erscheint in den USA Ende 2010), die vor allem durch eine spannende und phantastische Handlung besticht, die nicht von der Romantik dominiert wird, zudem glaubwürdige, sympathische Charaktere aufweist und durch den lebendigen Stil in den Bann zieht. Mit ihrer „Dark Swan“-Reihe bleibt die Autorin dem Genre treu, doch diesmal werden die romantische Momente stärker betont, wenn auch nicht übermäßig. Richelle Mead beschreitet einen Mittelweg, der sowohl den Fans der Romantacy gefällt, aber auch den Freunden der actionreichen Urban Fantasy zusagt. Die Beziehungen der Charaktere werden ernst genug genommen, dass sich daraus überzeugende erotische Szenen ergeben, aber gleichzeitig wird das Klischee von der schönen Superheldin, um die sich alle Männer reißen, ein bisschen auf die Schippe genommen.

Der Kern der Geschichte ist für eingefleischten Leser der Phantastik an sich nichts Neues: Eine junge Frau deckt das Geheimnis um ihre Herkunft auf, mit dem neue, wertvolle Fähigkeiten einhergehen, die sie im Kampf gegen ihre Widersacher benötigt. An ihrer Seite stehen Freunde, die sie zunächst nicht als solche erkennt beziehungsweise als Verräter entlarvt. Schließlich wird sie zum Zünglein an der Waage, denn natürlich geht es um Macht und die Eroberung der Menschenwelt durch die magischen Wesen. Allerdings wird dieser gängige Hintergrund in eine überaus reizvolle Handlung verwoben, so dass man der Story gerne folgt – und welcher Fantasy-Roman bedient sich nicht irgendwelcher bekannter Motive? Eugenie, aus deren Perspektive die Ereignisse geschildert werden, ist sympathisch und ‚cool‘, so dass sich vor allem Leserinnen zwischen 15 und 25 mit ihr identifizieren können. Zwar weiß sie, was sie sich zutrauen kann, aber sie hat auch Respekt vor ihren Gegnern, vor der Magie und vor allem vor dem, was die Magie mit ihr anstellen kann. Um gegen Aeson und einen weiteren Feind, der sich erst am Schluss zu erkennen gibt, bestehen zu können, muss Eugenie Verbündete finden, die oft zwielichtig und nicht minder gefährlich sind. Für romantische Verwicklungen sorgt eine Dreiecksbeziehung. Eugenie ist hin und her gerissen zwischen zwei Männern. Der eine, den sie liebt, erschüttert durch seine Geheimnisse ihr Vertrauen, und der andere, dem sie mit Vorsicht begegnet, überrascht auf seine Weise. Die intimen Momente fügen sich gelungen in die Handlung ein und sind weder zu kitschig noch zu derb.

Die Autorin bevölkert ihre Anders- und die Unterwelt mit Gottheiten und Fabelwesen aus nahezu allen Kulturkreisen – auch hier fand eine ‚Globalisierung‘ statt. Wurden sie eingangs noch als lästige oder gefährliche Störenfriede geschildert, wird das Bild von ihnen nach und nach differenzierter und erlaubt so manche unverhoffte Wendung. Der Roman ist in sich abgeschlossen, beantwortet aber nicht alle Fragen. Stattdessen werden am Ende die Weichen für die Fortsetzung gestellt, und man darf gespannt sein, was als nächstes passiert. In den USA liegt bereits „Thorn Queen“ vor, Iron Crowned“ ist für Anfang 2011 angekündigt, und ein viertes Buch befindet sich in Arbeit.

Schätzt man Serien wie „Nocturne City“, „October Daye“, „Stadt der Finsternis“ oder „Dante Valentine“, die eine packende Fantasy- oder Horror-Story bieten, welcher Romantik und Erotik sowie eine Prise Sarkasmus gezielt als Würze beigefügt wurden, wird man auch „Dark Swan 1“ mit Vergnügen lesen, vor allem wenn man bereits durch „Vampire Academy“ auf Richelle Mead aufmerksam wurde.

Der neue Titel der Autorin vermag rundum zu überzeugen: Die Handlung ist atmosphärisch dicht und weist keinerlei Längen auf, die Protagonisten sind nachvollziehbar, Romantik ist vorhanden, aber nicht dominant, der Stil gefällig. „Sturmtochter“ ist ein wahrer Pageturner, den man Genre-Fans sehr empfehlen kann.