Vadim Panov: Die Prophezeiung – Die verborgene Stadt 1 (Buch)

Vadim Panov
Die Prophezeiung
Die verborgene Stadt 1
(BONHbl HAYNHAIOT HEVAAYHNKU)
Aus dem Russischen übersetzt von Matthias Dondl
Titelillustration von Animagic
Heyne, 2010, Taschenbuch, 576 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-453-52714-0

Carsten Kuhr

Sie meinen, Sie kennen Geschichten von den Elfen und Feen. Ja, da gibt es die verschiedenen Höfe, Königinnen und Magier, Intrigen und Kriege – alles altbekannt, ich weiß. Doch so manches Mal stößt man dann doch auf ein Werk, das einen etwas anderen, einen neuen Zugang zu etwas Altbekanntem offeriert. Vadim Panovs Reihe um die verborgene Stadt ist solch eine Entdeckung. Spätestens seit den Erfolgen gewissen Sergej Lukiananeko und den Romanen Dimitry Gluckhovskys sind phantastische Werke aus Russland bei uns en vogue. Vadim Panovs erster Band der Reihe orientiert sich dabei eher an den „Wächter“-Titeln als an „Metro 2033“, soll heißen, der Autor entführt uns nicht etwa in eine märchenhafte Vergangenheit oder eine finstere Zukunft, sondern siedelt seine Handlung im Moskau unserer Tage an.

Ähnlich wie bei Lukianenko existiert, verborgen vor den Augen der Menschen und neben diesen, ein Reich, in dem die übersinnlichen Völker leben und ihre Konflikte austragen. Vor Jahrtausenden wurde den Elfen ein Befreier, ein männlicher Nachkomme, prophezeit, der Magie wirken kann. Nun endlich ist dieser geboren und wird, verborgen vor den anderen Königshöfen, am Grünen Hof aufgezogen. Doch auch hier sind politisches Machtstreben und egoistische Machterhaltung wichtiger, als der verheißene Retter. So macht sich dieser, Lubomir genannt, daran, die Macht auf eigene Faust zu sichern – und verursacht einen Krieg der Adelsgeschlechter, der die verborgene Stadt vor den Augen der Menschen sichtbar werden lassen kann. Und die Polizei Moskau ist aufgrund eines Serienkillers sowieso in Alarmzustand....

Schwerter, Pfeil und Bogen, das war gestern. In Panovs Roman greifen auch die Elfen und Feen zu martialischeren Waffen. Da wird ein Hubschrauber mit einer Boden-Luftrakete vom Himmel geholt, bellen die MPs und explodieren die Granaten. Man sieht, es geht gewalttätig zu, beim Kampf der sonst meist so feingeistig beschriebenen Wesen. Das erinnert an Vorbilder aus dem angloamerikanischen Bereich, bietet dem Leser eine Action-Thriller-Handlung an der Moskwa, die sich vor den Vorbildern nicht verstecken muss. Geschickt mischt der Autor hier entsprechende packend ausgestaltete Kampfbeschreibungen mit Rätseln und einer dezidiert ausgearbeiteten übernatürlichen Welt. Die einander bekriegenden Königshöfe mit ihren verschiedenen Wesen, die Parallelgesellschaft, die ihre eigenen TV-Sender, Kreditkarten und Internetauftritte besitzt, sorgen als Kulisse für weitere Faszination.

Dabei ist aber zu konstatieren, dass es mir zumindest ein wenig an dem Besonderen mangelt, das die Werke russischer Autoren sonst auszeichnet. Das Leben der Moskowiter erinnert frappierend an westliche Gepflogenheiten, wir erhalten, anders als bei Lukianenko, keinen Einblick in die russische Seele, ins Alltagsleben und Denken der Moskauer.
Auch die russische Hauptstadt selbst bleibt als Bühne relativ ungenutzt. Die ganze Handlung könnte man ohne Probleme in eine andere Metropole verlegen. Genau dies aber macht einen Großteil des Reizes der Lukianenko-Romane aus. Panov hat sich hier, ob bewusst oder unbewusst, selbst um einen zusätzlichen Reiz gebracht.

So bietet der Roman eine spannend aufbereitete Urban-Fantasy-Handlung, der aber ein wenig das Besondere abgeht.