Deadpool - Der Söldner mit der großen Klappe: Die besten Artworks aus drei Jahrzehnten, Matthew K. Manning (Buch)

Matthew K. Manning
Deadpool - Der Söldner mit der großen Klappe: Die besten Artworks aus drei Jahrzehnten
(Deadpool: Drawing the Merc with a Mouth - Three Decades of Amazing Marvel Comics Art, 2016)
Übersetzung: Michael Strittmatter
Titelbild: Reilly Brown
Illustrationen im Innenteil: Rob Liefeld, Ed McGuinness, Alvin Lee u.a.
Panini, 2017, Hardcover, 164 Seiten, 39,99 EUR, ISBN 978-3-8332-3453-8

Rezension von Irene Salzmann

Seit Deadpool alias Wade Wilson in dem „X-Men“-Spin-off „New Mutants“ debütierte, hatte er darüberhinaus in der Nachfolgeserie „X-Force“ Auftritte, trat gegen Wolverine und Cable an, war Gast bei „Spider-Man“ und in den Heften etlicher anderer Helden. Schließlich bekam er seine eigenen Mini-Serien und fortlaufenden Serien sowie aktuell zwei Kino-Filme; Zeichen dafür, dass er gegenwärtig äußerst beliebt ist bei den Superhelden-Fans.

Sein Charakter wandelte sich vom anfänglich gnadenlosen Söldner, der in bester Spider-Man-Manier stets den einen oder anderen schwarz- bis morbidhumorigen Spruch auf den Lippen trug, zu einer wesentlich differenzierteren, vielschichtigen Darstellung, demnach Deadpool nicht bloß als Auftragskiller jeden gutbezahlten Job erledigt oder tötet, um sein eigenes Leben zu retten, sondern dass er tief in seinem Innern das Richtige tun möchte, aber an sich selbst, an den Umständen seiner Mission und der Ablehnung durch die anderen Helden scheitert.

Dass er, was seine ‚Leichen-Bilanz‘ betrifft, locker mit Wolverine, dem Punisher und - vom Konkurrenz-Label Image - Spawn mithalten kann, steht außer Frage. Obwohl die Genannten die Grenze zum Splatter oft überschreiten, verübelt man diesen Anti-Helden ihr hartes Durchgreifen nicht, was dem Umstand geschuldet ist, dass die Gegner noch viel schlimmer morden würden, wenn sie nicht gestoppt werden. Im Vertrauen auf seine überragenden Selbstheilungskräfte scheut Deadpool selbst solche Konfrontationen nicht, die eigentlich den sicheren Tod bedeuten, und bezahlt mit schlimmsten Verletzungen und Schmerzen dafür, dass er ein großes Übel beseitigt hat.

Zwar ist Deadpool durch Krebs entstellt, und infolgedessen, was ihm alles widerfahren ist, wandelt er geistig auf dem schmalen Grad zwischen gerade noch nicht ganz und ganz ‚verrückt‘, trotzdem ist er durchaus zu tiefen Gefühlen fähig, wie in manchen Szenen deutlich wird, zum Beispiel gegenüber seiner früheren Freundin Copycat alias Vanessa Carlysle, seiner Tochter Eleanor aus einer früheren Beziehung, seiner Ex-Frau Shiklah oder seiner Team-Gefährtin bei den Uncanny Avengers, Rogue.

Eigentlich ist Deadpool der „Ritter von der traurigen Gestalt“ im Marvel-Kosmos, eine Figur, die alles gibt, jedoch nur wenig Glück und viel Tragödie erlebt, und wenn es doch einmal gut zu laufen scheint, passiert etwas, durch das er wieder alles verliert.

Die Summe aus all dem macht ihn zu einem der gegenwärtig interessantesten und populärsten Charaktere der Superhelden-Comics.

Panini veröffentlicht schon seit einer geraumen Weile aktuelle und zurückliegende Oneshots und (Mini-) Serien, wobei leider versäumt wurde, auf die Chronologie Rücksicht zu nehmen (der Zug war bereits abgefahren, als Dino 1993 nach dem Aus von Condor die Superhelden nach Deutschland zurückbrachte und 2003 von Panini übernommen wurde - Deadpool wurde 1991 geschaffen, und damals war seine Erfolgsgeschichte noch nicht absehbar), was es dem Leser nicht gerade einfach macht, der Entwicklung dieser Figur zu folgen. Ein vom Verlag herausgegebener Flyer mit einer Empfehlung, in welcher Reihenfolge der Sammler lesen sollte, hilft.


Ein besonderes Bonbon für die Fans ist das großformatige „Deadpool“-Artbook mit Schutzcover und rund 160 Seiten Hochglanzpapier im Innenteil. Die Texte, die den Werdegang des Titelhelden schildern, verfasste Matthew K. Manning, Autor von Comics wie „Teenage Mutant Ninja Turtles Amazing Adventures“, „The Batman Strikes!“ und „Spider-Man Unlimited“ sowie als Zeichner von „Meathaus“. Darin kommen auch einige Autoren- und Zeichner-Kollegen zu Wort, welche den Charakter besonders präg(t)en.

Obschon die Lektüre kurzweilig ist, sind es die farbprächtigen Bilder, die die Blicke auf sich ziehen. Sie haben wenigstens die Größe einer Kreditkarte, meist die einer Postkarte oder sind seitenfüllend. Zu sehen ist eine Auswahl der schönsten Cover, teils ohne Schriftzug, und Auszüge aus den Heften.

Die Motive veranschaulichen nicht nur, wie sich Deadpool im Laufe der Zeit und durch wechselnde Zeichner weiterentwickelt hat, sondern zeigen deutlich, dass er mehr ist als bloß ein typischer Superheld. Er spricht mit den Personen seiner Umgebung, mit sich selbst - und dem Leser. Dabei ist er sich sehr wohl bewusst, eine fiktive Figur zu sein!

Letzteres erlaubt es den Autoren, mit Deadpool das Comic-Gefüge zu durchbrechen und ihn in Szenarien zu versetzen, die eigentlich keinen Platz haben im ‚ernsthaften‘ Marvel-Universum. Prompt findet man Anspielungen auf Klassiker der Literatur, auf bekannte Filme oder auch Parodien auf Ereignisse, die in den Serien seiner Helden-Kollegen stattgefunden haben.

Einige Beispiele: Auf dem Cover von „The Uncanny X-Men“ 141, „Days of Future Past“ steht ein gealterter Logan schützend vor der erwachsenen Kitty Pryde in einem Scheinwerferkegel, im Hintergrund ein Plakat mit den Fotos ermordeter Mutanten. Die Hommage zeigt Deadpool in derselben Haltung vor seinem Schützling und einem „Wanted“-Plakat von ihm selbst. Auch „Mad Max“, „Lone Wolf and Cub“, „Moby Dick“ und viele andere bekannte Charaktere beziehungsweise Motive aus Buch und Kino wurden auf diese Weise humorig bedacht.


Manchmal ist es gar nicht immer so offensichtlich, wem oder was die Hommage gilt, aber die Ideen und ihre Umsetzung sind einfach grandios und zählen zu den Highlights dieses prachtvollen Artbooks.

Der Band ist seine 39,99 EUR wirklich wert, was Gestaltung, Informationsgehalt und die Auswahl der Abbildungen betrifft. Deadpool-Fans und die Sammler von schönen Artbooks werden an diesem Titel sehr viel Freude haben.