Alexander Drews: VirOS 4.1 (Buch)

Alexander Drews
VirOS 4.1
Begedia, 2017, Taschenbuch, 220 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-95777-106-3 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Einst reiste die junge Soledad von Spanien nach Hamburg, auf Arbeit und eine glückliche Zukunft hoffend. Seit der Trennung von ihrem Mann, der aus ‚besserem Hause‘ stammt, lebt sie mit ihrer Tochter Lisa in einer kleinen Wohnung und arbeitet in einer Tankstelle. Weil ein Computervirus alle Systeme des Geschäfts lahmlegt, darf sie unverhofft einige freie Tage genießen.

Allerdings entwickelt sich dieser kurze Urlaub immer mehr zu einem Albtraum. Die Ex-Schwiegermutter will ihr Lisa wegnehmen, indem sie Soledad mit verfänglichen Fotos erpresst, die ein Detektiv angefertigt hat, der die Wahrheit kennt, aber schweigt, um seinen Lohn zu bekommen. Ihre Freundin Natascha, die alles aufklären könnte, verschwindet spurlos. Mit ihrer anderen Freundin Melanie gerät Soledad an einen gewissen Burkhard, der mehr über das Problem der Tankstelle und einige ähnliche Vorfälle weiß und dann ebenfalls nicht mehr auftaucht. Plötzlich glaubt Melanie, dass jemand sie verfolgt.

Der einzige Lichtblick ist die Begegnung mit dem Anwalt Stefan, der einschreitet, als Soledad belästigt wird. Sie beginnt, sich in ihn zu verlieben, und zieht ihn schließlich ins Vertrauen, nachdem sie einen mysteriösen USB-Stick, der weder ihr noch Melanie gehört, in ihrer Wohnung fand, den sie von ihrem Nachbarn Roman, einem Computer-Freak, untersuchen lässt. Kurz darauf wird Lisa entführt…


Alexander Drews baut die Handlung seines Krimis auf zwei Ebenen auf. Zum einen schildert er die Lebensumstände seiner Hauptfigur Soledad, die sich mit ihrer Tochter einigermaßen über Wasser hält. Parallel dazu erfährt man von einer Hacker-Gruppe, die einige Testläufe durchführt, bevor sie den ganz großen Coup landen und alle modernen Computersysteme lahmlegen will.

Prompt wird Soledad wider Willen in diese Angelegenheit verwickelt. Lang weiß sie nicht, worum es eigentlich geht, was man von ihr und Melanie will - und kann sie wirklich den beiden Männern, Stefan und Roman, die ihre Freundschaft suchen, vertrauen? Die Lage eskaliert, als Lisa entführt wird. Mutig nimmt es Soledad mit ihren Gegenspielern auf, denn nichts ist wichtiger für sie als ihr Kind. Um es zu retten, würde sie auch den Stick opfern, egal, was durch diesen dann ausgelöst wird.

Zu Beginn des Buchs stehen die grundverschiedenen Handlungsstränge einander kontrastierend gegenüber. Die Schurken ergehen sich in geheimnisvollen Andeutungen, bevor sich immer konkreter herausschält, was sie planen, jedoch bleiben die Motive bis zur Auflösung am Schluss unklar. Derweil bemüht sich Soledad ganz bodenständig, Lisa alles, was das Kind braucht, im Rahmen ihrer bescheidenen Mittel zu geben, wobei sie ihren gleichgültigen Ex zu ignorieren und dessen hochnäsiger Mutter zu trotzen versucht, die jedoch mit gezinkten Karten spielt.

Um die unterschiedlichen Parteien voneinander abzugrenzen, übertreibt es der Autor jedoch ein bisschen. Die Hacker-Gruppe gibt sich eiskalt oder jämmerlich, die Frauen wirken erlebnishungrig und/oder zickig, wie man es vor allem aus diversen US-Sitcoms à la „Desperate Housewives“ kennt. Gerade die Dialoge zwischen Soledad und ihren Freundinnen sind stellenweise betont schlagfertig, schon etwas zu frivol und derb (aber vielleicht redet diese Generation wirklich so beziehungsweise glaubt man[n] das?).

Von daher wundert es nicht, dass Soledad, um ihre Tochter zu retten, gewissermaßen zur Superheldin mutiert, die sich ganz allein den Unbekannten stellt, von denen sich zumindest einige verbal und durch gezielte Schläge und Tritte einschüchtern lassen. Nun, das war, wenngleich wenig glaubhaft, irgendwie notwendig, denn keiner ihrer Freunde hat Dirty-Harry- oder Rambo-Qualität, um einen solchen Job zu erledigen. Soledad mag zwar groß, beherzt und wütend und von den Gegnern keiner ein Profi-Gangster sein, dennoch ist das Ganze sehr dick aufgetragen. Nachdem schließlich die Auflösung präsentiert wurde, helfen Glück und Zufall aus, was immerhin realistischer klingt, als wenn tatsächlich Wonder Woman mal eben da durchgefegt wäre.

Man hat den Eindruck, dass es dem Autor gar nicht so sehr um die Geschichte und ihre Nachvollziehbarkeit geht, sondern dass es sich um eine Hommage handelt, was gewisse Details und das Nachwort bestätigen. Die älteren Leser werden damit noch etwas anfangen können; die jüngeren eher weniger. Mehr möchte man nicht verraten, damit genug Geheimnisse gewahrt bleiben, um neugierig auf die Lektüre zu machen, die - der Titel nimmt es eh vorweg - im Milieu der Computer-Freaks spielt.

„VirOS 4.1“ ist ein unterhaltsamer Roman, der mehr auf Milieu-Studie setzt und dabei Klischees auf die Schippe nimmt, statt eine spannende, nachvollziehbare Handlung zu konstruieren. Kernthema ist eine nostalgische Hommage, wie man nach und nach mitbekommt - und darum geht es Alexander Drews hauptsächlich.