Kristin Cashore: Die Beschenkte – Die sieben Königreiche 1 (Buch)

Kristin Cashore
Die Beschenkte
Die sieben Königreiche 1
(Graceling, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Irmela Brender
Titelfoto von Matthew Alan/Corbis
Carlsen, 2009, Hardcover, 492 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-551-58210-2

Irene Salzmann

Die sieben Königreiche werden von Monarchen regiert, denen, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, Macht und Reichtum wichtiger als das Wohl des Volkes ist. Sie umgeben sich mit den ‚Beschenkten‘, Männern und Frauen, deren Augen verschiedene Farben haben und sie dadurch als Personen mit einer besonderen Gabe kenntlich machen. Nicht alle diese Talente sind nützlich, aber wer ein Beschenkter ist, wird fast immer gemieden und gefürchtet.

Das trifft vor allem auf Lady Katsa zu, die für ihren Onkel, König Randa von den Middluns, als Vollstreckerin und Mörderin arbeitet. Insgeheim hasst sie diese Missionen, und sofern es ihr möglich ist, mildert sie seine Befehle ab. Außerdem ist sie die Initiatorin des ‚Rates‘, einer Untergrundbewegung, der sich immer mehr Menschen aus allen Reichen anschließen, die unzufrieden sind mit ihren Herrschern.

In ihrer Eigenschaft als Ratsmitglied befreit Katsa Tealiff, den Vater des Monarchen von Lienid, welcher vom König von Sunder gefangengehalten wurde. Offenbar hat dieser die Entführung nicht veranlasst und nur Geld dafür bekommen, dass er den alten Mann verbirgt. Die Aktion verläuft jedoch nicht glatt, denn Katsa begegnet Bo, Tealiffs jüngstem Enkel, der ebenfalls ein Beschenkter ist und ihrer Spur bis zu Randas Schloss folgt.

Es gelingt Bo, Katsas Vertrauen zu gewinnen und Kontakt zu weiteren Ratsmitgliedern aufzunehmen. Sie alle stehen vor einem Rätsel: Wer hat Tealiff entführt und warum? Alle Indizien weisen auf König Leck von Monsea hin, aber das kann nicht sein, zählt er doch zu den wenigen Monarchen, die von ihrem Volk geliebt werden und über die nur Gutes erzählt wird.

Nachdem Katsa einen Befehl von König Rand verweigerte, ist sie nun frei, mit Bo nach Monsea zu reisen, um dort Nachforschungen anzustellen. Was sie dort erfahren, stellt alles auf den Kopf, was sie bisher geglaubt haben und bringt sie in große Gefahr. Aber auch das Vertrauen ineinander wird schwer erschüttert, denn Bo hat etwas Wichtiges vor Katsa geheim gehalten …

„Die Beschenkte“ ist der erste in sich abgeschlossene Band einer bislang aus drei Romanen bestehenden Saga, die in der Welt der sieben Königreiche spielt. Das zweite Buch, „Fire“ befasst sich mit so genannten Monstern, die östlich jener Reiche leben, während „Bitterblue“ wieder das vertraute Setting einschließlich der bekannten Charaktere aufgreift.

Kristin Cashores Debütroman entführt in eine mittelalterlich anmutende Fantasy-Welt, in der ungerechte Könige ihre Völker knechten, aber ein Rat aus Hoffnungsträgern das Leid zu mindern versucht. Neben den ‚normalen‘ Menschen agieren die ‚Beschenkten‘, die über spezielle Gaben verfügen, zum Beispiel dass sie hervorragende Baumeister, Bogenschützen, Schwimmer oder Schwertkämpfer sind. Anerkennung erfahren sie allerdings nur in Lienid; in den anderen Reichen sind sie Außenseiter und werden gemieden. Katsa, die Titelheldin, ist bekannt für ihre Gabe des Tötens. Die Angst, mit der man der Handlangerin von König Randa begegnet, hat sie hart und wild werden lassen, doch in Wahrheit verabscheut sie die Aufgaben, die man ihr überträgt. Insgeheim begehrt sie auf und gründet mit Gleichgesinnten den ‚Rat‘. Seine Mitglieder sammeln und tauschen Informationen aus und versuchen, das Unrecht einzudämmen, das die eigensüchtigen Könige begehen. Dass diese Organisation ohne Leitung funktioniert, sie nicht unterwandert wird und ihre Angehörigen entdeckt werden, ist schon sehr blauäugig, aber notwendig, um Katsa trotz ihres Hintergrunds positiv darzustellen, die Hauptfiguren zusammenzubringen und sie am selben Strang ziehen zu lassen.

Wie Katsa ist auch Bo ein Beschenkter. Zunächst wissen beide nicht, wie sie einander einschätzen sollen, dann begegnen sie einander in freundlicher Rivalität als Trainingspartner, werden zu Vertrauten und Liebenden. Allerdings hütet Bo so manches Geheimnis und enttäuscht Katsa dadurch schwer, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem sie aufeinander angewiesen sind und Vertrauen über ihr und das Überleben von Bitterblue, Bos Cousine und Tochter von König Leck, entscheiden könnte: Die drei erkennen den wahren Feind, der ihnen durch seine Gabe haushoch überlegen und bar jeglichen Skrupels ist.

So kommt es zu einer abenteuerlichen Flucht, die über der zarten Romanze dominiert. Auch die angedeutete Dreiecksbeziehung wird nicht ausgebaut, sondern sehr schnell abgehakt, denn die Autorin legt großen Wert auf die Beschreibungen ihrer Welt, die Weiterentwicklung ihrer Charaktere hinsichtlich ihrer Gaben und die Bemühungen der Guten, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, und da bleibt für ein Beziehungsdrama, das zudem altersgerecht sein soll, wenig Platz.
Alles läuft schließlich auf den Showdown hinaus, als der Feind erneut überrascht und Katsa Hilfe braucht, um die Gefahr zu bannen. Damit sind aber noch nicht alle Fragen beantwortet, was einen weiteren kleinen Höhepunkt nach sich zieht, der dann auch das erhoffte Quasi-Happy End offeriert.

„Die Beschenkte“ ist ein unterhaltsamer Fantasy-Roman, der insbesondere Leserinnen zwischen 13 und 16 Jahre gefallen dürfte, da die Hauptfiguren jung und unkonventionell agieren, die Handlung nicht zu kompliziert sondern sehr geradlinig ist, es ein überraschendes und zugleich gefälliges Ende gibt. Die Autorin schreibt flüssig und vermag es, ihr Publikum zu fesseln. Über die kleinen Anfänger-Schwächen – eindimensional gute oder böse Genre-Archetypen, einfache Konflikte, Strategien und Auflösungen – sieht man dennoch gern hinweg, da das Gesamtbild passt und der Titel die Zielgruppe überzeugen kann.