Sergej Lukianenko: Der Herr der Finsternis (Buch)

Sergej Lukianenko
Der Herr der Finsternis
(The Boy and the Darkness, 1997)
Deutsche Übersetzung von Christiane Pöhlmann
Heyne, 2010, Taschenbuch, 404 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-52711-9

Gunther Barnewald

Der 13jährige Danka gewahrt eines Abends einen Lichtfleck in seinem Kinderzimmer und spricht unbedacht Worte aus, die den Lichtfleck in ein magisches Wesen verwandeln. Der Sonnenkater, mit dem der Junge sich nun konfrontiert sieht, entführt den Schüler durch eine Zaubertür in eine fremde Welt, in der die Bewohner dereinst ihr Sonnenlicht an Händler verkauften.

Deshalb herrscht hier ewige Finsternis, und während die Händler die jüngeren und körperlich leichteren Einwohner mit Fluganzügen versorgen, treiben sie genauso Handel mit den Feinden der Einwohner, den Freifliegern, welche die Finsternis anzubeten und zu bewahren scheinen. Durch den Kontakt mit einem jungen Flieger wird Danka selbst sehr schnell bei diesen aufgenommen und Len wird sein bester Freund.

Da der Sonnenkater durch das fehlende Licht seine Macht nicht entfalten kann, sucht Danka einen anderen Ausweg zurück in seine Welt. Dabei wird er aber immer tiefer hineingezogen in den Konflikt zwischen den Ureinwohnern dieser Welt und den Freifliegern, die sich bald als geflohene Ureinwohner herausstellen.

Als Danka sich jedoch weigert, einen der Feinde zu töten, werden ihm die Augen ausgestochen. Doch durch die Zauberkraft des Sonnenkaters erhält der Junge einen magischen Blick, der ihm viel Macht verleiht und er versucht verzweifelt, die Zusammenhänge in seiner neuen Welt zu verstehen. Sind die Freiflieger wirklich die Bösen? Und warum vernichten sie die Ureinwohner nicht endgültig? Und welche Rolle spielen die zwielichtigen Händler, die den Bewohnern ja dereinst das Sonnenlicht abhandelten?

Bald ist Dankas Leben bedroht und der Schüler versucht verzweifelt, das Richtige zu tun, ohne das fremde System wirklich durchschaut zu haben, was beinahe zur Katastrophe führt, müsste er so doch seinen besten und einzigen Freund töten...

Lukjanenkos Jugendroman „Der Herr der Finsternis“ gehört durchaus zu seinen besseren Werken und ist vor allem sehr unterhaltsam geraten. Heyne präsentiert hier die Erstausgabe im Taschenbuch, nachdem der Roman erstmals 2008 bei Beltz & Gelberg als Hardcover erschienen ist.

Überraschend für Rezipienten, die hier einen reinen Jugendroman erwarten, ist hier sicherlich, dass der Autor auch ein ganz und gar nicht „jugendfreie Szene“ (wie man früher gesagt hätte) in die Handlung einbaut und so dafür sorgt, dass der Protagonist von einer viel älteren Frau entjungfert wird. Was der Autor damit bezweckt, bleibt jedoch etwas rätselhaft, nimmt er selbst doch im Verlaufe der Handlung den manchmal etwas martialischen „Mannwerdungsprozess“ seines Protagonisten doch wieder zurück, der in einem rätselhaften Labyrinth vorher noch seinen Ängsten begegnete, und diese durch „Abhärtung“ überwinden musste. Dies ist jedoch zumindest in der Hinsicht erfreulich, dass Lukianenko die zwischenzeitlich angedeutete Moral „Was uns nicht tötet macht uns härter“, wieder relativiert, seinen Protagonisten auch mit erheblichen (und durchaus liebenswerten) Schwächen ausstattet. Auch die Szene, in dem Danka die Augen ausgestochen werden, ist sicherlich nichts für zarte Gemüter, auch wenn der Leser hier schon ahnt, dass Rettung in Form der Zauberkraft des Katers naht.

Unbestritten gelingt es dem Autor mit seiner Erzählung Spannung zu erzeugen und eine faszinierende, fremde Welt zu erschaffen, was sicherlich die stärkste Seite der hier erzählten Geschichte ist. Da sich diese Spannung auch nahtlos bis zum Schluss fortsetzt, darf man mitzittern, wenn Danka seine Abenteuer erlebt, obwohl die Magie des Katers hier immer eine unfaire Hintertür gegen alle Gefahren offenlässt, so dass einem um den Jungen nie wirklich bange sein muss. Dies ist wahrlich ein deutliches Manko des teilweise auch nicht ganz klischeefreien Romans.

Insgesamt ist „Der Herr der Finsternis“ aber unterhaltsames Lesefutter, nicht mehr, aber zum Glück auch nicht weniger. Wer Lukianenko mag, der darf und soll hier ruhig zugreifen.