Götterdämmerung 0: Der Fluch des Rings (Comic)

Götterdämmerung 0
Der Fluch des Rings
(Le Crépuscule de Dieux: La Malédiction de l'Anneau)
Text: Jean Luc Istin
Zeichnungen: Gwendal Lemercier
Farben: Joël Mouclier
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2010, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-131-3

Frank Drehmel

Neben Alexe Alices „Siegfried“ ist „Götterdämmerung“ die zweite Serie im aktuellen Programm des Splitter-Verlags, die das deutsche Nationalepos schlechthin zum Thema hat. Abweichend von den üblichen Veröffentlichungsgepflogenheiten startet die Alben-Reihe mit einer Null-Nummer (nomen est omen) unter anderem auch deshalb, weil für die eigentliche Serie Autor Nicolas Jarry und Künstler Djief (Jean-François Bergeron) verantwortlich zeichnen. Istin hält sich in seinem Eröffnungsband relativ eng an die wagner'sche Ring-Vorlage, stinkt aber schon auf den ersten Seiten – um es bildungsbürgerlich zu formulieren – in Bezug auf Originalität, Lebendigkeit und Plausibilität der Story sowie den Charakterzeichnungen gegenüber den Alexe-Alice-Alben g-n-a-d-e-n-l-o-s ab.

Die Story ist relativ simpel: in ihrem unterirdischen Reich kloppen sich die Nibelungen aus Zeitvertreib, und weil dort Bruderkriege gleichsam zum guten Ton gehören, die Hörner vom Kopf, oder – noch lieber – den Kopf von den Hörnern. Eines dieser Nibelungen-Viecher ist Alberich, den es auf der Flucht vor einem Widersacher in die Welt der Menschen – nach Midgard – verschlägt. Kaum dort angekommen, laufen dem Glücklichen gleich drei fast nackte Maiden vor Füße, die sich intelligenterweise als Hüterinnen des himmlischen Goldes outen, das irgendwo im Rhein vor sich hindümpelt. Da nicht nur blonde Geschwätzigkeit zum Berufsbild einer Hüterin gehört, sondern auch barbusiges Nickerchen-machen, gelingt es dem Nibelungen, das Gold mitgehen zu lassen.

Back in the Nibelungen-Land überredet Alberich den Schmied Mime, aus dem Gold einen Ring zu schmieden, der die Götter ihrer Dämmerung ein ganzes Stück näherbringen sollte.

In den göttlichen Gefilden, Walhall genannt, schnallt Vadder Wotan zwischenzeitlich, dass die Hüterinnen das Gold verschusselt haben, hat aber momentan Wichtigeres als himmlischen Glitzerkram um die Ohren: die beiden Mietriesen, Regin und Fafnir, haben als Subunternehmer Wotans einen Wall um Midgard gebaut und fordern nun als Entlohnung für ihren Job die Göttin Idun. Das ist insofern nicht ganz ohne, als Idun die Äpfel – nicht die, die anderen – hütet, welche den Göttern die Unsterblichkeit gewähren. Ohne Idun keine Äpfel, ohne Äpfel Sterblichkeit. Die Begeisterung Wotans ob des Ansinnens der Riesen hält sich dementsprechend in engen Grenzen; dumm nur, dass er durch einen Schwur an die Bezahlung gebunden ist.
Doch was ein echter Göttervater sein will, der hat auch einen Plan B in der Hinterhand. Wotan will Alberich den Ring abringen, um ihn Fafnir als Substitution für Idun zu offerieren. Unglücklicherweise jedoch hat sich der Nibelung mittlerweile auf den Herrscherthron gemetzelt und weiß die Kraft des Ringes zu nutzen. Damit ist die Schlacht zwischen Wotan und Alberich unausweichlich, eine Schlacht, die weite Teile des unterirdischen Reiches verheeren soll.

Erstaunlich, was Istin aus einem gefühlsechten Epos macht: Fantasy-Trash von der Stange; emotionslose, lieblose, dröge 08/15-Massenware, die ohne jeglichen Tiefgang, ohne den düsteren Pathos des Original-Stoffs in vordergründiger, kleinkariert wirkender Action verhaftet bleibt und deren Figuren kaum mehr als hölzerne, motivationsarme Popanze sind.

Das Artwork ist unterm Strich gefällige Standard-Fantasykunst, die gerade die zahlreichen Kämpfe dynamisch in Szenen setzt und deren zum Teil großformatigen Panels das Auge des Leser tatsächlich erfreuen. Anders als Alex Alice gelingt es Lemercier jedoch zu keinem Zeitpunkt, Figuren zu entwerfen, die wirklich Typen sind. Seine Nibelungen, Götter und Göttinnen sind ohne Charisma, ohne Wiedererkennungswert oder visuelle Identität.

Fazit: Belanglose 08/15-Fantasy ohne Tiefgang und Emotionalität, die zwar gefällig visualisiert ist, deren dünne, lieblose Story viele Erwartungen an den klassischen Stoff enttäuscht.