X-Men 1 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 02. August 2016 18:45

Jeff Lemire
X-Men 1
(Extraordinary X-Men 1-5, 2016)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Petz
Titelillustration und Zeichnungen von Humberto Ramos
Panini, 2016, Paperback, 120 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-95798-830-0
Rezension von Irene Salzmann
Die Erde wurde gerettet, aber es gibt einige Veränderungen. Nicht jeder Held hat die jüngste Katastrophe überlebt, dafür sind andere an die Stelle jener getreten, die auf die eine oder andere Weise ihr Leben verloren haben, und einige von ihnen stammen aus diversen Zeitlinien. Außerdem hat die Terrigen-Bombe der Inhumans alle Menschen, die das Inhuman-Gen besitzen, mutieren lassen und ihnen zu erstaunlichen Kräften verholfen.
Allerdings hat sich das Gas als Gift für Mutanten erwiesen, und wer nicht daran stirbt, wird steril, das heißt, es wird (wie nach „M-Day“) keine neuen Mutanten mehr geben.
Mit Magiks Hilfe konnte Storm viele der ihren in den Limbo in Sicherheit bringen. Wenn sie alte Freunde finden oder junge Mutanten entdecken, bieten sie ihnen eine Zuflucht, um dem Tod zu entkommen. Allerdings sind sie im Limbo nur so lange in Sicherheit, wie Magik die Schutzbarrieren aufrechterhalten kann. Stößt ihr etwas zu, haben die X-Men ein gewaltiges Problem, denn die technischen Gadgets von Forge sind noch nicht so weit, das neue Heim der Mutanten abzuschirmen.
Wie wichtig seine Arbeit ist, zeigt sich sehr schnell, denn auf der Suche nach Nightcrawler stoßen Magik und Colossus ausgerechnet auf Mr. Sinister, der beide in seine Gewalt bringt. Prompt brechen die Dämonen durch und bedrohen die verängstigten Flüchtlinge. Storm und ihre wenigen verbliebenen Kameraden, die in erster Linie die Schüler und geretteten Mutanten zu beschützen versuchen, müssen ein Team entsenden, um Magik zu retten.
Dabei stoßen Storm, Iceman, Old Man Logan aus der Zukunft und Marvel Girl aus der Vergangenheit nicht nur auf Freund und Feind, sondern auch auf eine mächtige, unberechenbare Schöpfung von Mr. Sinister…
Wieder mal wurde das Marvel-Universum umgekrempelt. Beliebte Figuren aus dem Main-Marvel-Universe, aus 2099 und dem Ultimate Universe wurden zusammengewürfelt, manche Helden neu definiert, wieder welche durch jemand anderes oder eine alternative Version ersetzt, wie zum Beispiel Wolverine, dessen Code-Name nun X-23 ist, während das gealterte Original aus einer anderen Zukunft geholt wurde, oder die Avengers, die sich nun aus Gründungsmitglied Iron Man und drei weiteren Erwachsenen, nämlich Vision, Captain America (vormals Falcon) sowie der weiblichen Thor Jane Foster zusammensetzen, und der Rest ist Kindergarten, sprich, eine Ms. Marvel, ein Nova und ein Spider-Man im Schüler-Alter…, ganz Manga-/Anime-like.
Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um die neue „X-Men“-Serie, in der man auf bekannte und populäre Charaktere im neuen Kostüm (Storm, Magik…) stößt, aber auch auf solche, die sich verändert haben (Colossus, Nightcrawler…) oder aus einer alternativen Zeitlinie stammen (Wolverine, Marvel Girl…) und eigentlich gar nicht zu ihren Kameraden zurückkehren wollten, sich aber durch die Notwendigkeiten dazu gezwungen sehen.
Im Vordergrund stehen die unmittelbaren Konflikten wie die Aufrechterhaltung der Barrieren, welche die Zuflucht vor den Dämonen schützen, und das Retten von Mutanten vor dem tödlichen Terrigen-Mist. Die persönlichen Konflikte müssen warten, und derer gibt es gewiss genug. Beispielsweise liebt Wolverine Marvel Girl schon viele Jahre hoffnungslos, und nun könnten sie auch optisch Opa und Enkelin sein. Storm und Wolverine unterhielten vor dessen Tod eine Beziehung, und jetzt hat seine Alternativ-Version vom Aussehen her das Alter ihres Vaters. Der Iceman aus der Vergangenheit („Die neuen X-Men“) hat sich eingestanden, schwul zu sein - der erwachsene Iceman auch?
Die Verteidigung der Zuflucht und das Rekrutieren alter und neuer Mitglieder für den Kampf, der das Überleben der Mutanten sichern soll, stellen das Kern-Thema, während das Persönliche zurückstecken muss. Einige Entscheidungen werden getroffen, aber nicht jede Frage wird zufriedenstellend geklärt. Um weitere Antworten zu erhalten, muss man somit auch die Fortsetzung lesen.
Die Handlung ist dramatisch, packend und voller Überraschungen. Die Zeichnungen von Humberto Ramos gefallen, aber er spart leider oft bei anatomischen Details. Gerade die „X“-Serien, die von Künstlern wie Jim Lee, Alan Davis, Marc Silvestri und so weiter geprägt wurden, wecken hohe Erwartungen. Die Arbeit hier geht zwar in Ordnung, aber man kennt auch Besseres, und wenn nach den Anfangs-Episoden (wieder mal) Illustratoren der zweiten und dritten Garnitur losgelassen werden, kann es durchaus sein, dass die Story allein nicht ausreicht, um die Leser zu fesseln - es gibt auch andere Comics, und die Leser werden zunehmend kritischer.
„X-Men“ 1 bietet (wieder mal) die Gelegenheit, bei einer Comic-Serie ‚von Anfang an‘ dabei zu sein. Vorkenntnisse sind zu empfehlen, aber auch als Neuleser findet man sich nach und nach zurecht. Die Story ist relativ in sich abgeschlossen, doch einige rote Fäden sind unübersehbar und machen neugierig auf die weiteren Entwicklungen. Der Plot ist actionreich und packend, die Zeichnungen sind ansprechend - man sollte dem Titel eine Chance geben. Für Fans ist er ohnehin ein Muss.