Paul Kearney: Hawkwoods Reise - Die Königreiche Gottes 1 (Buch)

Paul Kearney
Hawkwoods Reise
Die Königreiche Gottes 1
(Hawkwood’s Voyage - Monarchies of God 1, 1995)
Aus dem Irischen von Michael Krug
Titelbild von Timo Kümmel
Atlantis, 2015, Paperback, 462 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-86402-224-1 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Die epische Fantasy-Serie „Die Königreiche Gottes“ des irischen Schriftstellers Paul Kearney erschien bereits zwischen 1997 und 2004 bei Bastei Lübbe. Nun offeriert der Atlantis Verlag eine Neuauflage. Zwei von fünf Bänden sind bereits erschienen. „Hawkwoods Reise“ ist der erste Teil.

 

Während die fünf Königreiche Gottes im Osten von den ungläubigen Merduks angegriffen werden und die bestens gesicherte Metropole Aekir in Feindeshand fällt, spalten sich die Herrscher in zwei Lager. Die einen sind fanatische Anhänger des Ordens der Brüder vom Ersten Tag und ihrem neuen Pontifex Maximus, der die Länder von Ausländern, Ungläubigen und Magiern reinigen will. Die anderen unter der Führung des hebrionischen Königs Abeleyn lehnen sich gegen die Machtansprüche des Ordens auf, der ihre Befugnisse immer mehr begrenzen will, und setzen alle Hoffnung auf den gemäßigten Amtsvorgänger, der das Massaker von Aekir wie durch ein Wunder überlebt hat.

Abeleyns Vetter Fürst Murad, dem alte Logbücher in die Hände fielen, die von einem geheimnisvollen Kontinent im Westen berichten, wird von seinem König beauftragt, eine hebrionische Kolonie in dem unbekannten Land zu gründen. Murad stellt Richard Hawkwood, Besitzer zweier großer Schiffe, in seine Dienste. Zwar steht Hawkwood Murad und der Expedition mit großer Skepsis gegenüber, aber es ist für ihn die einzige Möglichkeit, seine Besatzung aus den Kerkern des Ordens zu befreien. Überdies sollen seine Schiffe auch einigen Magiern die Rettung bringen.

So bricht Hawkwood mit seinen beiden Crews, Murads Soldaten den Passagieren und einem Ordensbruder, der sich im letzten Moment aufdrängte, zu einer gefährlichen Reise ins Ungewisse auf. Einen Vorgeschmack darauf, wie gefahrvoll die Expedition sein wird, erhalten sie schon bald: Es gibt einen Toten, und die Zeichen deuten auf einen Gestaltwandler als Täter hin. Der Magier Bardolin wird von Hawkwood und Murad beauftragt, den Gestaltwandler ausfindig zu machen, dessen Ziel es offenbar ist, die Reise in den Westen zu verhindern. Aber warum? Und wer außer Bardolins unschuldigem Mündel Griella verbirgt sein wahres Wesen?


Es dauert eine ganze Weile, bis die Handlung in Fahrt kommt. Zu sehr hält sich Paul Kearney anfangs mit sich zum Teil wiederholenden Beschreibungen der Locations auf und der Einführung der in diesem Band mehr oder minder mit Handlungsanteilen versehenen Hauptfiguren. Dennoch gelingt es ihm, den Leser am Ball bleiben zu lassen, denn zwischen all den kriegerischen Auseinandersetzungen und den Machtkämpfen von weltlichen und religiösen Anführern findet eine Reise zu einem unbekannten Kontinent statt, die neugierig macht auf das, was die Expeditionsteilnehmer dort erwartet. Der Prolog fungiert dabei als Appetithappen.

Unschwer erkennt man die historische Vorlage: „Die Königreiche Gottes“ sind das Europa zu Beginn der Neuzeit und der Kirchenspaltung, die Merduks ein Mix aus Hunnen, Mongolen und vor allem Muslime, die bisher immer nur knapp vor der Eroberung Europas gestoppt werden konnten. Der Autor hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Himmelsrichtungen zu verändern und die Namen zu verfremden. Hawkwood schlüpft in die Rolle des Genuesen Christopher Kolumbus, der im Auftrag der spanischen Krone einen Seeweg nach Indien finden sollte und stattdessen einen westlichen Kontinent, Amerika, entdeckte. Die Magier stehen für die Menschen, die aufgrund ihrer Religion, ihrer Kritik an den Herrschenden und der Hungersnöte ihre Heimat verließen, um in der neuen Welt ein besseres Leben führen zu können. In Amerika gab es Konflikte mit den Indianern - auf wen oder was wird Murads Expedition treffen?

Die Charaktere entsprechen durchaus den Fantasy-Archetypen, denn es handelt sich um Fürsten, Kleriker und Soldaten, Magier und Gestaltwandler sowie Matrosen. Aber ähnlich wie in George R. R. Martins „Game of Thrones“ (die Serie startete in den USA 1996) finden sich keine strahlenden, jugendlichen Helden, sondern reife Männer mit Erfahrung, die sich in Grauzonen bewegen und nur bedingt als Sympathieträger funktionieren. Auch die Rolle der Frau ist vergleichbar, denn sie dient als Gebärerin der Söhne, als Bettwärmer und im Krieg als Opfer von Vergewaltigern. Allein Griella und die adlige Witwe Jemilla, Geliebte von Hawkwood und Abeleyn, brechen im Rahmen des Möglichen mit den Konventionen. Eine nette Idee ist Bardolins kleiner Kobold.

Sehr detailgetreu schildert Paul Kearney die Kriegstaktiken und mehr noch die Arbeit der Seeleute. Die Beschreibungen klingen authentisch, sind aber fast schon zu viel des Guten für den Leser, der mit den Fachtermini wenig anfangen kann und lieber mit der Handlung schneller voran käme.

Nun, man verrät nicht zu viel, wenn man angibt, dass Murads Expedition ihr Ziel erreicht und sich Band 2, „Die Ketzerkönige“, wohl einerseits mit dem befassen wird, was Schreckliches auf dem neuen Kontinent lauert, und andererseits dem nachgeht, was sich in den fünf Königreichen an mehreren Fronten abspielt. Man ist neugierig auf das, was als Nächstes kommt, insbesondere in der neuen Welt.

Um sich von der Lektüre gut unterhalten zu fühlen, sollte man allerdings weitschweifige Fantasy-Romane schätzen, die viel Wert auf die Gestaltung des Hintergrunds sowie die Charakter-Entwicklung legen und dafür den Spannungsbogen sehr langsam aufbauen.