Nina Blazon: Der Winter der schwarzen Rosen (Buch)

Nina Blazon
Der Winter der schwarzen Rosen
cbj, 2015, Hardcover, 542 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-570-16364-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Macht haben, ist wie einen Drachen zu reiten. Wenn du einmal auf seinen Rücken gesprungen bist, kannst du nie wieder absteigen. (Seite 208)

 

Das Land an der Westgrenze ist rau. Und wie das Land, so seine Bewohner. Dies ist die Geschichte zweier Schwestern: Liljann, die Gespenster sehen kann und Tajann, die Jägerin, die es ihrer verstorbenen Mutter nachmachen will, und am Hof der Fürstin ihr Glück suchen möchte.

Doch bevor diese ihren Plan umsetzen kann, muss sie ihr Vater zuerst aus seiner Obhut entlassen. Wie die Tradition es erfordert, muss die Erstgeborene das Haus als Erste verlassen und mindestens zehn Tagesreisen in das Unbekannte vordringen. Auf diese Weise hat das Volk seit Generationen die Grenzen des Reiches nach außen verschoben, neue Gebiete erforscht und erobert und so das Reich gestärkt.

Als die Schwestern zum Fest in den Palast eingeladen werden - eine Ablehnung ist selbst ihrem eigenbrötlerischen Vater nicht möglich -, schlägt Tajanns Stunde. Die Fürstin selbst macht ihr ein unwiderstehliches Angebot: Binnen drei Wochen muss sie dafür sorgen, dass ihr Vater die ältere Tochter freigibt, dann findet sie am Hof Aufnahme und kann ihre ehrgeizigen Pläne, im Spiel der Macht mitzuwirken, wahr machen.

Den Vater umbringen kommt für sie zwar nicht in Frage, doch ein raffinierter, selbstsüchtiger Plan nimmt seinen Anfang. Dass sie sich auf dem Fest in den Sohn der Fürstin verliebt, der kurz vor einer politischen Heirat steht, würzt ihr Leben weiter mit Spannung und Gefahr.

Ihr durchtriebener Plan gelingt, Liljann macht sich, begleitet von ihrem ungeliebten und geheimnisvollen Bräutigam, einem Wilden aus dem Westland, auf ins Unerforschte, der Vater hat sie zwar verstoßen, doch Tajann sucht und findet ihren Platz am Hof. Im Auftrag der Fürstin soll sie die zukünftige Frau des Sohnes der Regentin ausspionieren und kommt so ihrem Geliebten immer näher.
Während ihre Schwester inmitten der Wildnis dem Geheimnis ihres Ehemanns und der Fürstin auf die Spur kommt, und es nur ihrem magischen Erbe und der Hilfe der Stämme verdankt, am Leben zu bleiben, verfängt Tajann sich immer tiefer in politischen Intrigen - in denen sie sich einer übermächtigen Gegnerin gegenübersieht…


Es ist das alte Spiel der Liebe - und des Leids. Zwei Schwestern, vom Wesen her ganz unterschiedliche Erzählerinnen, übernehmen abwechselnd die Bühne und berichten aus ganz persönlicher Sicht von den Geschehnissen.

Wie wir dies von Nina Blazon gewohnt sind, stehen bei ihr immer die Gestalten selbst im Fokus. Was treibt sie an, warum verhalten sie sich, wie sie sich geben, wo liegt ihre Motivation und was ergeben sich dann für Folgen aus ihren Taten? Fragen, die sich die Autorin - und mit dieser der Leser - stellt.

Wie immer hat sie dabei ihre emotionsgeladene Geschichte in ein faszinierend eigenes Kleid gewandet. Sie stellt uns ein raues Land vor, ein armer, oft karger Landstrich, in dem die einfachen Menschen oftmals darben. Die Armut, die Perspektivlosigkeit und die Not der Menschen werden dabei eher angedeutet, als dass sie groß ins Zentrum rücken würden. Blazon arbeitet generell gerne mit Andeutungen, lässt uns zum Beispiel bei einem Besuch einer Bergarbeitersiedlung selbst unsere Schlüsse ziehen, als dass sie uns mit einer plakativen Schilderung schocken würde.

Dabei fließt unterschwellig ihre ganz eigene Darstellung der Magie mit ein. Keine mächtigen Zauberer sind es, mehr Naturgeister und Banne, die seit Generationen von weisen Frauen und Männern an die Talentierten weitergegeben werden. Dass diese vom Gesetz in Gestalt der Mylady für die Ausübung der Magie mit dem Leben bedroht werden, sorgt dafür, dass die Mächte im Verborgenen ausgeübt werden.

Geschickt baut die Autorin dabei ihren Plot auf zwei großen Säulen auf. Zum einen das politische Ränkespiel am Hof der Mylady mit den Intrigen, Geheimnissen, den Plänen und der skrupellosen Machtausübung. Auf der anderen Seite die Macht des noch Unerforschten jenseits der Grenze, die dort lebenden naturverbundenen Völker und die ungezügelte Wildheit der Bewohner. Diese so ungleichen Bühnen sorgen für ein Spannungsgefüge, gerade weil beide Welten so viel trennt, und sie doch verbunden sind.

So ist dies einmal mehr ein typischer Blazon; ein Roman, weit abseits der ausgetretenen Pfade, der durch seine interessanten Gestalten besticht, der stilistisch wunderbar erzählt ist und dessen Wechsel der Erzählperspektive vom Verlag durch unterschiedliche Schriftarten verdeutlicht wurde - ein rundum gelungenes Buch.