Ms. Marvel 1: Meta-Morphose (Comic)

Ms. Marvel 1
Meta-Morphose
(Ms. Marvel (2014) 1-5, All-New Marvel Now! Point One 1)
Autorin: G. Willow Wilson
Zeichnungen: Adrian Alphona
Übersetzung: Carolin Hidalgo
Panini, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 124 Seiten, 16,99 EUR

Von Frank Drehmel

Kamala Khan ist sechzehn Jahre alt und ein Kind pakistanischer Einwanderer. Auch wenn ihre Eltern eher säkulare Moslems sind und in Glaubensfragen einen gewissen Pragmatismus an den Tag legen, reicht beides zusammen aus, damit ihr das Leben und der ganze Rest in Jersey gehörig auf die Nerven geht, denn Kamala hat oftmals das Gefühl, nicht dazuzugehören. Dass sie in der Schule relativ erfolgreich ist, Fanfiction-Comics über die Rächer zeichnet und ansonsten moralisch zweifelhafte Veranstaltungen vermeiden muss, macht ihr Leben nicht einfacher.

Eines Abends, als wieder einmal eine Party am Strand angesagt ist und ihre Eltern – wie gewöhnlich – ihr die Teilnahme verbieten, schleicht sich das Mädchen heimlich aus ihrem Zimmer, nur um dann festzustellen, dass sie selbst am Strand nicht dazu gehört. Nach einem Streit mit ihrem guten Schulfreund Bruno verlässt sie eilig die Feier, läuft mitten in jenen mutagenen Nebel, den Black Bolt von den Inhumans auslöste – (vgl. die Ereignisse des Infinity-Crossovers) –, hat eine seltsame Vision kurz bevor sie das Bewusstsein verliert und wacht mit erstaunlichen Fähigkeiten auf.

Fortan ist Kamala sowohl in der Lage, ihren Körper – oder Teile davon – je nach Belieben zu vergrößern oder zu verkleinern, als auch die Physiognomie anderer Personen anzunehmen. Und welche Person liegt da zunächst näher als die von ihrer verehrte Ms. Marvel alias Carol Danvers, eine blonde Reckin, die alleine schon äußerlich in der Mitte der US-Gesellschaft beheimatet ist?!
Doch dann muss Kamala lernen, dass außergewöhnliche Fähigkeiten das Leben nicht einfacher machen, erst recht nicht, wenn man diese Fähigkeit nicht voll im Griff hat.

Obwohl – so möchte man meinen – dieses neue Ms.-Marvel-Setting einige thematische Tretminen und Untiefen bereithält – minderjährige Muslima mit Migrationshintergrund –, wird schon nach wenigen Seiten klar, dass die Autorin die Komplexität der Thematik geradezu meisterhaft händelt und weder ein Lehrstück über Religion, Toleranz, ethnischen Hintergrund an den Leser bringen will, noch überhaupt den moralischen Zeigefinder hebt oder Salz direkt in offen gesellschaftliche Wunden streut.

Stattdessen präsentiert sie eine wunderbar leichte Geschichte über die Fährnisse des Erwachsenwerdens, wenn man sich ein klein wenig von der Mehrheitsgesellschaft abhebt. Humorvolle, pointierte Dialoge und ein Spielen mit Klischees und Stereotypen, dazu urkomische Gags – gleich zu Beginn lässt Kamala in ihrer Fanfiction die Rächer gegen ein galaktisches Ungetüm kämpfen während von einer Wolke aus die Little Ponys das Geschehen kommentieren – lassen unwillkürliche Erinnerungen an eine phantastische Referenz-Serie aufkommen: an „Buffy“! Und zwar zu ihren besten TV-Show-Zeiten.

Doch Wilsons Story überzeugt nicht nur durch ihre Leichtigkeit und ihren Humor, sondern auch durch den warmherzigen, liebevollen Umgang mit sämtlichen Figuren, seien es der religiöse Bruder, die eher autoritäre Mutter, der gleichermaßen strenge wie verständnisvolle und gutmütige Vater, der besorgte Freund oder die zwischen selbstbewusst, frech, unsicher und selbstzweifelnd hin – und her gerissene Heldin.

So leicht die Story, so charmant das Artwork: klare Linien, Figuren, die zuweilen leicht karikierend überzeichnet sind, ausdrucksstarke Mimiken sowie eine Kolorierung, die auf warme, eher pastellene Farben setzt, bilden die Fortsetzung der Story mit visuellen Mitteln.

Fazit: Eine erzählerisch wie visuell humorvolle, leichte Geschichte über das Erwachsenwerden einer ungewöhnlichen und sympathischen Heldin. Erfreulicherweise gelingt es Wilson, die Fährnisse und Probleme gänzlich ohne erhobenen Zeigefinger und moralinsaueres Gutmenschentum herauszuarbeiten. Super!