Andrzej Sapkowski: Zeit des Sturms (Buch)

Andrzej Sapkowski
Zeit des Sturms
Aus dem Polnischen von Erik Simon
Titelbild: Max Meinzold
dtv, 2015, Paperback, 448 Seiten, 15,90 EUR, ISBN 978-3-423-26057-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Mit seiner Serie um Geralt von Riva gehörte Andrzej Sapkowski zu den ersten Autoren aus dem Osten, die bereits in den 80er Jahren auch in Deutschland veröffentlicht wurden. Allerdings führten seine beiden Kurzgeschichtensammlungen hier eher ein Schattendasein, bis die Welt zum Hintergrund eines erfolgreichen Online-Games wurde. Seither ist der Siegeszug der Geschichten und Romane nicht mehr aufzuhalten, was dtv nun dazu veranlasst hat, auch den neuesten Roman zu veröffentlichen. „Zeit des Sturms“ ist inhaltlich zwischen den beiden Kurzgeschichtensammlungen angesiedelt und präsentiert noch einen Helden, der Einzelaufträge erfüllt und nicht einer höheren Mission folgt.

Nachdem er seinen letzten Auftrag zufriedenstellend erledigt hat, begibt sich Geralt in das Königreich Kerack, um dort nach neuer Arbeit zu suchen. Ihn interessiert wenig, dass das kleine Land derzeit von einem Thronstreit erschüttert wird, auch wenn ihm die angespannte Atmosphäre nicht entgeht. Er ignoriert alles und ärgert sich nur darüber, dass er wie üblich seine Schwerter einreichen muss. Doch es kommt noch schlimmer: Man setzt ihn aus unerklärlichen Gründen fest und will ihm den Prozess machen. Zur Rettung vor einem schlimmeren Schicksal wird die Zauberin Koralle, die vielleicht sogar alles eingefädelt hat. Sie bringt ihn dazu, den Auftrag einer anderen Gruppe von Zauberern anzunehmen, die Schwierigkeiten mit einem Dämon haben. Dieser tötet in Menschengestalt Unschuldige und konnte bisher weder aufgespürt noch wirklich aufgehalten werden.

Geralt bleibt nichts anderes übrig, auch wenn Koralle gar nicht so unangenehm ist, wie er zunächst dachte. Aber eine Schwierigkeit kommt noch dazu: Während seiner Gefangenschaft im Kerker sind seine Schwerter spurlos verschwunden – und die Spur aufzunehmen erweist sich als äußerst schwierig und gefährlich…

Es hat sich in den vergangenen Jahren auch bei Sapkowski Einiges verändert. Vergleicht man „Zeit des Sturms“ mit seinen ersten Kurzgeschichten, so ist der Roman um einiges lebendiger und actionreicher geschrieben, kommt der Autor bewusst seinen Fans aus dem Westen entgegen, die wesentlich rasantere Geschichten gewohnt sind, als die ursprünglichen Stammleser.

Der Rest ist dafür recht gleich geblieben: Geralt tut das, was er am besten kann – Monster jagen und erschlagen, sich mit den Tücken des Alltags unter Menschen herumschlagen oder mit Freunden, die mal Retter in der Not sind, dann aber wieder auch überaus lästig. Der politische Konflikt spielt im Hintergrund durchaus eine Rolle, steht aber nicht im Interesse des Hexers, der eher persönliche Probleme zu bewältigen hat – einmal ist er in eine unangenehme Zwangslage geraten, dann schlägt er sich mit einer Zauberin herum, gegenüber der er lieber vorsichtig sein sollte, und nicht zuletzt muss er seine Schwerter wiederfinden, ehe diese auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Geralt ist so, wie man ihn kennt; wachsam und zynisch, aber dann doch auch menschlicher als manch einer seiner Feinde. Wie die anderen Figuren hat er Ecken und Kanten, menschliche Schwächen, die ihn mehrfach Fehler begehen lassen – und die nicht immer helfen, etwas oder jemanden zu finden. Das macht die Geschichte weitestgehend unvorhersehbar und erfrischend unterhaltsam, da man die Charaktere nicht ganz so leicht einschätzen kann und es immer wieder zu überraschenden Wendungen kommt. Auch lockern humorvolle Momente das Geschehen immer dann auf, wenn es zu bedrückend oder träge wird. Gerade die abwechslungsreiche Handlung tröstet über den bisweilen behäbigen Stil hinweg und sorgt dafür, dass man sich nicht langweilt.

Auch Neueinsteiger haben es leicht, sich in die Handlung einzufinden, da der Autor so gut wie kein Vorwissen voraussetzt und zum anderen die Figuren so gestaltet, dass man die wichtigsten Eckpunkte ihres Charakters und ihrer Geschichte so weit erfährt, wie es für das Verständnis notwendig ist, ohne dass er sich dabei für die Fans wiederholt. Bedauerlich ist nur, dass die Buchbeschreibung – gerade im Internet – viel zu viel verrät und so den Inhalt massiv spoilert. Hier wäre weniger mehr gewesen

„Zeit des Sturm“ ist ein unterhaltsamer und kurzweiliger Roman aus der „Geralt von Riva“-Reihe, der auch Neueinsteiger ansprechen kann, da er zum einen wesentlich moderner geschrieben ist als der Rest der Saga und zum anderen kein Vorwissen verlangt. Für die Fans erweitert sich das Universum des Hexers um weitere interessante Figuren und ein Abenteuer vor exotischer Kulisse, das es in sich hat, wenn man sich auf die Erzählweise einlassen kann.