Richard Jay Parker: STOP ME! (Buch)

Richard Jay Parker
STOP ME!
(Stop Me)
Aus dem Englischen übersetzt von Patrick Baumann
Festa, 2015, Taschenbuch, 284 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-371-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Haben Sie eine eMail-Adresse? Wenn ja, dann kennen sie unweigerlich auch die Schattenseiten des WWW. Werbung, unerwünschte Werbung noch dazu, überrollt einen jeden, der jemals irgendwo seine Mailadresse eingegeben hat. Spam nennt man diese unerwünschten Botschaften, die meisten Empfänger klicken sie ungesehen in den virtuellen Papierkorb.

Was aber würden Sie machen, wenn sie eine Mail erhielten, in der steht, dass ein Mensch ermordet wird, wenn diese Mail als Kettenbrief nicht innerhalb einer gewissen Zeitspanne wieder beim ursprünglichen Absender eintreffen würde? Spaß, ein schlechter Gag noch dazu, könnte man annehmen, aber dann tauchen die Leichen des sich selbst als Vacation Killer bezeichnenden Mörders auf und man weiß, dass der Psychopath alles andere als einen schlechten Scherz im Sinn hat.

Auch der Brite Leo hatte schon einmal eine Mail vom Killer in seinem Postfach und diese nicht weitergeleitet. Dann entführt der Mörder seine Frau und plötzlich muss er sich mit der Bedrohung direkt auseinandersetzen. Leo schwankt zwischen Verzweiflung, tiefer Depression und hektischem Aktionismus. Immer wieder nimmt er zu Trittbrettfahrern Verbindung auf, die im Netz behaupten, hinter den Verbrechen zu stehen oder zumindest mehr zu wissen, als die Behörden. Auch wenn sich hier die Spreu schnell vom Weizen trennt, gibt es immer wieder Menschen, die scheinbar wirklich mehr wissen und seine Hoffnung neu anheizen. Auch die Arbeitgeber seiner Frau, deren Sohn selbst vom Vacation Killer getötet wurde, könnten vielleicht mehr wissen, als sie bislang preisgegeben haben.

Als der Täter in den USA gefasst wird, könnte Leo das Undenkbare akzeptieren, anfangen zu verarbeiten und zu trauern – doch dann erhält sein Misstrauen neue Nahrung: Vielleicht ist seine Frau ja wirklich noch am Leben?

Richard Jay Parker legt mit seiner ersten ins Deutsche übersetzten Veröffentlichung einen überaus spannenden, aktuellen Thriller vor. Dabei nutzt er klassische Themen, wie etwa den Serienkiller, der mit der Öffentlichkeit Katz und Maus spielt, und verbindet dies mit den lästigen Merkwürdigkeiten des Internets.

Bezwingend, wie er uns von den Auswüchsen des Netzes und dessen zum Teil abartigen Nutzern berichtet, die lange ihre sozialen Kontakte verloren haben und um Aufmerksamkeit buhlen. So ist diesen jedes Mittel recht, Publizität zu erlangen, nutzen sie als Trittbrettfahrer Verbrechen, um als vermeintlich Wissende oder gar als geständige Verbrecher in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Dass sie dabei den Angehörigen der Opfer wehtun, dass sie deren so schon beträchtliches Leid verschlimmern, ist ihnen egal; Egoismus und übersteigerte Geltungssucht treibt sie zu ihren Taten.

Diesen Aspekt hat der Autor ebenso überzeugend wie kritisch herausgearbeitet und mit dem Bild eines beklagenswerten Opfers verbunden.

Die Zeichnung Leos als ein Mann, der durch die äußeren Umstände aus der Bahn geworfen wird, der leidet, der allen Chancen zum Trotz hofft und der alles tut, nur um das Fünkchen Hoffnung am Glimmen zu halten, ist bestechend ausgeführt.

So erwartet den Leser nicht nur ein spannender, immer wieder mit überraschenden Wendungen aufwartender Kriminalplot, sondern gleichzeitig ein höchst aktueller Roman um die Auswüchse unserer modernen Internet-Gesellschaft.