Ann Leckie: Die Maschinen – Ein Roman aus der fernen Zukunft (Buch)

Ann Leckie
Die Maschinen – Ein Roman aus der fernen Zukunft
(Ancillary Justice)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Bernhard Kempen
Titelillustration von Billy Nunez
Heyne, 2015, Paperback mit Klappenbroschur 542 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31636-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Mögen Sie Science Fiction, Raumschiffe, KI, Kämpfe um und auf Planeten, riesige Reiche und Aliens – ja? Nun, dann wäre „Die Maschinen“ ein Roman für Sie – oder vielleicht auch wieder nicht. Warum? Nun, all die oben beschriebenen Bestandteile sind im Roman enthalten, doch das Werk erschließt sich dem Leser nicht unbedingt einfach.

Und das liegt beileibe nicht an der mustergültigen Übersetzung Bernhard Kempens. Eher daran, dass die Autorin ihren Roman geschlechtsneutral verfasst hat, sprich wir ungewöhnlich und zu Beginn verwirrend immer allen Gestalten in ihrer weiblichen Bezeichnung begegnen.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Braq, einer KI, die früher einmal das Raumschiff GERECHTIGKEIT DER TORREN in Diensten der Radch war. Damit aber nicht genug, belebte die Persönlichkeit von Braq nicht nur das Raumschiff sondern gleichzeitig auch humanoide (menschliche) Leichen, deren Gedächtnis gelöscht wurde und die kybernetisch aufgerüstet in unbegrenzter Zahl zur Verfügung stehen.

Das Reich der Radh wird von einer allmächtigen, über zehntausende Körper ständig präsente Herrscherin geführt, mächtige Familien suchen ihre Macht ständig auszubauen, jeder bespitzelt jeden. Alles außerhalb des Imperiums wird als unterlegen und unentwickelt angesehen, dem die Zivilisation gebracht werden muss.

Zwei Handlungsstränge wechseln sich im Roman ab. Zum einen erleben wir mit, wie einem Planeten die Segnungen des Imperiums gebracht werden, man könnte zutreffend auch „aufgezwungen“ sagen. Zusammen mit einem menschlichen Leutnant macht sich Braq sich in ihren humanoiden Formen auf dem Planeten daran, die besiegte Zivilisation ins Reich zu integrieren. Politische Intrigen, Machtspielchen und Karriere-Chancen erschweren den Prozess.

Zwanzig Jahre später begegnen wir Braq wieder. Allerdings hat die KI bis auf einen einzigen Körper all ihre Heimstätten verloren. Sie ist auf der Suche nach einer Waffe, mit der sie die Imperatorin zu töten beabsichtigt, als sie in der Wildnis eines unterentwickelten Planeten einen ihrer früheren Offiziere findet. Vor gut 1000 Jahren hat sie an Bord ihres Schiffes gedient, jetzt ist sie, nachdem man sie aus einer Rettungskapsel gerettet hat, haltlos dem Rauschgift verfallen. So nimmt die KI in einem Körper sich ihres ehemaligen Kameraden an, ohne recht zu wissen warum eigentlich. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach der Waffe, mit der sie die Imperatorin töten wollen, eine Reise, die tief ins Ich der KI und des Reiches führt…

Was ist das für ein Roman, der die fünf wichtigsten internationalen SF-Preise abgeräumt hat?

Oberflächlich betrachtet stellt uns die Autorin Tee trinkende Römer im All vor. Vieles an dem Imperium erinnert im Aufbau an das römische Weltreich, selbst die innere Überzeugung, die fremden Völker mit seinen Segnungen beglücken zu müssen, kommt uns hier bekannt vor. Dennoch fand ich persönlich nicht gleich den Einstieg in den Roman. Wie Bernhard Kempen, der den Text sehr einfühlsam und intelligent ins Deutsche übertragen hat, in seinem Vorwort ausführt, stand er, mehr noch als im englischen Original, vor der Herausforderung, die herrschende Geschlechtsneutralität im Reich zu übertragen. So ist die weibliche Form – egal welches Geschlecht die Figuren letztlich haben – gewöhnungsbedürftig.

Auch wenn uns das Imperium in Details geschildert wird, müssen wir uns aus eben diesen beiläufigen Bemerkungen das große Bild selbst erstellen. Die sich dabei ergebende totale Überwachung aller wirkt beklemmend, ja dystopisch.

Mit der Erzählerin tat ich mir schwer. Zwar wird diese durch die unterschiedlichen Darstellungen als Personen in verschiedenen Körpern beziehungsweise als Raumschiff sehr plastisch und differenziert beschrieben, doch wirkt und agiert sie – gewollt – emotionsarm. Lediglich ihre Hinwendung zum Gesangesgut erscheint hier menschlich, ansonsten begegnet uns zunächst eine sehr effiziente Maschine. Lediglich ihr Hass auf Imperatorin Anaander Mianaai fügt ihr eine emotionale Note bei, macht sie begreifbarer.

So zwingend dies auf manche Rezipienten wirkt, tat ich mich mit ihr als Erzählerin schwer. Beeindruckend dann die beiläufige Darstellung des Reiches und seiner Strukturen.

So hinterlässt der Auftaktroman zu einer Trilogie bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits ein neuer, frischer und auch in Details anderer Ansatz, ein Reich das glaubwürdig dargestellt wird – aber auch eine gewisse Kälte. Dazu gesellen sich Fragen nach der individuellen Identität, nach Selbstbestimmung und Freiheit; wichtige Fragen, die sich nicht nur eine KI stellt.