Interviews

Im Gespräch mit: Jo Löffler

Panini, in Stuttgart beheimat, ist den Meisten insbesondere durch seine Sammelbild-Alben sowie den Comic-Publikationen ein Begriff. Wer hat in seiner Kindheit nicht die bunten Bildchen in den Tüten gekauft, sie getauscht um nur ja das Sammelalbum voll zu bekommen? Und die gezeichneten Abenteuer der Helden jeglicher Couleur erfreuen sich nicht erst seit der Renaissance der Superhelden-Comics regen Zuspruchs. Daneben hat der Verlag seit Jahrzehnten immer wieder Romane zu Comic-Serien und Games publiziert.
Im Herbst 2021 startete für viele überraschend ein SF- und Fantasy-Programm, die sich abseits des bisherigen Angebots positioniere und herausragende Entdeckungen präsentiert. Grund genug für unseren Mitarbeiter Carsten Kuhr, das Gespräch mit Jo Löffler zu suchen, dem langjährigen Macher im Hintergrund.


Hallo Jo. Du bist ja schon einige Zeit bei Panini als verantwortlicher Herausgeber der Romane an Bord - wie kamst Du zur Phantastik, wie zu Panini?

Ich bin selbst ein Fantasy- und Sci-Fi-Junkie, von daher war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das dann auch in unserem Portfolio irgendwie niederschlägt. Zu Panini bin ich quasi als Bestandteil einer Inventarliste gekommen, denn als Panini 2003 damals die Dino Entertainment AG aufgekauft hat, war ich mit im Warenkorb. Falls du meinen Werdegang meinst, hab ich Allgemeine Rhetorik und deutsche Literatur in Tübingen studiert, war lange Jahre beim Rundfunk und bin dann über einen guten Freund und Kollegen in den späten 1990ern schließlich bei Dino gelandet.

Nun war das Roman-Programm bislang ganz auf euer sonstiges Angebot ausgerichtet - Romane zu Games und zu Comics beherrschten weitgehend das Bild. Darunter früher auch einige Titel, die deutsche Verfasser zu den Reihen beisteuerten - letzteres ist derzeit nicht mehr der Fall; lag es an den Lizenzgebern, oder warum kommen einheimische Verfasser inzwischen weniger zum Zug?

Das ist definitiv der Tatsache geschuldet, dass wir sehr, sehr viele Lizenzthemen aus den USA übernehmen. Der Umstand, dass die (Game-) Romane bereits existieren und wir sie „nur“ übersetzen lassen müssen, führt natürlich dazu, dass wir keine Autoren damit beauftragen können, welche für uns zu schreiben. Wir haben in der Vergangenheit aber immer wieder auch mit deutschen Spiele-Entwicklern Projekte auf die Schiene gebracht und dazu dann auch deutsche Autoren eingesetzt. Bernd Frenz, Claudia Kern oder Michael Bhatty, um nur ein paar zu nennen. Sollte sich in der deutschen Gaming-Szene was entsprechend Lukratives ergeben, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir dann auch wieder mit lokalen Kräften das eine oder andere Projekt umsetzen. Und dann haben wir da ja auch noch das erwähnte neue Phantastik-Programm mit noch ungeahnten Optionen…

Im Buch-Herbst 2021 habt ihr das neue Phantastik-Programm gestartet. Gleich neun Bücher erschienen aus ganz unterschiedlichen Sub-Genres. Wie kam es dazu, dass Panini die Phalanx der „üblichen Verdächtigen“ angreift?

Ich sehe das eigentlich nicht als Angriff auf die „üblichen Verdächtigen“. Im Gegenteil. Dadurch, dass eben diese zuletzt (was Fantasy und Sci-Fi angeht) ihr Engagement - zumindest für mich gefühlt - eher wieder etwas zurückgefahren haben, ist hier ein neues Betätigungsfeld für uns entstanden. Gerade unsere Erfahrungen im Bereich Game-Romane haben uns gezeigt, dass vor allem jene Spiele als Romane hervorragend funktionieren, die Sci-Fi und Fantasy-Hintergrund haben - ganz im Gegensatz zu den Game-Romanen, die zum Beispiel auf Egoshootern oder Adventures basieren. Sci-Fi und Fantasy waren und sind in Deutschland traditionell stark und es gibt derart viele gute Romane, die noch nicht ihren Weg nach Deutschland gefunden haben, da war es schon fast zwangsläufig so, dass wir uns um dieses spannende und faszinierende Segment kümmern.

Auffällig ist, dass ihr ganz unterschiedliche Genres bedient - es gibt Dystopien, Space Operas, klassische Fantasy, Urban Fantasy und Phantastik nebeneinander - das Portfolio ist wohlgefüllt mit bei uns zumeist bislang recht unbekannten Namen. Wo saht ihr die Lücke, wo rechnet ihr euch Chancen aus, im Buchhandel und bei den Lesern wahrgenommen zu werden?

Im Grunde hast Du die Frage schon beantwortet. Wir wollen möglichst für jeden Geschmack was im Programm haben. Das ist in diesem Segment unter Umständen eine Lebensaufgabe, aber ich denke, mit diesem ersten Fächerschuss haben wir einen ganz guten Start hingelegt. Und was die unbekannten Namen angeht… die bekannten Namen sind in der Regel ja schon bei anderen Verlagen heimisch, aber man sollte nicht vergessen, dass auch diese bekannten Namen irgendwann mal unbekannte Namen waren. Bis jemand kam und das geändert hat.

Ich habe kürzlich von einem Buchhändler die Rückmeldung bekommen, dass Panini derzeit das interessanteste Fantasy-Programm bei uns anbietet - baut so ein Lob auf, zeigt sich das auch beim Absatz – sprich, seid ihr mit den Verkaufszahlen zufrieden?

Wer war das? Im Ernst: So was hört man natürlich sehr, sehr gerne als Verlag. Zeigt es doch, dass wir mit unserer Auswahl ganz gut aufgestellt sind. Gerade die Meinung von Buchhändlerinnen und Buchhändlern kann man gar nicht hoch genug einschätzen, sind sie es doch, die an vorderster Front die Reaktionen der Kundinnen und Kunden einfangen. Was die Verkaufszahlen angeht, kann ich nicht mit konkreten Zahlen dienen, aber, dass wir zum Beispiel mit Band 1 der wunderbaren „Daevabad“-Trilogie von Shannon Chakraborty nur wenige Monate nach Erscheinen bereits in der zweiten Auflage sind, mag als Gradmesser dienen.

Auffällig ist, dass in aller Regel Mehrteiler auf die Leserinnen und Leser warten - das heißt natürlich, dass die Käufer, so diesen der erste Band gefallen hat, als Abnehmer bei der Stange gehalten werden, dass gleichzeitig das Programm selbst aber auch auf geraume Zeit hinaus festgelegt ist. Vorteil oder Nachteil - wie siehst Du das?

Na ja… das kann ein zweischneidiges Schwert sein. Überzeugt man mit Band 1, ist das bereits die halbe Miete. Floppt Band 1 hingegen, hat man mit den berühmten Zitronen gehandelt und kann sich überlegen, ob man trotzdem als Service die gesamte Reihe veröffentlicht oder die Reißleine zieht, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Allerdings kaufen wir nur Serien ein, von deren Qualität wir vollends überzeugt sind und die darüberhinaus meist spätestens als Trilogie abgeschlossen sind, was das Risiko doch überschaubar macht. Ich persönlich liebe Mehrteiler, denn Fantasy muss episch sein. Zumindest für mich. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir eine gesunde Mischung bei unseren Programmplätzen hinbekommen - zügige Fortsetzungen und dazu immer ein oder zwei Neustarts, so dass es abwechslungsreich bleibt, aber niemand lange auf die Fortführung seiner liebgewonnenen Serie warten muss. Tatsächlich war das sogar eines unserer zentralen Versprechen, als wir das erste Programm vorgestellt haben.

Mit den beiden „Wanderers“-Bänden habt ihr ein sehr aktuelles Thema, die Heimsuchung der Welt durch eine Seuche, im Programm. Verkauft sich dies gerade zu Zeiten, da die Realität die Phantasie einholt, oder sind die Käufer eher zögerlich?

Chucks Pandemie-Saga kam sehr gut an. Und wir sind mit den Verkäufen absolut zufrieden. Allerdings lag das sicher auch daran, dass zwischen Band 1 und Band 2 nur wenige Monate lagen. Bei so einer Story ist es absolut wichtig, dass man das erzählerische Momentum nicht verliert.

Vier Reihen ragten für mich besonders heraus. Beginnen wir mit der orientalischen Fantasy der S. A. Chakraborty. Die Trilogie hat im angloamerikanischen Sprachraum für Furore gesorgt. Deutsche Lektoren waren hier aber zurückhaltend mit dem Ankauf, da sie die doch langsame, fast märchenhafte Erzählweise und das immer noch - auch für einen Fantasy-Roman - ungewöhnliches Setting als nicht eben verkaufsfördernd bewerteten. Wie siehst Du dies?

Natürlich völlig anders. Als ich das englische Original auf dem Tisch hatte, dachte ich auch zunächst… wow… das ist im wahrsten Sinne des Wortes (zu?) exotisch. Dazu muss man wissen, dass ich bei ersten Sichtungen in der Regel die ersten 50 Seiten lese und dann im Grunde Bescheid weiß, was ich davon halte und ob das für uns relevant sein könnte. Im Falle von Shannos Saga konnte dich das Ding einfach nicht mehr aus der Hand legen. Ich wurde regelrecht zum Kapitelfresser. Nun soll man seinen eigenen Geschmack ja nicht absolut setzen, aber die Tatsache, dass es mir damit so ging, war zumindest nicht hinderlich bei der Entscheidung, es mit „Daevabad“ mal zu versuchen. Die Wucht der Erzählung, das World-Building und die glaubhafte Figurenanlage hat mich sofort in den Bann gezogen, und irgendwie fühlte ich mich in meine Jugend zurückversetzt, in der es mal eine Zeit gab, in der die Geschichten aus 1001 Nacht einen echten Hype erlebten. Die arabische Sagenwelt hat derart viel zu bieten, dass man sich dem exotischen Zauber der „Daevabad“-Trilogie nur schwerlich entziehen kann.

Mit Tom Holts alias K. J. Parkers Auftakt der „Orhan“ Reihe habt ihr eine wunderbar humorvolle Reihe ins Programm aufgenommen - wo siehst Du die Stärken Parkers, wie kommt die Reihe bei der Zielgruppe an?

Ich sag nur Schelmenroman. Und das in bester Tradition. Der trockene Witz und die unvergleichliche Ironie von Holt schlagen auch als Parker voll durch. Ob nun Grimmelshausen, Don Quijote oder Eulenspiegel… wer an Derartigem seine Freude hat, ist bei Parker bestens aufgehoben. Das macht die Zielgruppe etwas spitzer, aber wir sind mit der Performance bislang sehr zufrieden. Und… nur mal so als kleine Anekdote direkt aus dem Nähkästchen: Unser Vertriebsleiter ist als Leser sogar der Meinung, dass dies der beste Roman in unserem Programm ist, und hat sich fast krumm gelacht, als auf Amazon ein Leser den Roman völlig falsch verstanden hat: Statt als Schelmenroman ging der wohl von einem allegorischen Historienroman aus… knapp daneben ist auch vorbei.

Man sagt gemeinhin, dass die Urban-Fantasy-Welle vorbei ist, dass sich Steampunk bei uns nicht verkauft. Mit Goss’ „Der seltsame Fall der Alchemisten-Tochter“ habt ihr ganz bewusst eine solche Trilogie aufgenommen, die durch ihre herrlich skurrilen Figuren, die vielen Anspielungen auf bekannte Gestalten und eine etwas andere Darstellung des viktorianischen Londons besticht. Was hat dich dazu bewogen, das Wagnis einer Publikation einzugehen?

Zunächst einmal möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass es in keinem Fall eine Einzelleistung meinerseits ist, wie sich das Panini-Phantastik-Programm letztendlich zusammensetzt. Die Titelauswahl basiert auf dem kreativ-kritischen Zusammenwirken von vielen Leuten, die ihren Job richtig gut machen. Ich will wissen, was die Übersetzerinnen und Übersetzer denken, wie unser Außendienst die Chancen sieht, wie Lektorinnen und Lektoren zu dem Stoff stehen, was das Marketing sagt, und wir fragen schon einfach auch mal im Buchhandel nach. Aus diesen einzelnen Bausteinen ergibt sich dann ein Stimmungsbild, das den Ausschlag dazu geben kann, ob wir eine Reihe angehen oder nicht. In Sachen Athena Club von der wirklich großartigen Theodora Goss war es dann letztendlich auch kein Wagnis, sondern einfach eine dicke Chance, die wir genutzt haben. Und gerade diese Saga kommt im Handel prima an.

Eine Entdeckung war für mich auch Gladstones Auftakt zu einer ganz ungewöhnlichen Reihe - wieder steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die über besondere Fähigkeiten verfügt. Das Besondere ist zum einen das Setting, das Elemente einer archaischen Fantasy-Welt mit moderner Technologie und Götter vereint, aber auch, dass der Autor immer wieder andere Figuren ins Zentrum seiner Handlung stellt, die durch die gemeinsame Historie der Welt verbunden werden. Werden die weiteren bislang fünf Romane der „Kunstwirker-Chronik“ auch bei euch erscheinen?

Das ist der Plan. Ja. Das, was ich vorhin zur „Daevabad“-Reihe sagte, gilt im Grunde auch für Gladstone. Schon auf den ersten Seiten kann man sich diesem genialen Setting nicht mehr entziehen. Hier hat ein unglaublich gewitzter und begabter Autor seine ganz eigene Welt erschaffen, in der er recht kühn ein paar Genres munter durcheinanderkegelt und dabei noch derart den Schalk im Nacken hat, dass es einfach eine wahre Freude ist, sich durch die Seiten zu wühlen. Ich denke, man merkt mir die Begeisterung für Gladstone an, was vermutlich nicht zuletzt daran liegt, dass wir (Lektorin, Übersetzerin, Max und ich) einen sehr munteren und kreativen eMail-Austausch hatten, um die möglichst passenden deutschen Begriffe für seine bisweilen doch recht speziellen Vokabeln zu finden. Max ist genauso wie er schreibt - beeindruckend, klug und ein echter Tausendsassa.

Bemerkenswert fand ich auch, dass ihr immer deutsche Erstausgaben, ergo Entdeckungen präsentiert. War eine Neuauflage altbewährter Serien kein Thema?

Frag mich das noch mal, wenn wir der Meinung sind, dass es da draußen nicht noch richtig viele ungehobene Schätze zu entdecken gibt.

Auf was darf sich die Leserin respektive der Leser in nächster Zukunft besonders freuen? Was für Bestseller habt ihr in Petto?

Die Liste ist ziemlich lang. Aber ich freue mich schon jetzt sehr auf die „Knochenschiff“-Trilogie von R. J. Barker und auf die „Ardor Benn“-Saga von Tyler Whitesides. Die kündigen wir Ende April an, freu dich schon mal drauf.

Wohin wird sich deines Erachtens der phantastische deutsche Buchmarkt entwickeln? Werden die umtriebigen; inhabergeführten (Klein-)Verlage die Führung übernehmen und die Konzern-Verlage sich mangels entsprechender Absatzzahlen von der Phantastik mehr und mehr verabschieden?

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Verkaufszahlen deutlich einbrechen. Auf welcher Basis denn? Nicht jedes Jahr kann ein Phänomen wie „Game of Thrones“ ein Genre auf links drehen. Wir sind auf einem normalen Niveau und jeder wird selbst entscheiden, wie zufrieden er damit ist und was er machen will. Daran dürfte sich auch nicht wirklich etwas ändern, die Kernleserschaft der Phantastik ist dem Genre treu ergeben und zählt zu den Viellesern.

Nach der Absage von unter anderem Penguin Random House und Holtzbrinck wurde ja die Leipziger Buchmesse offiziell wegen Corona, inoffiziell wohl auc, weil diese großen Verlage fehlen, abgesagt. Sind die Zeiten für die großen Messen passe? Werden die Großveranstaltungen von Treffen von Verlegern, Autoren und Lesern in kleinerem Rahmen abgelöst werden, auch um massiv Kosten der großen Verlage einzusparen - was meist Du?

Da ging viel durch die Presse, aber nur wenige lesen dann weiter. Ja, die drei größten Publikumsverlage haben abgesagt, aber der Messedirektor war sehr klar: Es gab flächendeckend Absagen quer durch alle Betriebsgrößen. Das muss man respektieren, weil es durchaus gute Gründe dafür gibt, auch wenn wohl abzusehen ist, dass wir bis Mitte März wieder sehr viel „normaler“ leben werden. Aber wenn Personal in Quarantäne ist, erschwert das Prognosen zur Anwesenheit, und Großstände brauchen viel Personal. Aufgrund des heutzutage üblichen Empörungsstürmchen gab es ja auch entsprechende Erklärungen der Großverlage, an der Messe festhalten zu wollen. Vielleicht sollte man nicht allzu zynisch sein und das einfach mal so akzeptieren. Publikumsmessen wie Leipzig haben ihre Berechtigung - Fachmessen wie Frankfurt oder Bologna dagegen könnten es in Zukunft schwerer haben, da die Verlagerung auf Online-Meetings von Lizenzhändlern und Verlagen gezeigt haben, dass es auch sehr gut ohne riesige Kosten für Messestände geht. Und in Zeiten von explodierenden Papierpreisen und Logistikkosten sind solche Posten sicher zu überdenken.

Vielen Dank, dass du uns Rede und Antwort gestanden bist. Wir wünschen dir und deinem Haus für die Zukunft alles Gute.