S. A. Chakraborty: Das Königreich aus Kupfer (Buch)

S. A. Chakraborty
Das Königreich aus Kupfer
Daevabad 2
(The Kingdom of Copper, 2019)
Übersetzung: Kerstin Fricke
Panini, 2022, Paperback, 700 Seiten, 19,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

 

Rezension von Carsten Kuhr

Was war das Leben doch einfach, damals, als Nahri noch im Cairo des 18. Jahrhunderts aufwuchs. Viel zu essen gab es zwar nie, doch mit ihren Fähigkeiten konnte sie ganz gut zurechtkommen, konnte ihren Mitmenschen helfen und sich einen gewissen respektablen Ruf im Bazar erarbeiten. Nun gut, ab und an ging sie auch als Diebin auf Beutezug, doch sie nahm immer nur von denen, die es sich leisten konnten.

All dies war mit einem Schlag vorbei, als sie eines Tages in der alten Sprache unabsichtlich Dara, einen Djinn und Kind des Feuers, beschwor. Zusammen mit diesem flieht sie nach Daevabad, der Stadt der Djinns mitten in der Wüste. Einst war Dara hier wohlbekannt - als die Geißel, die unzählige Menschen brutal getötet hat ging er in die Geschichte der Stadt ein.

Dass er hier nicht wohlgelitten ist, dass Nahri vom die Stadt regierenden König gezwungen wird, dessen Thronerben zu ehelichen, machte ihr Leben nicht einfacher. Einzig Ali, der jüngere Sohn des Monarchen, der die Versöhnung der beiden die Stadt innerhalb ihrer magieresitenten Kupferwälle bewohnenden Völker versöhnen will, wird verbannt, Dara getötet.

Fünf Jahre sind seitdem ins Land gezogen. Nahri hat sich teuer verkauft. Ihre Mitgift teilt sie mit den Armen ihres Stammes, versucht immer wieder, zugunsten der geknechteten Menschen ihres Volkes einzugreifen, scheitert aber zumeist an den Vorurteilen und dem offen gelebten Rassismus der herrschenden Klasse.

Ali, der ins Exil geschickt wurde, was nichts anderes bedeutet, als dass sein Vater ihm Meuchelmörder auf den Hals hetzt, ist geflohen und hat inmitten des Sandmeeres mit seinen neu zutagegetretenen Gaben ein Refugium für all die Verbannten und Geknechteten geschaffen.

Und auch Dara wurde wieder ins Leben zurück beschworen, soll er doch im Auftrag von Nahris totgeglaubter Mutter dem geknechtetem Volk helfen, gegen ihre Unterdrücker aufzubegehren und die Stadt, die einst ihnen gehörte, zurückzuerobern.

Alles kulminiert, als Daevabad angegriffen wird - ein Angriff, der schmerzhafte Opfer auf allen Seiten fordert, ein Sturm, der droht nur Leid und Zerstörung für alle Beteiligten bereitzuhalten.


Mit dem Auftakt ihrer „Daevabad“-Trilogie hat S. A. Chakraborty sich auch in die Herzen der deutschsprachigen Leser geschrieben. Das ungewöhnliche, orientalische Setting, die reichhaltige, für uns Westler so fremde Kultur und die markanten Charaktere bieten faszinierendes Lesefutter.

Es wurde Stimmen laut, die von Handlungsarmut, ja Langeweile berichteten, ich konnte weder das eine noch das andere feststellen. Sicherlich ist die Autorin niemand, der eine Action-Sequenz an die nächste reiht, stattdessen bemüht sie sich erfolgreich, ihre Figuren detailreich und nachvollziehbar zu zeichnen.

Wer den Auftaktroman goutiert hat, der wird auch den Mittelband der Trilogie zu schätzen wissen. Aus drei alternierenden Sichtweisen verfolgen wir die weitere Handlung.

Natürlich steht unsere Heilerin aus altem Geschlecht wieder in einem dieser Handlungsstränge im Zentrum des Geschehens. Durch ihre Augen erleben wir die tagtägliche Diskriminierung ihres Volkes, stehen fassungslos und betroffen daneben, wenn Unschuldige malträtiert, erniedrigt und gepeinigt werden. Und wir erleben, wie sie wächst, wie sie lernt , sich auf dem politischen Parkett zu bewegen, zu intrigieren um ihr Ziel, den Aufbau eines Hospitals für alle in der Stadt Lebenden, zu erreichen.

Ali, jüngerer Bruder des Thronprinzen und der Mann, der Nahri durch seinen Wissensdurst, seine Kultiviertheit und sein Aussehen für sich einnahm, wurde vom eigenen Vater ins Exil geschickt. Dies heißt nichts anderes, als dass jeder Meuchelmörder ungestraft sein Leben nehmen darf. Dass der Prinz mittlerweile über ganz eigene Magie verfügt, mit deren Hilfe er Oasen in der Wüste und dem unwirtlichen Gebirgen zum Sprudeln bringen kann, ermöglicht ihm nicht nur zu überleben, sondern auch andere Verbannte und Ausgestoßene um sich zu sammeln. Dann kehrt er nach Daevabad heim.

Und auch der Djinn ist zurück. Von Nahris totgeglaubter Mutter beschworen, soll er den Sturm auf Daevabad anführen.

Aus dieser Melange webt die Autorin dann ihr Buch - ein Roman, der ergreifende Schicksale für uns bereithält, ein Titel, der jede Menge Wendungen, Opfer und wenig Triumphe offeriert, uns dabei aber immer mehr in seinen Bann zieht.

Sicherlich, bei fast 700 Seiten gibt es gerade zu Beginn Längen. Kapitel, die der Vorbereitung des Handlungsfortschritts dienen, die uns vom Leben und Leiden der Menschen berichten. Diese Passagen sind fast schon gemächlich zu nennen, sorgen aber für ein wunderbar stimmiges, detailreiches Setting.

Gleichzeitig aber ziehen uns diese Passagen auch in die beschriebene Welt, verfolgen wir interessiert und fasziniert mit, wie sich die Figuren entwickeln, wie sie interagieren, manches Mal ihr Ziel erreichen, oftmals scheitern.

So ist dies der zweite Teil einer kleinen Reihe, der das seltene Ziel erreicht, noch besser zu sein, als der Auftaktband. Chakraborty fängt uns fast mühelos ein, zieht uns in die von ihr wunderbar stimmig und vielschichtig beschrieben Welt aus 1001 Nacht, fesselt uns mit Schicksalen und all dies, ohne eine große Romanze bemühen zu müssen.