Human Target Graphic Novel 1: Tödliche Ziele (Comic)

Peter Milligan
Human Target Graphic Novel 1
Tödliche Ziele
(Human Target # 1-4 & Human Target: Final Cut, 1999/2002)
Aus dem Amerikanischen von Claudia Fliege und Gerlinde Althoff
Titelbild von Javier Pulido
Zeichnungen von Edvin Biucovic & Javier Pulido
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 204 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86201-177-3

Von Christel Scheja

Erdacht wurde Christopher Chance bereits 1972, als ihn Carmine Infanto und Len Wen in „Nebengeschichten“ der „Superman“-Comics auftreten ließen. Der Held erlebte damals noch schlicht gestrickte Agentenabenteuer im Stil von „Mission Impossible“ und geriet bald wieder in Vergessenheit. Das änderte sich 1999, als Peter Milligan die Figur für sich wiederentdeckte und ihr neues Leben einhauchte. In einer Miniserie und mit einer nachfolgenden Graphic Novel gab er Christopher Chance ein neues Gesicht. Genau diese Bände inspirierte die Macher später zu ihrer Fernsehserie „Human Target“, die immerhin zwei Staffeln bewilligt bekam.

Eigentlich hat Christopher Chance nicht mehr wirklich Lust, sein Leben zu riskieren, er wäre schon damit zufrieden, einfach nur die Zeit totzuschlagen und zu entspannen. Aber das Leben hat andere Pläne mit ihm, denn der ehemalige Agent und Killer kann auch nicht „Nein“ sagen, wenn ein Auftrag an ihn herangetragen wird. Er schlüpft in die Haut extrem gefährdeter Personen und ist von diesen durch perfekte Masken und Verkleidung kaum zu unterscheiden. Da er die Tricks des Business kennt, haben es Attentäter schwer, ihn zu erwischen. Doch nicht immer kann er mit der Maske auch die Persönlichkeit seines Klienten ablegen. Das merkt er ganz deutlich, als er einen wehrhaften afroamerikanischen Reverend verkörpert und dessen Frau wie auch Sohn nicht wirklich vergessen kann.

Dann muss er feststellen, dass ein Attentäter es nicht auf seine Kunden, sondern auf ihn selbst abgesehen hat – doch wer ist es, und wer hat den Unbekannten auf ihn angesetzt? Die Antwort bekommt Christopher Chance erst, als er ganz in die Traumwelt Hollywoods eintaucht und einen jungen und gerade in den Zenit aufsteigenden Star wiederzufinden versucht, der von einem schattenhaften Kidnapper entführt wurde, denn dieser Fall führt ihn, ohne es zu ahnen. auf die richtige Spur.

Anders als die ersten Inkarnationen wie auch die Fernsehserie handelt es sich bei „Tödliche Ziele“ um waschechten Crime Noir. Christopher Chance ist kein strahlender Held, sondern ein abgehalfterter Agent, der sein Alter und seine Verletzungen spürt, genau weiß, dass ihm die Einsätze schneller den Tod bringen können, als er selbst will und der die Welt nur noch durch eine düstere Brille sieht. Den Glauben an das Gute hat er längst hinter sich gelassen, wenn er ihn jemals besessen hat, und meistens fallen ihm nur noch zynische Sprüche ein. Dennoch kann er nicht von seinen Einsätzen lassen, wirken diese doch wie eine berauschende Droge auf ihn, lassen ihn vergessen, dass er das Ende seines Lebens erreicht hat. Auch die Welt, die ihn umgibt ist düster und kalt, er ist von Verrat, Missgunst und Hass umgeben. Oft genug spürt er, dass selbst Männer und Frauen, die er für Freunde gehalten hat, jederzeit dazu bereit sind, ihn für nichts zu verraten.

Das Artwork des früh verstorbenen Edvin Biucovi und von Javier Pulido passt wie die Faust aufs Auge und fängt die düstere und schwüle Atmosphäre und die nüchterne Abgeklärtheit des Helden in einer schmutzigen Welt ausgezeichnet ein.

Wer also seichte Action-Unterhaltung erwartet hat, wird in Wort und Bild schnell eines Besseren belehrt. Die beiden Grapic Novels von „Human Target“ liegen schwer im Magen und wirken noch lange nach, da man oft genug gezwungen ist, zwischen den Zeilen zu lesen, mitzudenken und die versteckten Hinweise zu finden. Gerade das aber beweist ihr hohes Niveau und macht Lust auf mehr.

Damit ist „Tödliche Ziele“ gehobene und sehr intelligent gemachte Crime-Noir-Unterhaltung, die durchaus mit den Klassikern des Genres mithalten kann. Allerdings sollte man nicht versuchen, Vergleiche zu der doch eher seichten und oberflächlichen Fernsehserie zu ziehen – denn das würde diesem Graphic-Novel-Double-Feature nicht gerecht werden.