Algernon Blackwood: Der Zentaur (Buch)

Algernon Blackwood
Der Zentaur
(The Centaur)
H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 35
Aus dem Englischen übersetzt von Usch Kiausch
Festa, 2014, Hardcover, 346 Seiten, 28,90 EUR, ISBN 978-3-86552-341-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Haben Sie auch manchmal das Gefühl, nicht in diese Zeit zu passen? Überall um Sie herum ist Hektik, Oberflächlichkeit, die Natur wurde bezwungen, nein vergewaltigt, und Sie selbst fühlen sich hilflos, ruhelos, fremd in dieser Welt? So zumindest geht es einem großgewachsenen Iren, O’Malley genannt, ein Wandervogel, ein Freigeist, der immer auf der Suche war nach einem Ort, an dem er sich heimisch fühlen könnte, und auf der Suche nach Wesen, denen er sich anschließen könnte.

Er lebte in den 30er Jahren, bereiste als Journalist die abgelegensten, urwüchsigsten Regionen unseres Planeten und fand doch nie das, nach dem es sein Innerstes verzehrte. Nur einmal, ein einziges Mal, kam er dem Gesuchten nahe. Auf der Reise in Richtung Kaukasus begegnete er, bei der Atlantiküberquerung an Bord des Schiffes, das ihn gen Osten trug, einem massigen Mann und einen diesen begleitenden Jungen. Beide hinterließen bereits beim ersten Anblick einen Schauder, weckten das unbändige Interesse O’Malleys, sie und ihr Schicksal näher kennenzulernen. Dass Beide kaum einer Sprache mächtig waren, erschwerte den Kontakt, doch wo ein Wille ist, gibt es immer auch einen Weg.

Unbewusst war O’Malley überzeugt davon, dass er einem kosmischen Wesen gegenüberstehen würde, endlich eine Projektion des Wundersamen gefunden hätte. Statt vom entsetzlichem Materialismus geblendet zu sein, sucht er die Verbindung zur lebendigen Erdmutter aufzunehmen – und wird doch immer wieder im letzten Moment vor der Metamorphose zurückgehalten...

Algernon Blackwood ist mir persönlich aus den legendären Bänden der „Bibliothek des Hauses Usher“ (Insel Verlag) ein Begriff. Die vorzüglich von Kalju Kirde editierte Reihe, machte dem deutschsprachigen Leser Klassiker der unheimlichen Literatur in wohlfeilen Ausgaben zugänglich. Zusammen mit der „Bibliotheka Dracula“ (Hanser Verlag) boten diese Reihen einen Überblick über die Gesamtbreite der Phantastischen Literatur und weckten bei vielen Lesern erstmals das Interesse an entsprechendem Schriftgut.

Vorliegend legt Frank Festa, dessen HPL-Bibliothek sich äußerlich ein wenig an die Insel-Reihe anlehnt, dem Leser einen Roman vor, der ein wenig anders daherkommt, als wir dies aus den bisherigen Veröffentlichungen der Festa’schen Edition gewohnt sind.

Man könnte den Inhalt unter dem Oberbegriff „ethologischer Mystizismus“ charakterisieren, geht der Autor doch von der Prämisse aus, dass die Erde selbst eine lebende Entität sei, und die Lebewesen in der Frühgeschichte unserer Welt auf eine unbewusste Ebene in direktem Kontakt zu dieser Allmutter standen. Mehr noch, einige Lebewesen wären, so die Vermutung, fleischgewordene Teile dieses ätherischen Wesens.

Unser Erzähler, ein introvertierter Sonderling, ist kein einfacher Held, dem man als Rezipient ins Abenteuer folgen kann. Statt einer mehr oder minder unheimlichen, gruseligen Handlung erwarten uns nachdenkliche Überlegungen, philosophische Fragen und eine gewisse Handlungsarmut. Dennoch, trotz all der Längen, trotz seitenlanger philosophisch angehauchter Dialoge und Gedanken, hat mich der Plot in seinen Bann gezogen. Immer wieder schien zwischen den Zeilen eine Andersartigkeit, eine Fremdheit durch, die mir als Leser einen wohligen Schauer über den Rücken gleiten ließ.

Das Gebotene ist sicherlich nicht für jeden Leser interessant, passiert doch sehr lange Zeit wenig. Lässt man sich aber auf die Gedanken ein, findet man sich in einer im wahrsten Sinn des Wortes phantastischen Welt wieder, die weit abseits der gängigen Pfade mit leisen Tönen fasziniert und uns eine Welt präsentiert, die ganz anders daherkommt als gängige Horror-Szenarien.