Defenders Megaband 1: Todesritt der Walküren (Comic)

Cullen Bunn
Defenders Megaband 1
Todesritt der Walküren
(Fearless Defenders 1-12, 2013/2014)
Aus dem Amerikanischen von Michael Bregel
Titelillustration von Mark Brooks
Zeichnungen von Will Sliney, Stephanie Hans, Veronica Gandini
Panini, 2014, Paperback, 256 Seiten, 24,00 EUR, ISBN 978-3-95748-007-6

Von Irene Salzmann

Das Superhelden-Team Defenders ist in Deutschland wenig bekannt, obwohl es bereits seit 1971 („Marvel Feature“ 1) existiert und einige mehr oder weniger langlaufende Serien erlebte. Geleitet wurde die Gruppe meist von Dr. Strange, der sich für die jeweiligen Missionen passende Helfer suchte, sodass es nie ein Team gab, das über einen längeren Zeitraum gemeinsam agierte.

Zu den prominentesten Mitgliedern zählen unter anderem Hulk, Namor, Beast, Valkyrie, Hellcat – und sogar Howard the Duck. Die Gegner haben meist mythischen Charakter, sodass mehr Magie als futuristische Technik zum Einsatz kommt.

2013 schrieb Cullen Bunn („Deadpool“, „Captain America“, „Cable and X-Force“ etc.) eine 12teilige Serie über die „Fearless Defenders”, einem rein weiblichen Team, in dem einige der bekannten männlichen Helden, zu denen eine Liaison besteht/bestand, lediglich einen kurzen Auftritt haben, was als Hommage auf frühere Mitglieder zu verstehen ist.

Als Hauptzeichner konnte Will Sliney („Star Wars: The Clone Wars“, „MacGyver“, „Farscape“ und so weiter) gewonnen werden, dessen Bilder comichaft und manchmal etwas ungelenk wirken, hin und wieder Fehler bei den Proportionen und der Perspektive aufweisen. Der eigentliche Star ist allerdings Stephanie Hans (hauptsächlich Cover-Art, zum Beispiel „Angela“, „Storm“, „Journey into Mystery“) mit ihren wie gemalt wirkenden Illustrationen. Leider übernahm sie nur eine der zwölf Episoden, den US-Band 7. Auch die kleine Cover-Gallery weist einige sehr schöne Zeichnungen von verschiedenen Künstlern auf.

Caroline Le Fay, die Tochter von Morgan Le Fay und Dr. Doom, verfolgt einen geheimen Plan, für den sie einige asgardische Artefakte zusammenträgt und Mirage/Danielle Moonstar, die zur Walküre gekürt wurde, entführt und benutzt. Daraufhin werden die Todesmaiden, entartete Walküren, die alles vernichten wollen, was ihnen im Weg steht, wiedererweckt. Eigentlich war es Valkyries Aufgabe, neue Walküren zu rekrutieren, um ein Gegengewicht zu schaffen, doch sie versagte, weil sie niemanden für würdig befand.

Um diesen Fehler wiedergutzumachen, schart sie Dani, die Amazonenkönigin Hippolyta und mehrere Heldinnen um sich: Misty Knight, Clea, Elsa Bloodstone, die Archäologin Dr. Annabelle Riggs, die seit ihrem Tod mit Valkyrie verbunden ist, und die durch den Terrigennebel veränderte Ren. Auch einige andere helfen gelegentlich aus – und das ist dringend notwendig, denn die Todesmaiden verfügen über große Macht, und Valkyrie war einst eine der ihren und die Verkörperung der Wut.

Zwar wird Annabelle zur Walküre erhoben, doch sie ist die Einzige. Valkyrie ist davon überzeugt, dass die Welt keine Kriegerinnen benötigt, die Helden nach Walhalla geleiten, sondern ein neues Defenders-Team. Dieses kann Caroline Le Fay eine Schlappe beibringen, aber nicht die Realisierung ihres wahren Ziels verhindern…

Der „Defenders“-Megaband verbindet typische Superhelden-Action mit den Mythen um die nordischen und griechischen Götter. Von Letzterem werden allerdings nur wenige Anleihen in Form von einigen Figuren geholt (Hel, Odin, die Walküren, Ares, Hippolyta, Hercules und so weiter), die von Autor Cullen Bunn für die Story in die passende Form gebracht wurden. Das stellt dann auch den Hintergrund für eine Handlung, in der toughe Frauen mythisches Unheil abzuwenden versuchen.

Man merkt, dass ein Mann den Plot entwickelte, denn er lässt die Protagonistinnen ‚Hahnenkämpfe‘ austragen, wie sie für die Kollegen charakteristisch sind, was Cullen Bunn wohl auch bewusst war, da er seinen Charakteren entsprechende ironische Bemerkungen in den Mund legt. Persönliche Beziehungen über das bereits Bestehende hinaus werden kaum geknüpft, denn die Freundschaften zu den Männern sind oft in Schieflage, und untereinander betrachten sich die Frauen als zeitweilige Verbündete, sieht man von Annabelles Interesse an Valkyrie einmal ab, das sich später auf eine andere verlagert. Homosexualität ist kein Tabu mehr, und es scheint, als bekäme mittlerweile jedes Team seine ‚Quoten-Lesbe‘ oder seinen ‚Quoten-Schwulen‘ („Avengers“, „X-Men“, „X-Factor“, „Authority“ und andere). Das ist allerdings auch schon die einzige Romanze in der Miniserie.

Der Hauptaugenmerk liegt auf den Kämpfen und Valkyries Wandlung von der überheblichen, pflichtvergessenen Walküre zur wütenden Todesmaid und weiter zur reuevollen Freundin, die ein großes Opfer bringt und daraufhin Zügel angelegt bekommt bis hin zum geläuterten Defenders-Mitglied, das seine Aufgaben ernst nimmt. Zusammen mit Hippolyta, Dani, Elsa und Clea steht sie für die archaischen, mystischen Elemente, zu dem Misty, Ren, Annabelle und die gelegentlichen Helferinnen den zeitgenössischen Gegenpol bilden, der mit Technologie aushilft, wenn die Magie versagt.

Will Sliney hat viel Spaß daran, die kurvigen Heroinnen in Szene zu setzen, wenngleich ihm dabei so mancher Schönheitsfehler unterläuft, sodass die Gesichter mitunter verzerrt, die Posen übertrieben verdreht und die Proportionen unnatürlich wirken. So mancher nackter Bauch sieht gar so aus, als wäre er von einer großen Faust umfangen und zusammengedrückt worden, wobei die Linien, die den Körper plastisch erscheinen lassen sollen, wie hässliche Knitterfalten wirken. In Konsequenz fällt die realistisch-idealistische Arbeit von Stephanie Hans umso positiver auf. Nun, vielleicht darf die Französin bald einmal eine Graphic Novel zeichnen? Die Freunde schöner Illustrationen würde es freuen.

Positiv am „Defenders“-Megaband ist, dass er ein relativ abgeschlossenes Abenteuer mit der Option auf eine Fortsetzung bietet. Vorkenntnisse sind nicht nötig, denn die Hauptfiguren werden im Laufe der Handlung vorgestellt, und die meisten ‚Gäste‘ kennt man aus anderen Serien. Das Künstler-Team bietet Frauen-Power, darunter Charaktere, die eher selten auftauchen, und somit sehr viel fürs (männliche) Auge, wenngleich es keine gute Wahl war, zwei so verschiedenen Zeichner wie Will Sliney und Stephanie Hans in dem Sammelband zu vereinen. Insgesamt wird der Leser spannend unterhalten und wünscht sich nach der Lektüre eine Fortsetzung, denn einige Fragen ließ Cullen Bunn bewusst offen.