Ian Tregillis: Saat des Unheils (Buch)

Ian Tregillis
Saat des Unheils
(Bitter Seeds)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Christian Jentzsch
Titelillustration von Dirk Berger
Deltus.de, 2014, Paperback, 456 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-940626-15-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wir kennen den Zweiten Weltkrieg als einen der einschneidendsten Einschnitte in der neueren Geschichte. Millionen Menschen verloren ihr Leben, weitere Millionen wurden vertrieben, verloren ihr Hab und Gut oder ihre Gesundheit. Bei all den bestialischen Verbrechen, die während des Kriegs verübt wurden aber stand eines außer Frage: dass alle Gräueltaten von Menschen wie Du und Ich begangen wurden.

Was aber wäre, wenn Hitler Deutschland zu Beginn des Kriegs, die Legion Condor hilft Franco gerade bei der Eroberung Spaniens, aus dunklen, verbotenen Forschungen kriegsentscheidende Unterstützung erhalten würde? Supermenschen, Waisen die von frühester Kindheit dazu gebracht wurden, ihre besonderen Gaben zu schulen und nun im Dienst des Dritten Reiches zum Einsatz zu bringen.

Als die SIS, besser bekannt unter dem Kürzel MI6, von einem Überläufer erste Hinweise auf die Supermenschen im Dienst des Führers erhalten, werden die Hinweise noch angezweifelt. Doch dann bekommen sie nicht nur einen teilweise zerstörten Film über die Agenten von Hitlers Geheimwaffe in die Hände, auch eine der übersinnlich begabten Personen können sie gefangennehmen.

Als sie versuchen, über einen Warlock, einen Mittler zwischen Menschenwelt und dem Übersinnlichen, den Superwesen der Jerrys, wie die Deutschen genannt werden, auf die Spur zu kommen, erleben sie eine Überraschung. Die Quelle der Gaben liegt beileibe nicht, wie zunächst vermutet, bei den Eidola, den Wesen, die das Universum beherrschen, sondern muss eine andere Herkunft haben.

Es beginnt ein von beiden Seiten gnadenlos geführter Vernichtungskampf: Zauberer gegen Superwesen, der auch vor unschuldigen Opfern keinen Halt macht; Täter werden zu Opfern und die Agenten im Einsatz der Briten zerbrechen an ihren Taten…

Von den deutschen Lesern fast unbemerkt, existiert insbesondere in Großbritannien eine literarische Sub-Gattung, die mehr oder minder akkurat recherchiert, den Zweiten Weltkrieg als Kulisse für den immerwährend gleichen Kampf der Guten gegen die Nazis thematisiert.

Auf den ersten Blick fällt vorliegender Roman, Auftakt einer Trilogie, in diese Sparte, erweist sich bei näherer Betrachtung aber als viel mehr und wesentlich interessanter als erwartet. Es geht um eine Alternativwelt-Geschichte, in der der Zweite Weltkrieg auch und mittels übernatürlichen Gaben geführt wird. Beide Seiten rüsten, allerdings ganz unterschiedlich, entsprechend auf. Hier die Engländer und ihre Verbündeten, die mit der Warlocks auf alte Überlieferungen und Rituale zurückgreifen können, dort die abnormalen und sadistischen Forschungen eines Nazi-Wissenschaftlers, dem es gelingt Superwesen heranzuzüchten.

Tregillis zeigt dabei auf, wie beide Seiten sich von ihrer zu Beginn durchaus vorhandenen humanen Grundhaltung verabschieden, wie Unschuldige zur Erreichung des Zieles – auch von den Briten – geopfert werden, wie Menschen durch den Krieg ihre moralische Integrität und ihren Wegweiser, was rechtens ist, verlieren.

Verpackt hat er diese Botschaft in einen packenden Roman, der natürlich von den Ideen, den Geheimnissen aber auch den manchmal etwas abgedroschen gezeichneten Personen lebt. Das liest sich spannend und packend auf einen Rutsch durch, nutzt Thriller-Elemente, um das Tempo und die Dramatik hochzuhalten, und unterhält bestens.