Westwood Vibrato 1 (Comic)

Westwood Vibrato 1
(Westwood Vibrato Vol. 1, 2010)
Autor: In-Wan Youn
Zeichnungen: Sin-Hee Kim
Aus dem Koreanischen von O. Jeong
Tokyopop, 2014 Paperback, 192 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-38420-0876-2

Von Christel Scheja

Koreanische Künstler müssen sich, wenn sie auch auf dem japanischen Markt Erfolg haben wollen, den dortigen Gegebenheiten anpassen, vor allem was die Leserichtung und den Zeichenstil angeht. Das merkt man auch bei „Westwood Vibrato“, der nun, nach einer Veröffentlichung als Webcomic, als Paperback bei Tokyopop erscheint. Die Ausgabe ist größer als bei einem Taschenbuch und vollfarbig, um der Geschichte gerecht zu werden.

Cornelia Warshaw lebt am Ende der Welt in Kapstadt, doch sie hat in der ganzen Welt einen ganz besonderen Ruf, ist sie doch eine der wenigen Spezialisten, die alte Instrumente reparieren oder wenigstens noch einmal zum Leben erwecken können, selbst wenn diese schon uralt sind oder stark angeschlagen. Die junge Frau hat ein besonderes Händchen für Blasinstrumente, und das nicht ohne Grund. Denn von jedem Musiker, der sie aufsucht, erwartet sie eine Geschichte, will mehr über das Instrument und ihn wissen, denn nur so kann sie die Seele, die beiden innewohnt, erfassen und beides wieder zusammenfügen.

Das ist bei einem amerikanischen Jazz-Musiker der Fall, der ihr sein altgedientes Saxophon mitbringt, aber auch bei einem alten Juden, der mittels einer alten Trompete einen Nazi-Soldaten zu finden hofft, der ihm und seinen Bruder noch in der Gaskammer das Leben gerettet hat. Aber auch Cornelia selbst erlebt spannende Abenteuer, als sie sich in Arabien für ein Kind einsetzt und es dabei sogar wagt, gegen die Scharia zu sprechen.

Dies sind nur einige der ruhigen aber eindringlichen Episoden von „Westwood Vibrato“, die einfühlsam und leise erzählt werden, aber nichtsdestoweniger in ihren Bann schlagen, wenn man die Musik liebt und gerne auch schon einmal auf die stilleren Töne hören mag.

Der Manga wendet sich bewusst an ein älteres Publikum, das auch zwischen den Zeilen und in den Bildern zu lesen vermag, nimmt sich Zeit, jedes einzelne Schicksal in Details auszuarbeiten. Und nicht immer gibt es wirklich befriedigende Antworten, denn der Leser ist gezwungen, sich selbst Gedanken über alles zu machen.

Cornelia Warshaw bleibt bewusst ein eher blasser und schattenhafter Charakter, das Medium, durch das die Geschichte erzählt wird und dem Leser hilft, besser zu verstehen, was eigentlich passiert. Daher lernt man nur in der Geschichte einige Facetten mehr von ihr kennen, in der sie selbst involviert ist.

Die menschlichen Dramen sind glaubwürdig in Szene gesetzt, sie atmen sogar das Flair der Zeit – ob man sich nun im Amerika der 70er Jahre oder in einem Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg befindet, die Atmosphäre stimmt einfach und macht die Geschichten noch viel intensiver – der feine Zeichenstil und die gedeckten Farben unterstützen das auch noch recht gut.

„Westwood Vibrato“ erweist sich schon im ersten Band als sehr erwachsener Manga, der mit seinen vielen leisen Zwischentönen und lebensnahen Schicksalen vor allem erwachsene Leser fesseln dürfte, die gerne hintergründige, lebensnahe Geschichten mit intensiven Gefühlen und glaubwürdiger Atmosphäre lesen.