East of West 1 (Comic)

East of West 1
(East of West 1-5)
Autor: Jonathan Hickman
Zeichnungen: Nick Dragotta
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Panini, 2014, Paperback, 148 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-86201-963-2

Von Frank Drehmel

In „East of West“ entwirft Autor Hickmann ein Szenario, das Hard-SF-, Alternate-Reality-, Western- und Fantasy-Elemente zu einer prä-apokalyptischen Dystopie verschmilzt.

Die vier Reiter der Apokalypse – Sieg, Krieg, Hunger und Tod – sind zurückgekehrt, wiedergeboren, um das Ende der Schöpfung einzuläuten; doch nur drei von ihnen nehmen ihre Mission ernst und beginnen in Gestalt von kleinen Kindern, eine breite Blutspur durch das Land zu ziehen. Der vierte Reiter – Gevatter Hein, der Schnitter, Abaddon, Mister Bones oder kurz der Tod – verfolgt eigene Pläne, welche auch ihn zum Ziel seiner ehemaligen Gefährten machen. Tod will Vergeltung speziell an jenen Menschen, die ihm einst die geliebte Frau und den Sohn nahmen. In Begleitung zweier mysteriöser Freunde mit bemerkenswerten Fähigkeiten – des hünenhaften Indianers Wolf und der schwarzen Schamanin Krähe – und in Gestalt eines bleichen, in schneeweiße Kleidung gewandeten Revolverhelden, sucht er Antworten und erhält in einem mehr oder weniger heruntergekommenen Saloon eine Liste mit den Namen der Verantwortlichen, welche sich selbst als Auserwählte bezeichnen, die sich aus den Reihen der Führer der sogenannten freien Welt rekrutieren und die innerhalb einer sinistren Organisation die Apokalypse mitgestalten wollen.

Der erste Täter, der Tods Rache zum Opfer fällt, ist der Präsident; doch schon der zweite Mann auf der Liste, Archibald A. Chamberlain, leugnet keineswegs seine Schuld, bietet Tod jedoch etwas so Wertvolles im Tausch für sein Leben, dass der Reiter ihn verschont: Informationen über den Verbleib der ermordet geglaubten Frau, Xiaolian; als Tochter des Hauses Mao, des Führers von Neu-Shanghai, hat ihr der Vater zwar beide Hände abtrennen lassen, hält sie aber seit Jahren in Gefangenschaft. Zusammen mit Wolf und Krähe, macht sich Tod auf den Weg, die Geliebte zu befreien, ungeachtet der Tatsache, dass ihnen das Haus Mao eine ganze Armee entgegenstellt – die allerdings unter dem Ansturm der drei Verbündeten fällt, wie Halme unter der Sense des Schnitters.

Was sich als mutiger Ansatz ausnimmt – Genre-Mixes dieser Art und insbesondere unter Einbeziehung des uramerikanischen Western-Themas versprechen oft mehr, als sie am Schluss halten können –, schlägt einen schon nach wenigen Seiten in seinen Bann.

Da der sechsseitige Prolog mit nur wenigen Worten auskommt, ist dieses zunächst dem Artwork Dragottas zu verdanken, dem schon mit der Splash-Page gleichsam ein expressives atmosphärisches Statement gelingt, entwirft er doch in klarem, fast schon unterkühltem Strich eine düstere, seltsame leere und in ihrer Leere bedrohliche Welt. Die beklemmende apokalyptische Stimmung der Bilder wird durch eine düstere Koloration befördert, in der Rot-, Braun-, Blau- und Grautöne dominieren, in der sattes Grün und „gesunde“ Farben gänzlich fehlen und vor denen der weiße Tod wie ein visuelles Fanal der Rache wirkt. In kompositorischer Hinsicht dominieren erstens die mangahaft posenden Figuren die Bilder, während detaillierte Hintergründe oft ganz fehlen oder mit wenigen, klaren Strichen umrissen sind, sowie zweitens die dynamischen und cineastisch angelegten Perspektiven und Layouts.

Erzählerisch wirft Hickman den Leser ins kalte Wasser, indem er zwar nach dem Prolog, welcher den Akt der Wiedergeburt der Reiter beschreibt, der Welt anhand eines kurzen Abrisses eine Historie verleiht, die Hintergründe der Figuren und ihrer Beziehungen jedoch nur ganz allmählich – wenn überhaupt – beleuchtet und sich ansonsten in Orakeln und Andeutungen ergeht.

Obgleich die Inszenierung des Todes als Revolverheld sofort an den Heiligen der Killer aus Ennis’ und Dillons „Preacher“-Serie erinnert und obgleich aus der Story heraus noch kein zwingender Grund für diese Entscheidung beziehungsweise Erscheinung erkennbar ist, handelt es sich – wie auch bei den übrigen Reitern sowie Tods beiden Begleitern – um charismatische, interessante und unverwechselbare Figuren.

Die Geschichte, die mit einer guten Balance zwischen Action und ruhigen Momenten aufwartet, ist, abgesehen vom diffusen, rätselschwangeren Hintergrund, vergleichsweise klar strukturiert und einfach erzählt, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Möchte man ein Körnchen Salz suchen, so findet man das auf Seiten der Dialoge, die zuweilen arg platt und vordergründig daherkommen und wie eine ungeliebte Notwendigkeit uninspiriert und wenig geistreich wirken.

Fazit: Ein künstlerisch und erzählerisch gelungener, weil origineller, atmosphärisch stimmiger und spannender Genre-Mix aus dystopischer SF, Western und Fantasy. Klasse!