Thomas Plischke: Die Zombies (Buch)

Thomas Plischke
Die Zombies
Titelillustration von Sylwia Makris
Piper, 2010, Paperback, 474 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-492-26746-5

Von Carsten Kuhr

Lily Young hat eine besondere Beziehung zu dem alten Naturglauben, der in der Karibik weiterhin große Verbreitung findet. Ihr Großvater, selbst noch auf einer der vielen Inseln des heutigen Ferienparadieses geboren, stammt aus der Regio, und hat selbst so einige Dinge erlebt, die man mit Logik und wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erklären kann. Seinen Wunsch aber, mit einer schweren Steinplatte auf den überkreuzten Armen und durchschnittenen Achilles-Sehnen begraben zu werden, missachtet die Familie dann doch. Voodoo, wandelnde Tote, das ist doch alles Märchenkram, nichts, was einer wissenschaftlichen Untersuchung standhalten könnte.

Und so hat sich Lily, noch vor dem Tod ihres Großvaters dazu entschlossen, ihr Studium der Anthropologie mit einer kritischen Doktorarbeit über die weltweite Verbreitung des Zombie-Mythos abzuschließen.

Als Jüngste ihrer Familie hat sie sich in den letzten Jahren erfolgreich darum gemüht, sich vom begüterten Elternhaus aus einem der Nobelvororte Londons abzunabeln, und sich in Oxford ein eigenes Leben aufgebaut.
Der Tod ihres geliebten Großvaters trifft sie umso härter, als sie keinen wirklich engen Freund an ihrer Seite hat. In dem Deutschen Gottlieb hat sie zwar einen Freund, mit dem sie auch ab und an die Laken in Unordnung bringt, doch ist die Freundschaft weit von einer wirklichen Beziehung entfernt.

Als sie nach der Beerdigung noch auf dem Friedhof von einem offensichtlich reichen und interessanten Mann angesprochen wird, ahnt sie nicht, dass dieser ihr theoretisches Forschungsgebiet nur zu bald um eine persönliche, praktische Note bereichern wird. Um Gottlieb, der Hals über Kopf aufgrund einer SMS aus Deutschland abreist, eins auszuwischen, nimmt sie die Einladung von Viktor an, einen unvergesslichen Abend mit ihm zu verbringen.

Stilvoll von einem Chauffeur in einer Limousine abgeholt, bringt der Mann sie in ein ehemaliges Bad, in dem nun ein ganz besonderer Club residiert.
Was als Belustigung der Massen und Kick für Lily gedacht war, gerät aus dem Ruder. Schauspieler, die Zombies darstellen verfolgen sie durch die Kulissen, ja, einer der beiden wandelnden Untoten beißt sie gar. Das geht nun aber wirklich zu weit, entrüstet eilt sie nach Hause.

Am nächsten Tag bekommt sie Fieber, Übelkeitsschübe, und Durchfall, kurz darauf ist sie kein Mensch mehr.

Zur gleichen Zeit wird dem nach Hause gereisten Gottlieb das Testament seines despotischen Vaters eröffnet. Während die restliche Familie mit Millionen bedacht wird, darf er ein ganz anderes Erbe der Familiendynastie antreten – er soll künftig die Jagd auf Zombies koordinieren und anleiten.

Dass sich unsere Beiden so ungleichen Freunde und der mysteriöse Viktor wieder begegnen, und wie dies alles in einem fulminanten Showdown endet, das, liebe Leser, dürfen Sie selbst im Buch nachlesen.

Nachdem Plischke das etwas einförmige Fantasy-Genre mit seinen bislang zwei Bänden um die „Zerrissenen Reiche“ aufgemischt hat, danach dann in einem Thriller von übersinnlich begabten Kindern erzählte, darf er sich dieses Mal einem Thema widmen, das mir persönlich eigentlich nie viel gegeben hat.

Zombies, bei diesem Begriff tauchen vor meinem inneren Auge sofort Bilder von unappetitlichen Leichen auf, die sich mühsam schwankend durch nächtliche Straßen einer amerikanischen Kleinstadt schieben. Klar, werden Sie sagen, selber schuld, wenn man zu viele miese B-Movies angeschaut hat.
Dennoch, anders als die übliche Urban-Fantasy-Sagen um Vampire, Werwesen und Hexer umgibt die menschenfressenden Toten kein besonderer Nimbus. Zu widerlich ist der Gedanke, was die Natur mit den Verblichenen anstellt, gar nicht zu reden vom Tabuthema Kannibalismus.

Thomas Plischke geht das Topic ein wenig anders an. Zum einen hat er sein Buch in drei, auch stilistisch unterschiedliche, Abschnitte unterteilt. Der erste erzählt aus der Sicht von Lily, von der Zombiewerdung der jungen Frau.
Bleibt der Autor hier weitgehend dem Gewohnten verhaftet, um nicht zu sagen, dass die Handlung und die Charaktere auf den ersten Blick ein wenig schablonenhaft agieren, lockert er dies durch immer wieder eingeschobene Interviews von Lily mit Zeugen wandelnder Toter auf.

Diese Interviews alleine sind den Preis des Buches wert. In diesen kurzen Dialogen stecken Geschichten und Ideen, die mich an die Seiten gebannt haben, die aber gleichzeitig auch die Grenzen der Rahmenstory noch deutlicher zu Tage treten ließen.

Im zweiten Teil, der sich auf Gottlieb und seinen Familienaufgabe konzentriert, warten weitere, zum Teil skurrile Ideen auf den Leser.
Den vorläufigen Abschluss bildet dann ein fulminantes Finale, das in seiner Ausgestaltung an beste cineastische Blockbuster erinnert.