Paul Alfred Müller: Kosmotron (Buch)

Paul Alfred Müller
Kosmotron
Roman aus der Welt von Morgen
Titelillustration von B. W. Borchert
Verlag Dieter von Reeken, 2011, Paperback, 186 Seiten, 17,50 EUR, ISBN 978-3-940679-52-9

Von Carsten Kuhr

Paul Alfred Müller, PAM wie ihn seine Fans und Bewunderer liebevoll nennen, hat gerade in seinen beiden Serien „Sun Koh“ und „Jan Mayen“ immer den Fortschrittsglauben gepredigt. Ganz Kind seiner Zeit konnte der Fortschritt nur zu einem besseren Leben, einer besseren Welt führen – so das Credo seiner Serienromane. Später wandelte sich seine fast blinde Verehrung der Wissenschaft ein wenig, begann er zu differenzieren und auch einmal den warnenden Zeigefinger zu heben.

In der ebenfalls im Verlag Dieter von Reeken aufgelegten Neuedition der Jan-Mayen-Romane können wir geradezu exemplarisch erleben, wie Müller immer wieder seine Ansichten, eine gewisse Art seine jugendliche Leser belehren zu wollen, in die Romane eingeflochten hat. In den Vorworten zu den Neuauflagen erläutern Verlagsinhaber von Reeken und Nachlassverwalter Galle immer wieder, dass Müller entsprechende Vereinbarungen auch in den Verträgen mit seinen Verlegern aufgenommen hat. Bei all dem Tempo, den phantastischen Abenteuern und exotischen Handlungsorten, die in den Serien auftauchen, bricht der Autor auch immer wieder eine Lanze für Höflichkeit, für Mitgefühl und Rücksichtnahme. Das wirkt manchmal – gerade heutzutage – ein wenig aufgesetzt, zumal diese Ausführungen zumeist zu Beginn eines Romane in einer ganzen Passage auf den Leser einstürzen, ist aber auch ein Weg gewesen, die Romane aus der „Schund- und Schmutzliteraturecke“ herauszuholen. In seinen späteren Romanen hat er es besser gemacht. Hier lässt er seine Botschaft unauffälliger in den Text einfließen.

Im vorliegenden serienunabhängigen Roman begegnet uns darüberhinaus auch inhaltlich ein anderer Autor. Statt weiterhin blind den Fortschritt zu predigen, setzt Müller sich damit auseinander, dass ungezügelte Forschungssucht auch einmal schlimm enden kann, dass betroffene Menschen nicht immer begeistert applaudieren, wenn vermeintlich gefährliche Versuchsanordnungen in ihrer Heimat aufgebaut werden.

Protagonist der Geschichte ist einmal mehr ein junger, aufgeweckter Reporter – ein Topic, das Müller sehr gerne genutzt hat. Von seinem Arbeitgeber wird Paul Grän in ein abgelegenes Tal im Süden entsandt, in dem das Kosmotron, eine vermeintlich unerschöpfliche Energiequelle, errichtet wird. Es geht darum, die Tochter eines reichen Freundes seines Herausgebers vor Gefahren zu beschützen, aber auch darum, Sabotageakte am Projekt aufzudecken und weiteres Unheil zu verhindern. Schon bei der Ankunft in Süddeutschland empfangen ihn wütende Bewohner der umliegenden Dörfer, die sich, angeführt von einem Herold, wie der Vorreiter der grünen Bewegung im Roman bezeichnenderweise heißt, angeführt werden. Auch am Ort des Geschehens selbst erwarten den Spion wider willen Fährnisse zuhauf. Die beteiligten Wissenschaftler sind einander spinnefeind, eine verheiratete Dame stört sich nicht sonderlich an ihrem Eheversprechen und begibt sich – ganz zeit- und genreuntypisch – auf Männerfang, Morde werden verübt. In der Folgezeit macht sich Grän nicht nur auf die Suche nach dem Mörder, sondern versucht auch dem Geheimnis der immerwährenden Energiequelle des Kosmotrons auf die Spur zu kommen. Kann, was theoretisch möglich ist, auch in die Wirklichkeit umgesetzt werden, wo liegen die Risiken, sind diese kalkulierbar, und wenn nicht, welche Folgerungen sind zu ziehen?

Auch wenn der Roman immer wieder zwischen den Plots – Kriminalhandlung, angereichert mit ein wenig Romantik – und der Frage, ob alles, was theoretisch machbar erscheint auch verantwortungsvoll umgesetzt werden sollte, hin und her wechselt, erweist sich die Mischung, die uns der Autor anbietet, als durchaus flüssig zu lesende Lektüre. Zwar wirken die technischen Erläuterungen manches Mal ein wenig zu ausführlich, doch die Folgen, die unser Protagonist daraus zieht, sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Roman lebt dabei in erster Linie von seinen Gestalten. Die – männlichen – Charaktere sind glaubwürdig ausgestaltet, wissen den Leser zu fesseln und zu überzeugen. Fast jeder der Auftretenden hätte ein Motiv für den Mord gehabt, die Lösung ist daher ebenso überraschend wie folgerichtig.

Auch wenn die Katastrophe, die dem Anschalten des Kosmotrons folgt, durch die Natur selbst eingedämmt wird, bleibt doch der warnende Zeigefinger, den Müller hier erhebt deutlich. Hier hat der Autor sich inhaltlich deutlich fortentwickelt, ohne dass der Leser auf die liebgewonnenen Kämpfe, Geheimnisse und ein wenig angedeutete Romantik verzichten müsste.