Alisha Bionda (Hrsg.): Odem des Todes (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)
Odem des Todes
Titelbild und Innenillustrationen: Crossvalley Smith,
Voodoo Press, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 268 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-902802-06-4

Von Carsten Kuhr

Unermüdlich ist Alisha Bionda unterwegs, den deutschsprachigen Autoren in ihren Anthologien einen Platz zu bieten, sich zu präsentieren. Dabei gibt sie in aller Regel ein Thema vor, dessen Ausgestaltung dann den jeweiligen Verfassern obliegt. Vorliegend hat sie sich einem Großmeister der Phantastischen Literatur angenommen.

Edgar Allan Poe ist dabei nicht nur Genre-Liebhabern ein Begriff. Doch statt, wie eigentlich zu erwarten war, eine Kurzgeschichtensammlung aufzulegen, in der sich die Beiträge darum bemühen, die ganz eigene Art und Weise, wie Poe seine Leser in Angst und Schrecken versetzte, zu kopieren, sollten die Verfasser Poe selbst in ihren Beiträgen auftreten lassen. Dabei geht Fiktives mit Realem eine Synthese ein, die den Leser so manches Mal zweifeln lässt, ob das Geschilderte nicht doch tatsächlich so passiert ist.

Wie bei Alisha Bionda inzwischen schon gewohnt, wird jede Geschichte von einer zum Inhalt passenden Illustration aus der Werkstatt Crossvalley Smiths begleitet.

Bei der Lektüre fiel mir auf, dass, so unterschiedlich sich die Beiträge auch präsentierten, so verschieden die Autoren inhaltlich wie stilistisch vorgingen, sich das Niveau der Storys erfreulicherweise beeindruckend hoch anbot.

Den Auftakt der 13 Beiträge macht Arthur Gordon Wolfs Story „Die Geister der Vergangenheit“. In einem unbekannten Brief enthüllt Poe Kindheitserinnerungen über seine traumatischen Erlebnisse mit einer einäugigen Katze und einem Kohleberg, unter dem er als Junge verschüttet wurde. Geschickt baut der Autor hier mit Hilfe der Geschichte in der Geschichte eine unheimliche, beklemmende Atmosphäre auf, die den Leser in ihren Bann zieht. Stilistisch sehr nah an Poe überzeugt dieser Auftakt auf der ganzen Linie.

In Florian Hillebergs „Süße Liebe Wahnsinn“ wird der heranwachsende Poe von einer verwitweten Nachbarin verführt. Was als gemeinsame Liebe zu Lord Byron beginnt, das nimmt nur zu bald morbide und surreale Züge an. Insbesondere der zunächst schleichende Wahnsinn, dem sich die 40jährige zunehmend aussetzt, prägt die atmosphärisch dichte Erzählung.

Nicolaus Equiamicus „Die Rosenbrosche“ greift das Thema der Dupin-Geschichten auf. Poe nimmt darin Rache für den Mord an seiner Liebsten. Geradlinig erzählt, gehört die Geschichte zwar nicht zu den Highlights des Bandes, weiß aber dennoch spannend zu unterhalten.

In Christian Endres’ „Das Urteil“ greift der Autor, der insbesondere durch seine gelungenen Holmes-Beiträge auf sich aufmerksam machte, das Mysterium um die letzten Worte Poes auf. Die Verbindung zu den altnordischen Göttergestalten birgt sicherlich so manche Überraschung für den Rezipienten.

In Sören Preschers „Metzenger“ begegnet Poe einem gar seltsamer Sammler, der es auf die in dieser Kombination ungewöhnlichen Gefühle Verzweiflung, Entschlossenheit und Vorahnung abgesehen hat. Geschickt zeichnet der Autor einen Poe, der – vorliegend von Metzenger – förmlich getrieben wird, der zwanghaft seine literarischen Ergüsse fieberhaft zu Papier bringt.

Dave T. Morgans „Auf Messers Schneide“ stellt das Leiden und den drohenden Tod von Poes Frau durch die grassierende Schwindsucht in den Mittelpunkt der Erzählung. Gerade die sehr intensiv und einfühlsam geschilderte Hoffnungslosigkeit Poes, angesichts des Leidens seiner Geliebten, ist sehr gelungen ausgeführt.

Es schließt sich die umfangreichste Novelle des Bandes an. In der Titelgeschichte „Odem des Todes“ von Erik Hauser nimmt Poes Bruder eine bedeutende Rolle ein. Der ältere der beiden schreibenden Brüder erzählt kurz vor seinem Tod von einer Reise als Matrose auf eine der Südseeinseln. Hier werden die Seefahrer zunächst willkommen geheißen, erhalten Rum und Liebesdienste, sollen aber dann B’al Tok geopfert werden. Geschickt nutzt Hauser die Abenteuergeschichte, um neben dem extrovertierten Matrosen seinen introvertierten und immer in dessen Schatten stehenden Bruder näher zu beleuchten. Dabei erhalten wir in kleinen Nebensätzen Einblick in den leidvollen Alltag Poes, der geprägt ist von Armut und Not, ihn erst dazu anhält, seine Sätze zu Papier zu bringen. Intensiv, gleichzeitig unauffällig, zeichnet der Autor ein lebensechtes Bild Poes, dessen Tiefe von keiner der anderen Erzählungen auch nur annähernd erreicht wird.

Felix Woitkowskis „Adisons Pforte“ zeigt uns Poe zu seiner Zeit in West Point. Zusammen mit seinem Zimmergenossen macht er sich auf die Suche nach der Höhle des Mannes, der vor Jahrzehnten die Indianer um ihr Land geprellt hat. Das, und wie diese sich rächen, ist in der Geschichte nachzulesen. Auch wenn der Unterhaltungs- und Spannungswert hoch ist, vermag der Autor nicht an die atmosphärisch dichte Stimmung seines Vorgängers anzuknüpfen.

Andreas Flögels „Die fehlenden Köpfe“ zeigt uns Poe erneut als Detektiv. Die Honoratioren seiner Heimat setzen ihn auf eine Mordserie an, bei der der Täter die Köpfe seiner Opfer entwendet. Auch wenn Poe als Person hier relativ undeutlich bleibt, weiß der Detektiv-Plot per se zu überzeugen.

Dieter Winklers „Familienbande“ zeigt uns den Schüler Edgar, der von seinen Mitschülern getriezt wird – und gewieft wie er ist, seinen Kopf aus der Schlinge zieht und sich rächt. Zwar fehlt das phantastische Element, dafür entschädigt aber letztendlich der – untypische – Triumph Poes.

Damian Wolfes „Der Handel“ greift ein bekanntes Versatzstück auf. Poe kauft eine Schatulle, die ihn letztlich dazu verdammt, selbstzerstörerisch und getrieben zu schreiben. Leider bleibt die Person Poe vorliegend eher blass, kommt kaum wirklich Stimmung auf.

Desirèe Hoeses „Dunkel sind die Kammern deiner Träume“ lässt Howard P. Lovecraft auf dem Anwesen Usher auf Poe treffen. Die bezwingende Idee, Poe in seiner Gedankenwelt auf HPL treffen zu lassen, wurde leider nicht ganz adäquat umgesetzt. Statt überwältigendem Horror erwartet den Leser eine etwas zurückhaltende, stille Story.

Den Abschluss macht Michael Schmidts „Schwarz wie Blut“, der erneut Poes Bruder integriert. Zusammen werden die ungleichen Brüder geprüft, um herauszufinden, wer von den Beiden literarisch die bedeutenderen Spuren in der Welt hinterlassen wird. Geschickt hat es der Autor nicht nur verstanden, die Spannung bis zum Finale aufrechtzuhalten, sondern auch, damals alltägliche Entwicklungen – das Dampfross, das die Pferde ersetzt – einzubauen.

Florian Hillebergs informatives Essay sowie Portraits der Herausgeberin und des Illustrators schließen den Band dann ab.

Wie bereits angedeutet stechen insbesondere die atmosphärisch dichten Erzählungen aus der Feder von Erik Hauser, Florian Hilleberg, Dave T. Morgan und Arthur Gordon Wolf aus den durchweg ansprechenden Geschichten heraus. Sie alle präsentieren uns einen etwas anderen Einblick auf einen der bedeutendsten Phantasten, nähern sich ihm aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel und faszinieren so ihre Leser.